A.

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Dinge, die sich bis zu meinem achtzehnten Geburtstag erfüllt haben sollten.

Die hässliche Brille nicht mehr zubrauchen

Lange Haare zu bekommen

Im Generellen hübscher zu werden

Aufmerksamkeit zu bekommen

Ein Kompliment von einem Jungen zu erhalten

Meinen ersten Kuss

Meinen ersten Freund

Ins Neue Jahr geküsst zu werden

Ich blickte den vergilbten Zettel mir rosanen Stickern an und lachte. Nicht weil es urkomisch ist, was ich vor drei Jahren im Alter von vierzehn Jahren geschrieben habe, sondern weil sich nichts davon erfüllt hat, außer, dass meine Haare jetzt Hüftlang waren, worauf ich total Stolz war. Also konnte ich Punkt 2 streichen. Doch ich schrieb noch etwas anderes auf den Zettel, einfach weil ein weiterer Wunsch in mir aufkam, als ich nachdachte. Ich krabbelte zu meinem fast leergeräumten Schreibtisch und schnappte mir einen Stift aus meinem Etui und schrieb in Rot den letzten Wunsch auf.

Meine Angst zu überwinden

Den Zettel wollte ich eh wegschmeißen, da er für mich belanglos war und mich nur immer wieder an meine Unfähigkeit erinnerte, wie schlecht ich doch im gesamten Leben war. Vor vier Monaten war ich Siebzehn geworden und bekam von meiner Mutter das beste Geschenk auf Erden. Ich durfte nach Seoul und dort eine High School besuchen, ein neues Leben anfangen. Vielleicht konnte man es als verschwinden ansehen und mich einen Feigling nennen. Aber wie schön mein Großvater immer zusagen pflegte 'Niemand wird als ein Feigling geboren, man wird dazu gemacht. Aber natürlich spielt auch der Kopf eine große Sache, aber wer versteht das schon?' Doch nun war ich glücklich, dass ich heute Nacht den Flieger nach Seoul nehmen und einfach alles hinter mir lassen konnte.

Kurzerhand packte ich noch meine letzte Hose in den Koffer und verschloss diesen, indem ich mich draufsetzte und das Schloss einrasten ließ. Also nahm ich meine Jacke, mein Handy vom Fußboden und griff meinen Koffer und verließ, ohne noch einmal zurück zublicken, mein Zimmer, mein Elternhaus, einfach das gesamte Land. Und als ich im Flieger saß und spürte wie er abhob, konnte ich mir ein leichtes Quietschen nicht verkneifen. Zu sehr freute ich mich, doch ich spürte nicht, wie mein Lachen plötzlich in eine Art Psychogackern umschlug, bis mich eine Stewardess fragte, ob ich Beruhigungspillen bräuchte. Beschämt rutschte ich in den Sitz.

Nur knapp einen halben Tag später war ich in meinem Heimatland Korea gelandet und wartete angepisst auf meinen Koffer, der nicht kommen wollte. Frustriert raufte ich mir meine Haare und pustete eine Strähne aus dem Gesicht, welche wieder zurück fiel. Nach endlich einer Viertelstunde kam der Koffer und ich schnappte ihn mir vom Band.

Ich wusste nur, dass mich wer aus meiner WG abholen sollte, aber wie diese Person aussah konnte ich nicht sagen. Also lief ich planlos durch die Tür und ich wurde mit Menschen bombardiert, die Schilder mit verschiedenen Namen in die Höhe hielten und durch die komplette Menge schrien. Ich las jedes Schild durch, was ich zu sehen bekam und suchte verzweifelnd meinen Namen darauf. Ein Glück fand ich es auch außerhalb der Menschenmenge, drei Personen saßen auf einer Bank und ein Bernhardiner hielt in seinem Fang ein Schild mit der Aufschrift 'WG - Bewohnerin Choi Enya.' Zögernd ging ich auf die Truppe los und blieb ein paar Meter vor ihnen stehen. Das Mädchen unter ihnen blickte von ihrem Handy auf und lächelte mich freundlich an, als sie einen Schritt auf mich zukam.

"Du bist sicherlich Enya, oder? Freut mich, ich bin Emma.", sie hielt mir ihre Hand hin. Erschreckt blickte ich die Hand an und nahm sie zögernd an, obwohl mein ganzer Körper sich davor zurückziehen wollte. Ich wollte sie nicht anfassen. Ich mochte keinen Körperkontakt, er war mir suspekt und ich konnte es schwer ertragen, wenn mich jemand anfasste. Doch da ich einen guten Eindruck machen wollte, schüttelte ich ihre Hand vorsichtig und sie deutete auf die zwei gackernden Jungs, die auf ein Handy glotzten.
"Das sind Jeon Jungkook und Park Jimin, zwei von vier Jungs aus unserer WG. Ich bin überglücklich nicht mehr das einzige Mädchen zu sein. Es ist so schrecklich, den Jungs immer alles hinterher zu räumen und deren Putze zu spielen." Emma verdrehte die Augen und drehte sich zu den Jungs um.
"YAH! Wie unfreundlich seid ihr eigentlich! Jetzt kommt und nehmt Enyas Sachen, ihr habt keinen Anstand. Dumbledore komm mit." Der Bernhardiner stand langsam auf und setzte sich in Bewegung. Irgendeiner der Jungs, entweder war es Jimin oder Jungkook, nahm mir mein Gepäck aus der Hand und ging zu seinem Kumpel, dort angekommen tratschten sie weiter und gaben uns keine Beachtung.
"Sag mal und du kommst aus Deutschland?", fragte Emma neugierig, als wir uns ins Auto setzten und der Taxifahrer den Motor startete. Ich nickte verlegen, und versuchte Abstand zwischen ihr zu gewinnen. Sie rückte mir verdammt nah auf die Pelle, da wir uns zu dritt auf die Rückbank quetschten.
"Ja und du? Du hast nämlich, so wie ich, einen westlichen Touch."
"Mein Vater war Amerikaner, er bestand auch auf einen nicht-asiatischen Namen. Deswegen Emma.". sie lachte und strich sich ihr braun- schwarzes Haar aus der Stirn. Ich dagegen nickte nur und blickte dann still aus dem Fenster, während die Jungs sich immer noch lautstark unterhielten.

Die Maske | JiminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt