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Leonard

7:47
Guten Morgen, ich weiß,
es ist erst Viertel vor 8,
aber weißt du schon,
wann du hier bist? Ich
freu mich auf dich.

8:13
Vermutlich bist du in der
U-Bahn und hast keinen
Empfang. Aber das bedeutet
auch, du bist gleich hier!

8:43
Hatte die Bahn Verspätung?
Stand schon draußen, aber
dann kamen Kunden.

8:57
Hast du verschlafen? :)

9:03
Leonard?

Fall ID 802.014
Kunde: CoffeeKorner
Support: Kasse, Bondrucker
Wartung: 24/7

Kunde9041:
Hallo?

Supporter04:
Hallo, wie kann ich Ihnen helfen.

Kunde9041:
Hi, ich sollte heute eigentlich eine Schulung bekommen, aber der Supporter ist noch nicht da.

Supporter04:
Ich prüfe das einmal, einen kleinen Moment.

Kunde9041:
Danke, ich bin wirklich besorgt.

Supporter04:
Der Termin war für 9:00 Uhr angesetzt?

Kunde9041:
Das ist korrekt. Ist alles okay mit Supporter06?

Supporter04:
Ich erreiche den Kollegen aktuell nicht, soll ich einen Ersatz schicken?

Kunde9041:
Nein! Wo ist er?

Supporter04:
Das kann ich leider nicht beantworten. Ich schaue, ob ein anderer Kollege kurzfristig verfügbar ist.

Kunde9041:
Nein! Ich will Supporter06! Sie müssen doch wissen, warum er nicht hier ist!

Supporter04:
Nein, Sir. Das muss ich nicht. Ich kann mich gern um einen Ersatz kümmern, sollte der ursprünglich zugeteilte Supporter ausgefallen sein.

Kunde9041:
Ausgefallen? Er ist doch kein Gerät, das man ersetzen kann! Was, wenn ihm etwas zugestoßen ist??

Supporter04:
Supporter09 wäre verfügbar. Er könnte in 20 Minuten bei Ihnen sein.

Supporter04:
Hallo?

Konrad hält sein Handy an sein Ohr und wartet.

„Hi, ihr sprecht mit der Mailbox von Leo. Ich bin gerade nicht erreichbar, sprecht nach dem Ton."

„Leonard, hier ist Konrad. Wo bist du? Du bist nicht hier, dabei solltest du die Schulung machen. Bitte melde dich."

Besorgt läuft Konrad hinter dem Tresen hin und her, starrt immer wieder auf sein Handy.
Von Leo kommt kein Rückruf.
Wieder wählt er die Nummer, doch wieder antwortet nur die Mailboxansage.
„Leonard, ich bin wirklich in Sorge. Habe ich irgendwas gemacht? Bist du sauer? Aber warum? Ist dir etwas zugestoßen? Bitte ruf mich zurück!"

Als nach fünf Minuten noch immer keine Antwort kommt, ruft Konrad eine andere Nummer an.
„Gina, du musst ins Café kommen. Leonard ist nicht gekommen und im Büro ist er auch nicht. Ich habe Angst, dass ihm etwas passiert ist...
Okay, bis gleich."

Während Konrad auf Gina wartet, sucht er im Internet nach Nachrichten über Autounfälle, Zugunglücke, Überfälle oder Erdbeben in New York, die darauf schließen lassen könnten, dass Leo etwas zugestoßen ist. Auf dem Weg, den Leo mit der U-Bahn aus Queens nehmen müsste, wird nichts dergleichen berichtet.

Die Cafétür öffnet sich und Gina eilt herein.

„Du bist ein Schatz."
Konrad haucht ihr einen Kuss auf die Stirn und eilt aus dem Café.

Im Auto trommelt er wie wild auf dem Lenkrad herum, weil die anderen Autofahrer die Ruhe schlechthin zu haben scheinen. Als ginge es für sie nicht um Leben und Tod!

Gefühlte Stunden später hält Konrad vor dem Mehrfamilienhaus, in dem sich Leos Wohnung befindet. Wie ein Wahnsinniger drückt er pauschal auf alle Klingelknöpfe gleichzeitig und zu seiner Erleichterung ertönt der Summer und die Haustür lässt sich aufdrücken. Ob es letztlich Leo war, der die Tür öffnete, kann er jetzt natürlich nicht nachvollziehen, aber Konrad kann nicht klar denken, als er die Treppen nach oben sprintet.

Wie von Sinnen trommelt er mit den Fäusten gegen Leos Tür.
„Leonard? Bist du da? Ich bin es, Konrad!"

Konrad legt sein Ohr an die Tür und lauscht.

„Ahhhh."

Leonard ist da drin. Und er braucht Hilfe!

Panisch klopft Konrad wieder gegen die Tür.
„Leonard! Hörst du mich?? Ich bin hier!!"

„Briefkasten."
Leos Stimme klingt schmerzerfüllt.

Briefkasten? Was soll das jetzt bedeuten?

Konrad rennt die Treppen wieder nach unten, stolpert fast über die letzten Stufen und prallt unsanft gegen die Wand neben der Haustür.

Viele gleichaussehende, weiße Briefkästen hängen hier nebeneinander an der Wand und Konrad scannt die kleinen Schildchen, bis er den Namen Baker entdeckt. Kurzerhand steckt er seine Finger in den Briefschlitz und reißt ruckartig an der kleinen Tür.

„Sagen Sie mal, was machen Sie da? Das ist Vandalismus!"

Konrad schaut auf und sieht einen älteren Herrn, der seinen Kopf aus einer der Wohnungstüren im Erdgeschoss steckt.

„Haben Sie einen Schlüssel für Mr. Bakers Wohnung?"

„Natürlich nicht."

„Dann halten Sie die Klappe!"
Ein weiterer Ruck lässt das kleine Schloss des Briefkastens brechen und Konrad zieht triumphierend einen Schlüssel aus dem Kasten.

Wieder eilt er die Stufen nach oben, die meckernde Stimme des Opas verfolgt ihn und er meint, die Worte „Einbrecher" und „Polizei" zu vernehmen.

Wieder an Leos Wohnungstür angekommen, steckt er zitternd den Schlüssel ins Schloss und stößt die Tür auf.

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