Winterreise - Kapitel 21

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Kalani war eine gute Jägerin. Sie hatte nicht nur ihre Speere selbst hergestellt, sondern auch die Felle für ihre Kleidung selbst gegerbt, genau wie das Leder für ihre Rundhütte. Mehr brauchte sie auf ihrer großen Reise nicht. Was ihr Sorgen machte, waren die vier Löwenmännchen in der Mammutsteppe. 

Vor denen war niemand sicher. Doch ganz allein hätte sie Angst das Revier der Höhlenlöwen zu durchqueren. Denn es gab ja nicht nur die vier Männchen. Da waren ja auch noch ganz viele Weibchen und die waren nicht weniger gefährlich. Zudem gab es Leoparden, Säbelzahnkatzen und Hyänen. Alle konnten es auf sie abgesehen haben. Vor allem wenn sie schlief, war sie vollkommen wehrlos. 

Zusammen mit Brabi und den beiden Männern war das etwas ganz anderes. Mit ihnen brauchte sie keine Angst haben. Das waren erfahrene Reisende, die schon viele Gefahren bewältigt hatten. Seit Sonnenaufgang stand sie vor der Höhle. Ihre Mutter hatte ihr ein großes Fleischpaket mit gegeben und jede Menge guter Wünsche und Ratschläge. Sie hatten zusammen geweint und sich umarmt. 

Auch von ihrem Vater, ihrem jüngeren Bruder und allen anderen die ihr am Herzen lagen, hatte sie sich verabschiedet. Nur ihre jüngere Freundin hatte sie noch nicht gesehen. Sie vermutete, dass sie enttäuscht war, weil sie nun doch nicht mit ihr auf die Reise ging. Aber darauf konnte sie keine Rücksicht nehmen. Sie musste jetzt mit Brabi, Gagun und Ylippi gehen. 

Doch die ließen sie warten. Erst nach dem sie ordentlich gegessen hatten, machten sie sich bereit. Die ganze Sippe kam um sich von ihnen zu verabschieden. Alle umarmten sich und jeder wünschte ihnen eine gute Reise. Urpan hoffte auf ein Wiedersehen und schlug Ylippi mit seiner Pranke auf die Schulter. Endlich nahmen sie ihr Gepäck und ihre Waffen auf, machten sich auf den Weg und waren schon bald in der Weite der Mammutsteppe verschwunden.

Alle hofften noch vor dem Einbruch des Winters bei den Schneegänsen zu sein. Dort konnten sie überwintern und Kalani fand dort vielleicht einen Mann. Wenn sich keiner fand, der sie auf sein Fell einlud, dann wollte sie im Frühling mit den drei Reisenden weiter bis zu den Kranichen oder den Rentieren. 

Sollte sie dort noch immer keinen Mann finden, dann musste sie weiter bis zu den Moschusochsen. Ylippi hatte ihr den Weg dort hin genau beschrieben falls sie sich trennten und sie doch einmal allein reisen musste. Sie war bereit für das größte Abenteuer ihres Lebens und ging vorn, zusammen mit Gagun. Brabi hatte sich mit Ylippi ein wenig zurück fallen lassen. Vermutlich hatten die beiden etwas zu besprechen. Da wollte sie nicht stören.

"Wie hast du das gemeint, als du sagtest, ich würde bei den Wölfen deine Frau sein? Willst du nicht mehr mit Gagun zusammen sein?"

Ylippi warf seinen Pferdeschwanz in den Nacken und lachte laut.

"Gagun hat mir noch in der Nacht die gleiche Frage gestellt. Er ist die Liebe meines Lebens. Ich würde ihn niemals aufgeben. Aber ich finde auch dich sehr anziehend. Ich hoffe du verstehst mich richtig, es ist nicht so, dass ich mit dir das Fell teilen möchte. Ich will dir keine Kinder schenken. Trotzdem sollst du nicht ohne Kinder sein. Ich würde mich sehr freuen wenn ich deinen Kindern ein Vater sein könnte."

"Ylippi, was redest du nur? Geht es dir gut? Hast du wieder von deinen Zauberpilzen gegessen?"

Er blieb stehen und hielt sie am Arm fest.

"Ich habe dir doch schon oft von Balu erzählt."

Sie nickte und er ließ sie wieder los.

"Bei seinem Volk ist alles umgekehrt. Alles was bei uns richtig ist, ist dort falsch. Wenn dort ein Reisender in eine Höhle kommt, dann fragt man ihn nicht ob er sich von den Frauen fern halten wird. Dort gibt man dem Reisenden ein Mädchen für die Nacht. Sie teilt mit ihm das Fell und wenn sie schwanger wird, dann steigt ihr Wert. Ihre ganze Familie freut sich darüber und sie wird nicht verprügelt. Selbst wenn sie ein Mädchen bekommt, ist das kein Makel für sie. Eine Frau mit einem Kind ist bei seinem Volk mehr Wert als eine Frau ohne Kind."

Die Höhle der WölfeWhere stories live. Discover now