Epilogue

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Ihr alle kennt die wilde Schwermut, die uns bei der Erinnerung an Zeiten des Glückes ergreift.
Wie unwiderruflich sind sie doch dahin, und unbarmherziger sind wir von ihnen getrennt als durch alle Entfernungen.

Auch treten im Nachglanz die Bilder lockender hervor; wir denken an sie wie an den Körper einer toten Geliebten zurück, der tief in der Erde ruht und der uns nun gleich einer Wüstenspiegelung in einer höheren und geistigeren Pracht erschauern lässt.

Und immer wieder tasten wir in unseren durstigen Träumen dem Vergangenen in jeder Einzelheit, in jeder Falte nach. Dann will es uns scheinen, als hätten wir das Maß des Lebens und der Liebe nicht bis zum Rande gefüllt gehabt, doch keine Reue bringt das Versäumte zurück.

O möchte dieses Gefühl uns doch für jeden Augenblick des Glückes eine Lehre sein!
Und süßer noch wird die Erinnerung an unsere Mond und Sonnenjahre, wenn jäher Schrecken sie beendete.

Dann erst begreifen wir, wie sehr es schon ein Glücksfall für uns Menschen ist, wenn wir in unseren kleinen Gemeinschaften dahinleben, unter friedlichen Dach, bei guten Gesprächen und mit liebevollem Gruß am Morgen und zur Nacht.

Ach, stets zu spät erkennen wir, dass damit schon das Füllhorn reich für uns geöffnet war.

[Aus: Auf den Marmorklippen, Ernst Jünger]

*

Ein Jahr später

Heute war unser großer Tag. Xerxes und ich würden tatsächlich heiraten.

Nachdem ich mich Hals über Kopf in ihn verliebt hatte und er mich ebenso Hals über Kopf als Verlobte auserkoren hatte, nachdem er mich entführen ließ, würden wir heute die ewige Liebe feiern.

Unsere ewige Liebe.
Und ich war schrecklich nervös.

Würde er kurz vor knapp noch einen Rückzieher machen? Oder würde der Rückzieher auf meine Karte gehen? Momentan war ich nämlich alles andere als die entspannte Braut. Und meine Mutter machte die Situation nicht unbedingt besser.

Sie nervte mich schon den ganzen Tag mit ihren ach-so-guten Ratschlägen, die aber allesamt nicht viel brachten. Meiner Ansicht nach zumindest.

Allgemein hatten mich meine Eltern (und Anna) seit unserer Verlobung fast durchgehend genervt.

Zwar nicht mit den Ratschlägen, wie man am Besten eine Hochzeit hinter sich brachte, aber mit den Fragen, wann denn nun mal endlich besagte Hochzeit anstünde.

Allein deswegen hatten es Xerxes und ich so lange wie möglich hinausgezögert.

»Ruhe bewahren, Schätzchen. Immer Ruhe bewahren und Kompetenz ausstrahlen.«, riet mir meine Mutter jetzt. Ich sah sie etwas genervt an. Die hatte gut Reden.

»Ach, was du nicht sagst. Wäre ich sonst nicht darauf gekommen.«, murrte ich, während immer noch von allen Seiten an mir herumgebastelt wurde.

Anna hatte sich nicht nehmen lassen, Trauzeugin zu werden, während meine kleine Schwester Louna (die inzwischen ein ganzes Stück gewachsen und schon lange nicht mehr so klein war)  sich mit der Rolle als Blumenmädchen vergnügte.

»So und fertig. Seiner Hoheit dem Prinzen werden die Augen aus dem Kopf fallen, wenn er Sie sieht.«, verschwörerisch blinzelte mir die Dienerin zu. Ich lächelte nur, da meine Nervosität immer schlimmer wurde.

»Oh, du siehst toll aus, Schätzchen!«, rief meine Mutter begeistert. Dann wurde ich vor den Spiegel gestellt und sah mich heute zum ersten Mal selber.

XerxesWhere stories live. Discover now