Kapitel 9

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Knapp fünfzig Minuten später stand der Hengst müde und mit hängenden Augenlidern neben Marko.
Das eine Bein ruhte.
Geena wagte sich Schritt für Schritt näher an ihn heran.
Sie beobachtete jedes Zucken der Ohren oder der Muskeln.
Sie wusste nicht wie weit sie dem Lipizzaner nun trauen konnte.
Es schien zwar äußerlich keine Gefahr von ihm auszugehen, doch wenn sie nah bei ihm stehen würde, könnte er plötzlich nach ihr beißen und ihr eine große Wunde hinterlassen.
Marko lockere langsam und vorsichtig das Lasso am Bein des Hengste, streifte es dennoch aber nicht ganz ab.
So konnte er im Notfall das Pferd erneut zu Fall bringen.
Er bedeutete Geena das Halfter zu holen.
Seine Bewegungen waren ruhig und liebevoll.
Er wollte dem Hengst das Gefühl geben, geborgen zu sein und beschützt zu werden.
Geena ging mit dem Halfter in der Hand auf den großen Weißen zu.
Ihre Hände zitterten.
Sie war überglücklich so nah an dem Hengst zu sein, fühlte sich aber schlecht, dass er dafür betäubt werden musste.
Sie wollte Marko das Halfter geben, doch der schüttelteden Kopf und lächelte nur.
Geena atmete tief durch und legte vorsichtig eine Hand auf den mageren Hals des Lipizzaners.
Er zuckte kurz, hob allerdings den Kopf nicht an.
Also ging sie ein kleines Bisschen in die Hocke und streifte das Halfter ganz behutsam über sein Maul und über die Nase.
Dann legte sie eins der Ohren nach hinten und streifte das Nackenstück darüber.
Ihre Bewegungen waren vorsichtig und zögernd, aber sie bemühte sich die größte Liebe auszusenden, die sie besaß.
Als das gelbe Halfter perfekt saß, drückte sie dem Hengst ganz zärtlich einen kleinen Kuss auf die Ganasche.
„Okay, wir müssen jetzt mal schauen, wie weit er laufen kann. Wir sind nicht so ganz weit von der Wiese weg die ich reserviert habe, wenn wir einen Weg durch den Wald nehmen, sind wir in ein paar Minuten da. Einen Anhänger bekommen wir wohl kaum. Den anderen muss ich auch bezahlen.”
Marko wirkte nachdenklich.
Auch Geena war sich nicht sicher, ob das Pferd wirklich lange laufen konnte.
Sie zog ganz leicht am Strick und sofort schossen die Augenlider des Lipizzaners in die Höhe.
Vielleicht hatte er noch nie dne Zug im Genick und an der Nase gespürt.
Geena ließ den Strick locker hängen und legte vorsichtig ihre Hand an seine Schulter.
Er starrte sie mit weit aufgerissenen Augen und geblähten Nüstern an.
„Immerhin springt er dich nicht an, das ist doch schonmal gut”, sagte Marko.
Geena war sich da nicht so sicher.
Denn er war nur so ruhig, weil er unter Betäubung stand.
Sonst hätte er sie angegriffen.
Er vertraute ihr auch längst noch nicht.
Er hatte keine Kraft sie zu attackieren.
Geena schluckte ihren kurzen Frust herunter und zog vorsichtig erneut am Strick.
Zögernd ging der Hengst ein paar Schritte mit ihr.
Sie wollte ihm den Hals klopfen, doch er schrak vor ihrer Flächen Hand zurück.
„Hey, alles gut mein Süßer”, säuselte sie und hielt ihm die lockere Hand unters Maul.
Zum Glück zwickte oder biss er nicht nach ihr.

Sie kamen mühsam und langsam voran.
Der Hengst stand noch derart unter Betäubung, dass er mehrmals strauchelte und fast fiel.
Dennoch kamen die drei unbeschadet und sicher an der großen Weide an, die Marko reserviert hatte.
Die Sonne zeigte sich wieder und schien warm herab.
Geena öffnete das Tor und führte das Pferd langsam hindurch.
Dann löste sie sanft das Halfter und streifte es ab.
Das Pferd sah sie fragend an.
Es wusste scheinbar nicht genau, was es mit dem riesigen Grasstück anfangen sollte.
Vielleicht hätte es noch nie eine so große Fläche für sich alleine gehabt.
Dann wandte der Lipizzaner sich von ihr ab und senkte den Hals.
Mit vorsichtigen kurzen Bissen zupfte er ein bisschen Gras, so als könne er sein Glück noch kaum fassen.
Geena verließ die Weide und lehnte sich zu Marko über den Zaun.
„Na, schon ne Namensidee?”, fragte er und grinste.
„Ja.”
Geena grinste ebenfalls.
„Aber den verrate ich dir noch nicht.”

Marvelous Future - Ich passe auf dich aufWhere stories live. Discover now