4 - Badespaß um Mitternacht

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Raves POV

Es ist komisch, Lee nach all der verstrichenen Zeit wiederzusehen.

Zwar hat sich unsere Begrüßungsumarmung vertraut angefühlt, aber die nachfolgenden Stunden waren wir sehr distanziert zueinander. Ohne Mabel und Tante Penelope hätten wir uns vermutlich nur angeschwiegen.

Jetzt gerade sitzen Lee und ich gemeinsam in seinem neuen Zimmer und stoßen mit einem Bier auf unsere Wiedervereinigung an.

Mabel musste leider schon etwas eher gehen, da sie ihren Eltern versprochen hat, heute Abend auf Noah aufzupassen.

„Prost, Rave!", lässt Lee meine Gedanken verpuffen, indem er seine Flasche gegen meine klirren lässt.

„Prost, Lee!", erwidere ich sofort, ehe ich den ersten Schluck meines Getränkes nehme.

Wie genau ich mich von nun an meinem Cousin gegenüber verhalten soll, weiß ich noch nicht. Ehrlich gesagt habe ich Angst, etwas Falsches zu sagen und ihn somit an seine grausame Vergangenheit zu erinnern.

Es war schon schlimm genug, als er sich heute Nachmittag mit einem Mann verglichen hat, der sich selbst das Leben genommen hat.

Ich bin erleichtert, dass Lee als Erster die Stille durchforstet und ich mir deshalb kein Gesprächsthema aus der Nase ziehen muss. „Du und Mabel also, hm?", möchte mein Gegenüber mit einem neugierigen Gesichtsausdruck wissen. „Wie lange seid ihr zwei schon zusammen?"

Zugegebenermaßen bin ich überrascht, dass mir Lee ausgerechnet diese Frage stellt. Noch vor wenigen Stunden wirkte er nämlich von unserem Pärchengehabe genervt.

„In ein paar Wochen seit fünf Jahren", antworte ich schließlich stolz.

Es ist unfassbar, wie schnell die Zeit mit Mabel an meiner Seite vergeht. Ein Leben ohne sie könnte ich mir gar nicht mehr vorstellen.

„Wow", raunt Lee beeindruckt. „Wie habt ihr euch denn damals kennengelernt?"

„Na ja", druckse ich verlegen herum. „In der Oberstufe sind alle Klassen zusammen nach New York auf Klassenfahrt gefahren. Abends saßen wir dann meistens alle zusammen und haben so alberne Spiele wie Flaschendrehen oder Wahl, Wahrheit oder Pflicht gespielt. Wir-"

„Lass mich raten", werde ich von meinem Cousin unterbrochen. „Ihr musstet euch bei einem dieser Spiele küssen und seitdem hat es zwischen euch gefunkt, richtig?"

„Richtig."

Vielleicht ist das kein romantischer Beginn einer Liebesgeschichte, doch für Mabel und mich ist er perfekt. Die Hauptsache ist sowieso, dass wir irgendwie zueinander gefunden haben - der Rest ist unwichtig.

„Ihr seid ein süßes Pärchen", murmelt Lee nach einer Weile. „Man konnte heute richtig sehen, wie verliebt Mabel dich angestrahlt hat."

„Mabel ist ein Sonnenschein", verrate ich dem Blondschopf daraufhin mit einem verträumten Seufzen. „Sie hat so gut wie immer gute Laune und lächelt beinahe ununterbrochen. Mit ihrer positiven und aufgeweckten Art hat sie bisher nicht nur mir den Kopf verdreht."

„Das kann ich mir vorstellen."

Da ich nicht weiß, was ich auf diese Aussage erwidern soll, nehme ich einen kräftigen Schluck von meinem Bier. Es tut gut, wie die kühle Flüssigkeit meinen ausgebrannten Rachen hinabrinnt.

Für ein paar Minuten ist es still zwischen Lee und mir. Während ich an Mabel denke, spielt mein Gegenüber gedankenverloren mit der Flasche in seinen Händen herum.

Woran er wohl gerade denkt? Etwa auch an Mabel?

Meine Frage beantwortet sich, als mein Cousin wissen möchte: „Was macht ihr zwei jetzt eigentlich? Mit der Schule seid ihr ja schon fertig, oder?"

Wenn Sonne und Regen aufeinandertreffenМесто, где живут истории. Откройте их для себя