97| Die letzte Seite

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,,Hey hey hey! Pshht! ganz ruhig", unterbrach ich sie, bevor sie sich noch weiter in diese Horrorgeschichten hineinsteigerte. Ich legte meine Hand zur Beruhigung auf ihrem Arm ab und fing an ihn zu streicheln. ,,Enes bitte sag mir, dass er es nicht war" Ihre ängstlichen Worte und ihre zittrige Stimme stachen mir scharf in die Ohren. All das aufgestaute Trauma, dass dieser kranke Mensch in ihrem Leben angerichtet hatte, als hätte sie nicht sowieso schon viel zu viel Leid auf ihren schmalen, so zierlichen Schultern zu tragen, kam wieder hoch... Obwohl sie genau wusste, dass ich dafür gesorgt hatte, dass er sich ihr nie wieder nähern würde, überkam sie trotzdem wieder diese Angst, die anscheinend noch tiefer saß und noch unberechenbarer war, als ich dachte. ,,Das war er nicht. Versprochen", sprach ich ihr sanft zu. Fast hilflos sah ich ihr in ihre runden, mit Sorge gefüllten Augen, die nur wenige Zentimeter von mir entfernt waren. ,,Woher weißt du das?" Ihre Angst stieg erneut. Sie stand den Tränen genauso nahe, wie ich ihrem Gesicht. Meine Fingerkuppen fuhren sanft über ihre Wange und strichen ihr das Haar hinters Ohr. ,,Du musst dir keine Sorgen machen. Es war ursprünglich gar nicht für dich gedacht. Jemand wollte Leyla etwas untermischen. Du hast die Gläser vertauscht und aus Versehen aus ihrem getrunken." Erleichtert atmete sie ihre Sorgen wieder aus. ,,Außerdem weißt du, dass ich dafür gesorgt habe, dass er für dich nie wieder eine Bedrohung darstellen wird.", versicherte ich ihr. Meine Hand lag noch immer auf ihrer Wange. Ganz langsam streichelte mein Daumen ihre warme Haut. ,,Danke", flüsterte sie schüchtern und konnte mich dabei kaum ansehen. ,,Ehm.. Wo ist eigentlich mein Handy?" Typisch, wie sie versuchte das Thema zu wechseln und den Blickkontakt zu brechen. ,,Das war mein Nippel", lachte ich auf, als sie unter der Decke nach ihrem Handy tappste und dabei nichts anderes fand, als mich. ,,Warum musst du auch eigentlich immer ohne Shirt schlafen?" Meckernd schlug sie mir gegen die Brust, als hätte ich nicht bemerkt, wie verunsichert sie wurde. ,,Warum musst du immer ohne Hose schlafen?", gab ich belustigt von mir und erntete einen irritierten Blick. Schief und Krumm verzog sie die Brauen in ihrem Gesicht, bis sie auf die Idee kam die Decke anzuheben und bemerkte, dass sie nur eines meiner Hemden trug. Mit geweiteten Augen war sie bereit erneut panisch aufzukreichen, bevor ich ihr lachend meine Hand über den Mund hielt. ,,Kannst du mal aufhören zu schreien? Alle anderen Menschen im Hotel schlafen wahrscheinlich noch", lachte ich. ,,Kannst du mir mal erklären, wieso ich .." Überfordert mit dem, was sie auszudrücken versuchte, blickte sie bloß verwirrt an sich herunter. ,,Erinnerst du dich wirklich an gar nichts?", wollte ich noch einmal sicher gehen. Skeptisch sah sie mich an ,,Nicht wirklich...Nur an einige unscharfe Bilder.."

,,Wow.. Das trifft mich echt hart. Für gewöhnlich erinnern sich Mädchen für immer an solche heißen Nächte mit mir.. und unscharf hat das bisher noch niemand genannt" Belustigt nutze ich ihre Verwirrung aus, um sie ein wenig aufzuziehen. Sie bewegte sich kein Stück von meiner Seite. Noch immer teilten wir uns ein Kissen und lagen direkt nebeneinander. Ganz so unangenehm kann ihr die Situation wohl doch nicht sein.

,,Wovon redest du?", fragte sie verängstigt. Fies grinste ich ihr ins Gesicht und hob mein Kinn etwas an, um ihr stolz ihre Kunstwerke zu präsentieren, die sie an meinem Hals hinterlassen hatte. Leider brachte dies letztendlich den Knoten zum Platzen. Sie richtete sich panisch auf und saß nun aufrecht. ,,Du willst mich verarschen, oder?" Ihr Mund blieb weit offen, als ich verneinend den Kopf schüttelte. ,,Was hast du gemacht du Penner?!", meckerte sie mich aufgebracht an und warf mir ein Kissen ins lachende Gesicht. ,,Ich?", noch immer amüsiert von der Situation ,,Du bist über mich hergefallen wie eine Oktopus! Hätte ich dich nicht zwei mal von meinem Schoß gestoßen, hätten wir heute eine Plan B kaufen müssen" Laut prustete ich auf, als ich über meinen eigenen Witz lachen musste. Entsetzt sah sie mich an und warf diesmal noch viel doller das andere Kissen auf mich. ,,Ich mache Spaß Popel!", bekam ich gerade noch so raus.

Als ich das Kissen aus meinem Gesicht nahm, sah ich, wie sie sich die Decke über den Kopf gezogen hatte.
Schmunzelnd schüttelte ich meinen und leistete ihr unter der Decke Gesellschaft. ,,Geh weg!", fauchte sie mich an und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen.
Es erinnerte mich an damals, so wie wir hier mit der Decke über unseren Köpfen saßen.. als man noch ein Kind war und sich Höhlen aus Decken und Kissen gebaut hatte.
,,Das ist so peinlich!", nuschelte sie durch ihre Hände. Ich griff nach ihnen und zog sie mir etwas näher an mich ran. ,,Hey, dir muss es nicht peinlich sein. Bin doch nur ich. Außerdem konntest du nichts dafür, du warst total benebelt und hast so wirres Zeug geredet, da war mir sofort klar, dass du keine Ahnung von dem hast was du tust. Deswegen hab ich es auch zu nichts kommen lassen und die Situationen unterbunden. Du brauchst dir keine Sorgen machen... Naja und da du einmal kurz davor warst dich komplett zu entblößen und darauf bestanden hast, dass ich neben dir schlafe, habe ich dir eben das Hemd über gezogen"
Leise sprach ich zu ihr, da ich unter der Decke das Gefühl hatte flüstern zu müssen, als würden wir uns hier vor unseren Eltern verstecken, die nicht mitbekommen durften, dass wir spät abends noch mit unserem Nintendo DS am spielen waren. Diese Deckenhöhle erweckte in mir echt tief vergrabene Erinnerungen. So dunkel es hier auch war, konnte ich genug sehen, um zu erkennen, wie intensiv sie mich ansah. Ihre Zunge fuhr ihr einige Male über die Lippe und hinterließ einen leichten Schimmer, der immer wieder meine Aufmerksamkeit raubte.

Ego vs. EgoWhere stories live. Discover now