Kapitel 16

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Geena blieb völlig regungslos stehen, um den Lipizzaner nicht zu erschrecken.
Er hob seine Oberlippe an und betastete unglaublich vorsichtig ihr Gesicht.
Sie war unendlich glücklich und zufrieden und drehte sich langsam zu ihm um.

Er hätte keine bessere Entscheidung treffen können.
Er hatte auf sein Bauchgefühl gehört,was scheinbar mehr als richtig war.
Die Entscheidung, dem Mädchen, was der Mann Geena genannt hatte, zu vertrauen, war gut.
Das spürte er.
Geena war nicht wie die andere  grausamen Personen, die Baron bisher in seinem vierzehn jährigen Leben kennengelernt hatte.
Sie war voller Liebreiz und er hoffte sehr, dass die Sache mit dem lauten grässlichen Ton nur ein Versehen gewesen war.
Vielleicht könnte wirklich alles anders werden...
Vielleicht...

Marko stand mit offenem Mund da.
Das hatte er definitiv nicht erwartet.
Eine derartige Geste der Zuwendung hätte er dem Hengst niemals zugetraut.
Doch Geena hatte es geschafft!
Sie begegnete seinem Blick und lächelte.
Nein.
Sie lächelte nicht.
Sie strahlte.
Sie strich Baron zärtlich über den leicht schwitzigen Hals.
Er schnaubte behaglich.
Marko zog mechanisch sein Handy aus der Hosentasche und knipsge ein Foto.
Und noch eins.
Und noch einige weitere.
Geena posierte scherzhaft und auch Baron schaute in die Kamera, jedoch zufällig.
Marko schaute auf seine Uhr und schnappte nach Luft.
So spät schon!
Es tat ihm leid, Geena von dem Hengst wegreißen zu müssen.
Er versprach sich selber, morgen wieder mit ihr herzukommen.
Sicherlich würde das auch in ihrem Sinne sein.
Morgen würden sie mit Baron das Auftrensen und Führen üben.
Sonst würde die Verbindung zwischen ihnen sicherlich wieder kaputt gehen, wenn Geena ihn mehrere Tage auf der Weide stehen ließ.

Wie erwartet konnte Geena sich sehr schwer von ihrem neuen Freund trennen.
Doch es musste sein.
Susan wartete.
Marko nahm Nanuk wieder ab die Leine und sie machten sich auf den Heimweg.
Nanuk hatte seine Energie in der Zeit, wo er bei Marko hatte warten müssen, nicht rauslassen können.
Er sprang und zerrte an der Leine, lief im Marko herum und brachte ihn mit der Leine fast zu Fall.
Marko hielt die Leine kurz.
Er hatte keine Lust auf diese kindlichen Spiele des Hundes.
Eine längere Runde konnten sie nicht drehen, denn Susan hatte bereits zwei Mal angerufen, da sie das Mittagessen zubereitet hatte.
Geena nahm Marko die Leine ab und rannte mit Nanuk ein paar Male den Bürgersteig auf und ab, doch dem Hund reichte das längst nicht.
Er bellte fröhlich und sprang um Geena herum.
Ratlos schloss Marko seine Haustür auf und ließ Geena und Nanuk herein.
Sie löste die Leine vom Halsband und sofort spurtete der Hund los in die Küche.
Schon ertönte ein Scheppern und Klirren und Susan schrie Nanuk an.
Geena biss sich auf die Unterlippe.
Verdammt!
Sie schob sich langsam in die Küche und schlug die Hände vor den Mund.
Die Kartoffeln lagen verstreut auf dem Boden und die Schüssel war zersprungen.
Nanuk fiel gierig über die Kartoffeln her, obwohl Susan versuchte, ihn davon abzuhalten.
Scheinbar war Nanuk gegen den Tisch gesprungen, denn die Blumenvase war umgefallen und das Wasser hatte sich über das Fleisch ergossen.
Susans Gesicht war hochrot angelaufen und versuchte den Hund mit dem Fuß wegzuschieben.
Ihr Blick traf Geena.
„Steh da nicht so rum, nimm den verflixten Köter da weg!”, schrie sie und ihre Stimme kippte vor Empörung.
Schnell packte Geena Nanuks Halsband und versuchte den weißen Hund mit sich zu ziehen, doch er begann zu knurren.
Nanuk.
Er knurrte sie an.
Ihr lieber Hund.
Sie konnte es nicht glauben und ließ panisch das Halsband los.
Nanuk fraß gierig und mit schnellen Bissen die heißen Kartoffeln.
Ihn störte es nicht, dass er sich das Maul verbrannte.
„Nanuk, aus! Lass das!”, rief sie empört, bemerkte aber selber, wie ihre Stimme zitterte.
Zu spät.
Alle Kartoffeln waren verschwunden.
Das würde ihm garantiert nicht gut bekommen...
„UND JETZT SCHAFF DIESEN HUND HIER WEG!”, schrie Susan.
In ihren Augen glitzerten Tränen und sie schnaubte.
Erneut packte Geena Nanuk beim Halsband und zog ihn aus der Küche.
Marko trat zu Susan und wollte sie tröstend umarmen, doch sie stieß ihn brutal von sich weg.
Und dann begann der Streit.
Es flogen die Wortfetzen und die Lautstärke stieg deutlich an.
Geena öffnete die Haustür, schnallt die Leine ans Halsband und schon ihren Hund ins Freie.
Schon hörte sie es in seinem Bauch gluckern.
Er würgte und übergab sich direkt auf die Stufen.
Verzweifelt schaute Geena weg.
Ihr wurde selber schlecht.
Hoffentlich hatte sich sein Magen nicht umgedreht!
Das wäre sein Tod...
Geena band die Leine kurzerhand ans Geländer und rannte in die Küche zurück.
Susan stürmte ihr entgegen, stieß sie grob zur Seite und hastete tränenüberströmt den Korridor entlang.
Marko fuhr sich fahrig mit der Hand durchs Haar.
„Marko, komm schnell, Nanuk-”, rief sie, doch er unterbrach sie.
„Tut mir leid, aber für den Hund habe ich jetzt wirklich keine Zeit.”
Damit verließ er ebenfalls den Raum.
„EY! ES GEHT UM SEIN LEBEN!”, brüllte sie empört und ihre Stimme bebte.
Sie hörte, wie er stehen blieb.
„Was?”, fragte er verwirrt.
Geena schilderte ihm die Lage.
Und er hastete bestürzt ins Freie.
Sie lief ihm nicht hinterher.
Ihr war ziemlich blümerant.
Hoffentlich musste sie sich nicht auf noch übergeben!
Ihr wurde heiß und sie musste sich setzen.
Um sie herum begann es zu knistern und alle Geräusche wurden dumpf.
Nein nein nein, dachte sie und keuchte.
Wurde sie ohnmächtig?
Ihr Blickwinkel verkleinerte sich und hinter ihrer Stirn begann es zu pochen.
Was war los?
Sie hatte es einfach nicht mit ansehen können, wie Nanuk alle Kartoffeln wieder vorgewürgt hatte.
Ihr Magen verkrampfte sich.
Verzweifelt versuchte sie gegen den Würgereiz anzukommen.
Sie legte sich mit dem Rücken auf einen anderen Stuhl und versuchte tief und gleichmäßig zu atmen.
Sie starrte an die Decke und fühlte sich elend.
Schließlich ließ die Übelkeit nach und sie konnte auch wieder klar sehen.
Was war das gerade?
Das war ihr noch nie passiert!
Marko betrat die Küche und erschra, als er Geena ausgestreckt auf den Stühlen liegen sah.
Er brachte ihr schnell ein kaltes nasses Tuch, das sie sich erschöpft auf die Stirn legte.
„Was ist mit Nanuk?”, fragte sie mit dünner Stimme.
„Alles ist gut, mit ihm ist alles okay. Hat nur die Kartoffeln nicht vertragen und wollte sie selbstständig schnell loswerden.”
Sie nickte abwesend und schloss die Augen.
Kurzentschlossen hob Marko sie hoch und trug sie zum Sofa.
Sie blinzelte kurz, war aber scheinbar zu erschöpft und schlief ein.
Marko legte sie auf der Couch ab und ließ Nanuk wieder ins Haus.
Winselnd sprang er zu Geena auf die Couch und ließ keinen mehr an sie heran.
Er beschützte sie.

Marvelous Future - Ich passe auf dich aufWhere stories live. Discover now