Kapitel 18

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Früh am nächsten Morgen brachen Geena und Marko auf.
Geena ging mit Nanuk, während Marko ein paar einfache Zügel und eine lange Longe besorgte.
Sie wollten sich später bei Baron wieder treffen, um den nächsten Schritt in ihrem Plan anzufangen.
Führen und Longieren.
Die Zügel waren für später.
Schließlich wussten beide nicht, wie weit Baron an Gewicht auf seinem Rücken gewöhnt war.
Dass er einmal ein Springpferd gewesen war, konnten sie ja nicht wissen.

Marko wartete bereits am Koppelzaun, als Geena mit Nanuk angeschlendert kam.
Sie tauschten Leine gegen Apfel und Longe.
Geena pfiff eine kurze Melodie und sofort schnellte Barons Kopf in die Höhe.
Er schaute zu ihr hinüber und kam angetrottet.
„Feiner Junge bist du”, säuselte sie und hielt ihm den Apfel hin.
Der Lipizzaner zerbiss ihn in der Mitte und ließ die andere Hälfte wieder zurück in Geenas Hand fallen.
Er schämte aus dem Maul vor Apfelsaft.
Sie schlüpfte zu ihm auf die Weide, das Halfter in der Hand.
Er senkte den Kopf zu ihr hinunter und schnupperte.
Behutsam streifte Geena Baron das Halfter über das Maul und zog es über die Ohren.
Er ließ es erstaunlich gut zu, riss nicht einmal den Kopf hoch.
Sie hakte den Karabiner der Longe ein und strich ihm über den Hals.
Sie war sehr froh, dass er schon ein kleines Bisschen zugenommen hatte mit dem kräftigen Heu.
Stück für Stück ließ sie ihm die Longe länger, um ihm keinen Druck zu geben, ihr zu folgen.
Er trottete gemächlich hinter ihr her.
Geena führte ihn so an der langen Longe ein paar Runden um die ganze Weide.
Als sie sich sicher war, rief sie zu Marko hinüber: „Mach mal bitte das Tor auf.”
Quietschend löste Marko den Riegel und ließ das Gatter aufspringen.
Barons Ohren zuckten.
Seine Nüstern weiteten sich.
Er hob den Kopf.
Geena führte ihn in Richtung Tor.
Es blieb nicht unbemerkt, dass Barons Schritt immer zackiger wurde.
Dennoch ließ sie ihm weiterhin Freiraum.

Er war überglücklich.
Endlich durfte er weg von diesem abgegrasten Stück Weide.
Raus in die Welt!
Es irritierte ihn etwas, dass das Mädchen, das da an dem langen Strick hing, ihn nicht kurz nahm oder am Halfter packte, wie alle Leute es früher getan hatten.
War das nicht seine Chance?

Geena legte Baron erneut eine Hand auf den Hals, um ihn etwas zu beruhigen.
Zum Test blieb sie einfach im Tor stehen.
Was würde er machen?
Sie hinter sich her schleifen?
Zuerst drehte er nur die Ohren, lief aber dennoch weiter.
Als er bemerkte, dass sie nicht mehr neben ihm her lief, drehte er den Kopf herum und blieb tatsächlich stehen.
Sofort belohnte sie ihn mit einem getrockneten Brotstück aus der Jackentasche.

Nun war er maximal verwirrt.
Er war belohnt worden fürs Anhalten?
Früher hatte er fürs Stehenbleiben höchstens einen Hieb mit der Gerte bekommen.
Diese Variante, die mit dem Belohnen, gefiel ihm deutlich besser.
Vielleicht sollte er dem Mädchen doch nicht weh tun oder es austricksen.
Diese Geena schien doch ganz okay zu sein.
Er würde sie nicht mehr enttäuschen!

Geena ließ Baron eine Weile im langen Gras grasen, bevor sie versuchte ein bisschen mit ihm zu arbeiten.
Dazu brachte sie ihn zurück auf die Weide, verschlossen das Gatter und ließ die Longe immer länger.
Baron verstand nicht, was sie von ihm wollte.
Vielleicht war er wirklich noch nie longiert worden...
Geena schluckte schwer gegen den Kloß in ihrem Hals an.
Sie wusste doch immer noch nicht ob der große Weiße einen Besitzer hatte, der ihn eines Tages wieder zu sich zurück in den vermodderten alten Paddock sperren wollte.
Sie wollte ihm so gern ein neues richtiges Zuhause geben.
„Marko, wie lange hat der Besitzer Zeit, um ihn zu sich zurück zu holen?”, rief sie.
Marko zog die Stirn zusammen und tat als würde er nachdenken.
Dabei wusste er die Antwort natürlich sofort.
Sie würde Geena allerdings nicht erfreuen.
Der ursprüngliche Halter hat sechs Monate die Gelegenheit, sich beim Finder zu melden und das Fundtier zurückzufordern.
Meldet der Halter sich und überlässt dem Finder das Tier, geht es sofort dann in den Besitz des Finders über.
Marko beschloss den Halter ausfindig zu machen und hoffte, dass dieser den Hengst nicht zurückverlangte.
„Geena...ich...ich möchte...”, stammelte Marko, ohne einen richtigen Satz heraus zu bringen.
Geena legte fragend den Kopf schief.
Baron kam zu ihr zurück und schnaubte ihr sanft ins Ohr.
Marko konnte dieses wunderschöne Bild nicht zerstören.
Er brachte es nicht übers Herz.
„Ich werde alles dafür tun, dass du ihn behalten kannst”, versprach er.

Marvelous Future - Ich passe auf dich aufWhere stories live. Discover now