5 - Vom Pommesstand zum Handstand

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Mabels POV

Endlich ist es wieder soweit: Rave nimmt an einem Schwimmwettkampf teil.

Anders als sonst sitze ich jedoch nicht allein auf der Tribüne, denn dieses Mal leistet mir Lee Gesellschaft.

Während er und Rave in der vergangenen Woche viel Zeit gemeinsam verbracht haben, musste ich meine Hausarbeit für die Uni fertigstellen. Dementsprechend ist es heute erst das zweite Mal, dass ich Lee gegenüberstehe.

Leider bringen mich seine karamellbraunen Augen immer noch so sehr aus dem Konzept, wie am letzten Wochenende.

Warum müssen sie auch so schön sein und wie kleine Sterne funkeln?

Da ich merke, wie ich mich in den Augen meines Gegenübers verliere, lenke ich mich ab, indem ich Lee frage: „Wie war deine erste Woche hier in Princeton? Haben du und Rave viel zusammen erlebt?"

Bei meiner Frage schleicht sich ein verschmitztes Grinsen auf seine Lippen. „Rave und ich haben jeden Abend für seinen Schwimmwettkampf trainiert", erzählt Lee stolz. „Er wird heute unschlagbar sein."

„Ach ja?", hake ich bloß mit gerunzelter Stirn nach. „Soweit ich weiß, hat das Schwimmbad aber immer nur bis siebzehn Uhr geöffnet."

„Ich rede auch nicht davon, dass wir im Schwimmbad trainiert haben", erwidert Lee daraufhin verschwörerisch.

„Wo denn dann?"

„Tut mir leid, aber das ist eine streng vertrauliche Information."

Während Lee einen gespielt unschuldigen Blick aufsetzt, verdrehe ich seufzend meine Augen. Am liebsten würde ich ihn weiterhin darüber ausquetschen, wo er und Rave schwimmen gegangen sind, doch Lees Gesichtsausdruck verrät mir, dass er wie ein Grab schweigen wird.

Na toll. Anscheinend sind die beiden Jungs schon nach dieser kurzen Zeit ein eingeschworenes Team, das sich gegen mich verbündet, geworden.

„Jetzt schau doch nicht so grimmig", macht sich der Blondschopf über mich lustig, als er mir vorsichtig in die Seite piekt. „Das ist nämlich eigentlich mein Job."

Ohne es verhindern zu können, heben sich meine Mundwinkel zu einem zögerlichen Lächeln an. Das ist vermutlich auch der Grund, weshalb Lee euphorisch in die Hände klatscht und beteuert: „Viel besser!" Kurz starrt er noch auf meine Lippen, ehe er hinzufügt: „Aber noch nicht perfekt. Ich kann sehen, dass dein Lächeln nur zum Teil echt ist. Es erreicht nämlich nicht deine Augen."

Es überrascht mich, dass Lee diese Tatsache bemerkt. Normalerweise kann ich jeden Menschen mit meinem aufgesetzten Lächeln täuschen – selbst Rave.

Da mich Lee jedoch durchschaut hat, nutze ich das zu meinem eigenen Vorteil aus. Also säusele ich mit meiner besten Sing-Sang-Stimme: „Perfekt wird mein Lächeln nur, wenn du mir eine Pommes kaufst."

„Okay", stimmt mein Gegenüber sofort zu.

Ein wenig überrumpelt von seiner schnellen Antwort erhebe ich mich von meinem Sitzplatz und verlasse dann mit Lee an meiner Seite die Tribüne. Gemeinsam bahnen wir uns einen Weg zu dem Pommesstand, der auf dem Parkplatz vor der Schwimmhalle aufgebaut wurde, und reihen uns dort in der Warteschlange ein.

Tatsächlich spielt Lee den Gentleman und zahlt trotz Protesten meinerseits die Pommes. „Dafür musst du mir jetzt aber dein echtes Lächeln zeigen", stellt er seine Forderung. Um diesen Prozess zu beschleunigen, zieht er alberne Grimassen, die mich dazu veranlassen, lauthals loszulachen.

Lee ist heute gar nicht wiederzuerkennen.

Während er sich am vergangenen Wochenende noch mit Clint Parker verglichen hat, strahlt er heute beinahe mit der Sonne um die Wette. Diese Gelassenheit und sein freches Grinsen stehen ihm perfekt.

Wenn Sonne und Regen aufeinandertreffenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt