Chapter 32

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CHLOÉ

Meine Nervosität stieg mit jedem Meter, den wir uns dem Schloss näherten. Unruhig rutschte ich auf dem Sitzpolster der Kutsche herum und erntete seltsame Blicke von meinen Eltern.

Als ich schließlich das Schloss mit der großen Freitreppe erblickte, rutschte mir mein Herz in die Hose. Am Ende der Freitreppe, stand ein ganzes Komitee an Dienern.

In der Menge machte ich Anna aus, die nun komplett das Protokoll vergas und mir freudestrahlend um den Hals fiel, bevor sie mich gleich die Treppe raufzog.

Gleich drei übereifrige Diener nahmen mir meinen Mantel von den Schultern. Dann zog mich Anna weiter ins Schlossinnere.

»Seit Xerxes bei dir war benimmt er sich seltsam. So habe ich ihn noch nie gesehen. Er ist wie die Hülle seiner selbst. Keine Ahnung was zwischen euch vorgefallen ist, er will mir ja nichts sagen, aber ich sehe wie er sich verhält. Bei dir ist es ganz offensichtlich genauso und das gefällt mir ganz und gar nicht.«

Anna zog mich näher zu sich.

»Klärt es bitte. Ihr seid füreinander bestimmt, ganz sicher. Ich habe gesehen, wie Xerxes vor zwei Monaten war. So habe ich ihn in all den Jahren noch nicht erlebt.«

Sprachlos nickte ich, aber mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Am Liebsten hätte ich mich von Anna losgerissen und wäre Hals über Kopf geflohen. Ich war kein Stück auf ein Aufeinandertreffen vorbereitet.

Anna sah mich mit einem sorgenvollen Blick an. Wahrscheinlich konnte man selbst durch die Tonnen von Schminke sehen, dass ich weiß wie eine Kalkwand war.

Bevor Anna mich weiter belehren oder ausfragen konnte, betrat nun auch der Rest das Foyer. Meine Eltern sahen sich staunend und schwer beeindruckt in dem großen Foyer um.

Ich konnte das Staunen durchaus nachvollziehen. Das Foyer war riesig. Ich hatte immer das Foyer in unserem Schloss für riesig gehalten, aber das hier übertraf unseres noch um Längen.

Der Boden war aus blankpoliertem Mamor, in dem man sich wunderbar spiegeln konnte und auch die Wände waren mit Mamor verkleidet.

Von der Decke hingen gleich drei riesige Kronleuchter und eine imposante Treppe mit zwei Aufgängen führte in die oberen Etagen.

»Euer Gepäck wurde bereits in die Zimmer gebracht. Eure Zimmer werden im Westflügel liegen. Ihr geht einfach die Treppe hoch und dann rechts.«, erläuterte Anna uns knapp.

Sie lächelte meinen Eltern zu und vollführte einen Knicks. »Ich wünsche einen angenehmen Abend.«
Meine Eltern nickten zustimmend.

Als sie an mir vorüberging, flüsterte sie mir kurz ins Ohr, »Viel Glück. Und denk immer daran; ihr seid füreinander bestimmt.«

*

Ich sah Xerxes, mitsamt der schwarzen Maske. Er erhob sich in der Sekunde, in der wir den Raum betraten. Sofort begann mein Herz wie wild zu klopfen und verlangte nach meiner Aufmerksamkeit.

Jetzt musste ich mich allerdings erst einmal darauf konzentrieren, möglichst elegant den Saal entlangzulaufen und nicht noch hinzufallen.

Sobald wir die Stühle am anderen Ende des Saals erreicht hatten und die langweiligen Reden begannen, spürte ich seinen durchdringenden Blick auf mir, der augenblicklich ein Feuer in meinem Körper entfachte.

Ich konnte es aber nicht wagen zu ihm zu sehen. Zu hoch war die Gefahr, dass ich in Tränen ausbrach. Mir war ohnehin schon zum Weinen zu Mute.

Meine Gedanken wurden dank eines Champagnerglases unterbrochen. Ein paar Diener hatten meinen Eltern, sowie Xerxes und mir, ein gefülltes Champagnerglas in die Hand gedrückt.

»Auf einen unvergesslichen Abend!«, sagte meine Mutter und prostete mir mit einem Lächeln zu.
Fast hätte ich mich an dem Schluck Champagner verschluckt, den ich gerade in den Mund genommen hatte.

Das letzte Mal war es tatsächlich ein unvergesslicher Abend geworden. Damals hatte ich nicht mehr als die Legenden und einen simplen Kuss.

Die Tränen stiegen in meine Augen, ohne, dass ich es verhindern konnte. Ich schob es großzügig auf den Alkohol.

Meine Eltern interessierte das herzlich wenig, denn sie stürzten sich nun auf die Tanzfläche. Auch Louna stürmte auf die Tanzfläche und so blieben Xerxes und ich alleine.

Doch bevor ich nur die Chance hatte, ein Gespräch anzufangen, war dieser aufgestanden und hatte mit eiligen Schritten den Raum verlassen.

»Alles in Ordnung, Chloé?«, erkundigte sich Anna, die gerade neben mir mit einem Tablett erschienen war. Auf ihrer Stirn hatte sich eine steile Falte gebildet. Zweifelsohne hatte sie Xerxes verschwinden sehen.

Schnell nickte ich. »Ja. Alles in Ordnung.« Zusätzlich setzte ich noch ein schiefes Grinsen, was an Unechtheit kaum zu übertreffen war.

Die Falten auf Annas Stirn vertieften sich.
Sie glaubte mir nicht. War ja klar. Ich kaufte es mir ja nichtmal selber ab.

»Sicher?«, erkundigte sie sich und ich nickte. »Soll ich ihn zurückholen, damit ihr euch aussprechen könnt? Den Trübsal, den ihr zwei blast, kann man kaum noch aushalten. Außerdem seid ihr jetzt verlobt. Ihr seid so oder so für immer zusammengekettet.«

Ich blieb ihr die Antwort schuldig, denn ein Gast verlangte um ihre Aufmerksamkeit. Bevor sie auch verschwand, warf sie mir noch ein entschuldigendes Lächeln zu.

Während sich alle auf der Tanzfläche begnügte, kamen mehrere Männer vorbei, die mich um einen Tanz baten, doch ich lehnte alle ab. Ich war jetzt offiziell verlobt. Und darüber hinaus hatte ich nie großes Interesse an solchen Bällen.

Stattdessen kippte ich mir mein Glas Champagner vollständig den Rachen hinunter und begab mich auf die Suche nach etwas höherprozentigem.

Das Teufelsgemisch, dass mir schließlich gebracht wurde, brannte wie der Teufel (haha, ich sollte die Karriere als Adlige an den Nagel hängen und Komikerin werden) in meinem Hals und es schüttelte mich am ganzen Körper.

Vielleicht sollte ich bei Champagner und Wein bleiben.

*

Nach dem zweiten Glas wurde das Teufelsgemisch schon angenehmer und beim dritten schmeckte es mir sogar.

Gerade als mir ein Diener das fünfte oder sechste auf die Balkonbrüstung stellte - ich war irgendwann nach draußen auf einen Balkon geflohen - trat jemand neben mich.

Angenehme Wärme umfing mich. Ein angenehmer Geruch von Zitrus, Kardamom und Lavendel, zusammen mit Amber nebelte mich ein.*

»Och ne. Bitte nicht.«, murmelte ich. Wozu war ich eigentlich nach draußen geflohen? Ich wollte den Avancen der Männer entgehen und nicht noch zusätzliche bekommen.

»Ich glaube für heute reicht es mit dem Alkohol. Meinst du nicht auch?«
Moment. Die raue Stimme kannte ich doch. Als ich mich in die Richtung drehte, war ich allerdings so erschrocken, dass ich prompt nach hinten kippte.

Warme und starke Arme legten sich fast sofort um meine Taille und hielten mich fest.
»Na na na. Nicht so hastig.«, murmelte Xerxes. Verblüfft sah ich in blaue Augen und in die vertraute schwarze Maske.

»Dürfte ich um diesen Tanz bitten, Prinzessin?«
Etwas perplex stammelte ich ein »S-Sie dürfen.«

Es lag am Alkohol.
Ganz bestimmt.

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*: Gemeint ist hier Penhaligon's Bayolea

XerxesWhere stories live. Discover now