Kapitel 22

31 5 0
                                    

Die Sirenen und Blaulichter waren in der Ferne zu hören und zu sehen. Raven packte mich ich am Handgelenk und zog mich in eine andere Straße. ,,Komm, hier lang!"
,,Wo laufen wir denn überhaupt hin?"
,,Ähm..." Er überlegte kurz. ,,Wenn ich ehrlich bin...keine Ahnung!
Egal, lauf weiter!"
,,Warum tötest du sie nicht einfach?!"
,,Alter!" Er warf mir einen kurzen Seitenblick zu. ,,Aus dir wird ja scheinbar doch noch ein Psycho!", fügte er belustigt hinzu. ,,Ha-ha, sehr witzig, Raven." Plötzlich zischte eine Kugel dicht an uns vorbei. ,,Shit!", rief Raven.
,,Die schießen auf uns!"
,Ach nee!"
,,Ich hätte gleich auf dich hören sollen!'', rief Raven, und mit diesen Worten schickte er den Polizisten loderndes Feuer entgegen.
Ich hörte die Schmerzensschreie, als es ihnen das Fleisch von den Knochen brannte. Plötzlich erklang ein weiterer Schuss. Raven bekam die Kugel voll in den Bauch und er sackte in sich zusammen. ,,Raven!" Ich sprintete zu ihm hinüber und kniete mich neben ihn. Wir mussten hier verschwinden, also packte ich ihn unter den Armen und schleifte ihn weg. Ich warf mich mit voller Wucht gegen eine der Haustüren und brach sie auf. Wenn ich eh schon als Kriminell galt,
war das jetzt auch nicht mehr von Bedeutung.
Ich zog Raven ins Haus und schloss die Tür hinter mir. Vorsichtig legte ich ihn auf den Boden und kniete mich neben ihn. Aus der Schusswunde quoll dunkelrotes Blut, worauf ich schnell beide Hände darauf drückte, um die Blutung zu stoppen. Es spritzte zwischen meinen Fingern hervor, worauf Raven vor Schmerz keuchte. Vorsichtig drehte ich ihn auf die Seite und schob sein Shirt ein Stück hoch. An seinem Rücken gab es keine Austrittswunde. Ich drehte ihn langsam wieder zurück, nahm seine Hände und legte sie auf die Wunde. ,,Drück fest drauf. Ich hol ein Handtuch!" Er nickte schwach, und ich rannte los. Nach kurzer Zeit fand ich das Badezimmer. Ich schnappte mir ein Handtuch und lief zurück. Raven lag immer noch am Boden und drückte sich krampfhaft die Hände auf den Bauch. Ich kniete mich wieder neben ihn, nahm seine Handgelenke und nahm sie zur Seite, um dann schnell das Handtuch zu nehmen und es fest auf die Schussverletzung zu drücken. Raven zuckte zusammen und verkrampfte. ,,Die Kugel...ist noch drin, nicht wahr?", murmelte er und versuchte seine Atmung zu beruhigen.
,,Ja, ist sie", antwortete ich etwas panisch, da ich ein wenig überfordert mit der ganzen Sache war. ,,Du musst sie e-entfernen, Liam."
,,Wie soll ich das bitte machen?
Ich hab keine Ahnung wo die Kugel ist! Ich kann ja nicht einfach blind in dir herumstochern und hoffen, dass ich's nicht noch schlimmer mache!", rief ich und drückte fester drauf.
Über Ravens Gesicht huschte ein gequältes Lächeln. ,,Ich fürchte, du hast keine andere Wahl, Li."
,,Aber was wenn ich dich töte, ich..."
,,Hey..." Raven legte plötzlich seine Hand an meine Wange und sah mir tief in die Augen. ,,Ganz ruhig. Ich weiß, dass du es kannst."
Ich zögerte kurz.
,,Na schön, ich versuch's..."
,,Danke, Li." Ich nickte, stand erneut auf und lief zur Küche, die ich schon beim reinkommen gesehen hatte. Ich riss die Schubladen auf. Ich fand eine lange Zange, die vorne dünn und spitz war und ein Feuerzeug. Ich sprintete zurück und hielt die Flamme gegen das Metall. Mit zitternden Händen schob ich sein Shirt hoch. ,,Okay, das wird jetzt höllisch wehtun, also versuch dich möglichst nicht zu bewegen."
,,Ich werd's versuchen..", murmelte er. Das Adrenalin jagte durch meine Venen. Ich legte Raven eine Hand auf die Brust um ihn etwas festzuhalten und mich außerdem vergewissern zu können, dass sein Herz noch schlug.
Er schloss die Augen, und ich merkte unter meinen Fingern, wie sich sein Herzschlag, rasant beschleunigte. ,,Gut, atme tief ein und wenn ich es sage, wieder aus. Bereit?"
,,Ja, jetzt tu's einfach."
,,Gut. Tief einatmen. Und...ausatmen.." Als er ausatmete, schob ich die Zange durch die Wunde, ins Gewebe.
Er keuchte und wand sich unter meinem Griff. Seine Schmerzenslaute waren grausam.
,,Nicht bewegen." Seine Finger gruben sich in das blutige Handtuch. Raven versuchte sich zu befreien und sein ganzer Körper bebte. ,,Lass mich los", keuchte er. Ich übte mit meiner anderen Hand mehr Druck auf seinen Brustkorb aus, damit er sich nicht losstrampeln konnte. ,,Nein, nicht! Ich weiß, es tut höllisch weh, aber du schaffst das." Ich konnte sehen, dass er gegen den Drang ankämpfte, einfach aufzuspringen.
,,Versuch tief und ruhig zu atmen." Ravens Körper verkrampfte sich.
,,Okay, nein, hör auf!" Er versuchte sich aufzusetzen. ,,Verdammt, tut das weh!" Ich drückte ihn zurück auf den Boden. ,,Herr Gott, bleib liegen! Wenn ich das jetzt nicht mache, stirbst du!"
,,Komm schon, Li, wir...finden sicher eine a-andere Lösung!", meinte er keuchend, streckte die Hand aus und packte mich am T-shirt. Ich spürte, wie sein Herz raste.
,,Hey, Raven?!" Plötzlich schlossen sich seine Augen, sein Griff lockerte sich und seine Hand fiel wieder zu Boden. Er war noch am Leben, da sein Herz noch schlug und er angefangen hatte, ruhiger zu atmen. Er musste das Bewusstsein verloren haben. Wahrscheinlich war's so besser, da er jetzt die Schmerzen nicht mehr spüren konnte.

Besessen Where stories live. Discover now