Kapitel 1

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Bedrückt und traurig saß sie auf der Fensterbank.
Mit den Armen umschlang sie ihre Beine.
Die dunklen Locken fielen ihr ins Gesicht.
So konnte keiner sehen, dass sie weinte.
Obwohl das auch nicht schlimm gewesen wäre.
Schließlich war gestern eine Welt für sie zusammengebrochen.

( vor knapp 24 Stunden )

Sie saß neben ihrer Mutter vor dem Operationssaal des Krankenhauses.
Keine von beiden sagte ein Wort.
Die Zeiger auf ihrer Uhr schlichen nur so dahin.
Wie lange dauerte das denn noch?
Wie lange sollte sie noch warten?
Da wurde die Schiebetür des Saals aufgeschoben und ein Arzt erschien.
Ihre Mutter sprang auf.
Der Arzt hatte eine undurchdringliche Miene aufgesetzt.
Ihr wurde schlecht.
„Es tut mir leid, wir konnten nichts mehr für ihn tun."
Ihre Mutter fiel auf die Knie und schluchzte auf
Sie war wie erstarrt.
Sie konnte es nicht glauben.
Das durfte nicht war sein!
Langsam stand sie auf und ging mit schweren Füßen zu ihrer Mutter hinüber.
„Oh Geena!", schluchzte ihre Mutter und zog sie zu sich auf den Boden.
Dann lagen sie sich in den Armen und weinten.

Die eiskalte Gewissheit, dass ihr Vater tot war, überkam Geena erst, als sie zuhause das Schlafzimmer ihrer Eltern betrat.
Dieser Unfall hätte nicht passieren dürfen.
Geena hätte es wissen müssen.
Sie hatte sich doch vorher um Titanic gekümmert und sie hätte die Verletzung doch bemerken müssen, die die Tierärzte bei der Untersuchung des schlimm verletzten Rappen entdeckt hatten.
Sie Verletzung am linken Vorderbein war nicht neu gewesen.
Geena wollte ihren Kopf gegen die Wand schlagen.
Sie war schuld!
Sie war schuld, dass ihr Vater und sein Hengst Titanic das Pferderennen nicht überlebt hatten.
Der Rappe hatte sich an die Spitze gekämpft, bis der Schmerz nicht mehr auszuhalten war.
Sie hatte ihr Pferdeleben verloren.
Geenas Mutter wollte nie wieder etwas mit Pferden zu tun haben.
Sie gab nicht ihrer Tochter die Schuld für den Tod ihres Mannes.
Sie gab Titanic die Schuld.
Auch Geena verbot sie weiterhin zu reiten oder sich um Pferde zu kümmern.
Geena hatte ihre Reitbeteiligung kündigen müssen.
Der Abschied von der Cremello Stute Queen hatte das Loch in ihrem Herzen noch vergrößert.
Sie hatte so unglaublich viel mit der kleinen frechen Stute erlebt.
Doch ihre Mutter känzelte jeglichen Kontakt mit Pferden.

Sie vergrub ihren Kopf zwischen den Beinen und schluchzte auf.
Die Erinnerung tat so unglaublich weh.
Die Zukunft allerdings auch.
Geenas Mutter wollte umziehen.
Weg von der Erinnerung
Weg von ihren Freunden.
Weg von ihrem Zuhause.
Weg von ihrer Heimat.
Sogar weg aus England.
Sie wollte ganz neu anfangen.
Und zwar in Deutschland.
Geena sträubte sich.
Sie konnte zwar Deutsch und fand das Land ganz passabel, doch der Gedanke daran, alles zu verlassen, woran sie hing, überspülte sie mit unglaublicher Trauer.
Da flog die Tür ihres Zimmers auf.
„Geena, da bist du ja, was machst du denn da? Wieso trödelst du so?"
Ihre Mutter sah sich in ihrem Zimmer um.
„Du hast ja noch gar nichts gepackt! Junge Dame, jetzt aber los! Der Möbelwagen kommt in zwei Stunden und du bist noch nicht mal angefangen!"
Sie sah nicht auf.
Geena ließ die Worte über sich ergehen.
Ihre Mutter war so viel strenger als vorher.
Dauernd motzte sie rum, war angenervt oder gab ihr die Schuld.
Angesichts des Todes ihres Vaters war es fast zu verstehen...
Geena raffte sich mit einem Stöhnen auf, wischte die Tränen ab und sah ihrer Mutter direkt in die Augen.
Kurz wurde der Blick ihrer Mutter weich und verzweifelt, doch dann drehte sie sich um und ging aus dem Zimmer.
Geena sah sich in ihrem Zimmer um.
Sie sollte wirklich anfangen zu packen, sonst würde ihre Mutter ein großes Theater machen.
Mit flauem Magen begann sie ihre Bücher aus dem Bücherregal in einen großen Umzugskarton zu packen.

Zwei Stunden später, als der Möbelwagen vor dem Haus parkte, war Geenas Zimmer fast leer geräumt.
Lediglich die Möbel standen noch an ihren vorherigen Plätzen.
Sie wirkten so traurig und grau.
Geena verließ ihr Zimmer.
Es war vorbei.
Sie zogen weg.

Marvelous Future - Ich passe auf dich aufWhere stories live. Discover now