5 - Vom Pommesstand zum Handstand

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„Sehr schön", reißt mich der Junge, um den meine Gedanken derzeit kreisen, in die Realität zurück. „Mit diesem Lachen hast du dir die Pommes auf jeden Fall verdient."

Daraufhin geht Lee auf die Knie und hält mir die Pommes wie bei einem Heiratsantrag entgegen.

Auch wenn er bloß versucht witzig zu sein, zieht sich ein roter Schimmer über meine Wangen, da er mich mit dieser Geste ganz verlegen macht.

Um meine Unsicherheit irgendwie zu überspielen, nehme ich Lee das Schälchen Pommes ab und setze mich damit auf den Boden. Dann sage ich ehrlich: „Danke nochmal für die Pommes. Es wäre aber wirklich nicht nötig gewesen, dass du zahlst."

Sofort macht Lee eine wegwerfende Handbewegung, bevor er sich neben mir niederlässt. „Ich habe mal gehört, dass Studenten arm sein sollen. Deshalb dachte ich, dass ich dir finanziell etwas unter die Arme greife", zwinkert er mir zu.

Am liebsten würde ich etwas Schlagfertiges darauf erwidern, aber da mir leider kein Konter einfällt, verdrehe ich bloß die Augen.

Die nächsten fünf Minuten sind in ein angenehmes Schweigen gehüllt. Ich esse meine Pommes und Lee beobachtet aufmerksam die Menschen um uns herum.

Plötzlich möchte der Blondschopf völlig aus dem Zusammenhang gerissen wissen: „Kannst du eigentlich einen Handstand, Mabel?"

Glücklicherweise ist die letzte Pommes gerade in meinem Magen angekommen, denn sonst hätte ich mich sicherlich daran verschluckt. „Einen Handstand?", wiederhole ich misstrauisch. „Sehe ich etwa so sportlich aus?"

„Na ja", kratzt sich Lee verlegen am Hinterkopf. „Deine Figur lässt eigentlich schon darauf schließen, dass du sportlich bist."

Erneut färben sich meine Wangen dunkelrot. Vermutlich ist es gar nicht Lees Absicht, doch seine Worte bringen mich in Verlegenheit. Bisher hat mir immer nur Rave Komplimente gemacht, weshalb es ungewohnt ist, auf einmal von einem anderen Jungen nette Dinge gesagt zu bekommen.

„Bei unserem Schwimmtraining haben Rave und ich einen Handstand geübt", fährt der Braunäugige glücklicherweise fort, nachdem ich nichts auf sein Kompliment erwidere. „Erst im Wasser, aber später auch an Land. Im Wasser war das gar kein Problem für uns beide, doch auf dem Rasen sind wir immer wieder umgefallen. Deshalb interessiert es mich, ob du talentierter bist als wir."

In diesem Moment nehme ich mir vor, Rave später zu fragen, was genau er und Lee in der vergangenen Woche so getrieben haben. Normal ist es jedenfalls nicht, dass die beiden einen Handstand geübt haben, oder?

„Als ich noch klein war, war ich mal für drei Monate im Turnverein", teile ich schließlich eine Erinnerung aus meiner Kindheit mit Lee. „Damals konnte ich einen Handstand, aber ob ich das heute auch noch kann, weiß ich nicht."

„Möchtest du es probieren?" Erwartungsvoll schaut der Blondschopf erst mich und dann die Wiese hinter dem Pommesstand an. „Ich brauche eine Trainerin, die mir einen Handstand beibringen kann. Nach den Sommerferien fangen wir nämlich mit Turnen im Sportunterricht an."

Plötzlich ergibt es auch einen Sinn, warum er und Rave einen Handstand geübt haben. Wenn Lee das für die Schule können muss, ist es gar nicht mal verkehrt, dafür zu üben.

Was ein Glück, dass ich mich nie wieder durch den Sportunterricht in der Schule quälen muss.

„Mabel?" Sobald Lees Stimme ertönt, zucke ich kurz zusammen. Dann stammele ich peinlich berührt: „Äh ja, ich kann es ja mal versuchen."

Netterweise hilft mir der Braunäugige auf die Beine, ehe wir die kleine Rasenfläche ansteuern. Gott sei Dank stehen nur wenige Menschen vor dem Pommesstand, sodass ich nicht allzu viele Zuschauer haben werde.

Wenn Sonne und Regen aufeinandertreffenWhere stories live. Discover now