NEUN

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MARLENE

Es war mit Sicherheit die dümmste Idee überhaupt Adam in seine Wohnung zu folgen. Wie kam ich eigentlich dazu, mich freiwillig mit ihm alleine irgendwo aufzuhalten. Ich spielte nur so mit dem Feuer. Ich wich meine nassen Hände an meiner Stoffhose ab, als ich mich auf seine große Couch setzte. Sie war mitten in seinem Apartment, dass an ein Loft erinnerte. Durch die großen Fensterfronten kam auch noch am Abend viel Tageslicht in den riesigen Raum. Von meiner Position aus konnte ich ihn perfekt beobachten, wie er an der Küchenzeile Kaffee aufsetzte und zwei kleine Brownies auf einen Teller legte.

„Willst du auch einen Kaffee?", fragte mich Adam, als er schon zwei große Tassen aus einem der Hängeschränke hervorholte.

Ich zog meine Beine auf der Couch an, während ich ihn weiter an der Küchenzeile beobachtete. Seine Muskeln spannten sich mit jeder seiner Bewegungen unter seinem einfachen schwarzen Langarmshirt an. „Ja, aber bitte mit viel Milch."

„Geht klar."

Wenig später hatte Adam zwei bis zum Rand mit Kaffee gefüllten Tassen und den Teller mit der schokoladenen Süßigkeit auf den Couchtisch vor uns gestellt. Mit einer flüssigen Bewegung landete er auf dem Platz neben mir, sein Arm lag auf der Rückenlehne hinter meinem Kopf. Ich spürte mich ihm plötzlich so nah. Sein Geruch nach Seife gemischt mit Kaffee und Minze stieg mir in die Nase.

„Auf die Freundschaft", riss seine Stimme mich aus den Gedanken und Adam prostete mir mit der Kaffeetasse zu. Unwillkürlich wanderte ein Lächeln auf meine Lippen, als ich ihm meine eigene Tasse kurz entgegenhielt, bevor ich einen Schluck nahm. Er hatte die Mischung zwischen Kaffee und Milch perfekt hinbekommen. Genauso liebe ich es Koffein in meinen Körper zu schütten.

„So gefällt mir diese Freundschaft", murmelte ich verträumt, als ich ein Stück von dem Brownie abbrach und ihn in meinen Mund fallen ließ. Einfach köstlich. Die kulinarischen Mitarbeiter der Wolves hatten echt was drauf. Die Brownies, die Adam aus dem Speisesaal hat mitgehen lassen waren einfach traumhaft.

Ein kleines Lachen kam von Adam und ein Blick zu ihm verriet mir, dass er mich die letzten Sekunden schmunzelnd beobachtete. „Was?", fragte ich mit vollem Mund.

„Ach, nichts."

„Sag schon!"

Adam sah nach unten und schüttelte den Kopf. „Mein Tag wurde gerade einfach um ein tausendfaches besser. Das ist alles."

Ich schluckte das Stück Schokolade runter und versuchte seinen Gesichtsausdrück, der sein schönes Lächeln abgelöst hatte, zu interpretieren. Zwischen seinen Augenbrauen hatten sich tiefe Falten gebildet und seine vollen Lippen hatte er zu einer geraden Linie gerichtet.

„Was meinst du damit?", fragte ich vorsichtig. Ich wusste, dass er nicht einfach nur die letzten unbeschwerten Minuten mochte, sondern das mehr dahintersteckte. Irgendwas hatte er während unserer gemeinsamen Zeit in seinem Apartment vergessen, was nun wieder im Vordergrund seines Gedächtnisses war.

Adam sah überall hin, nur nicht zu mir. „Ich hatte einen langen Tag. Viel Training, viele Termine. Du weißt schon." Er zuckte mit den Schultern.

Ich wusste nicht, was er meinte. Heute morgen hatte ich noch im Terminkalender gesehen, dass nur ein gemeinsames Training stattfand und es gab auch keine Pressetermine für Adam. „Ich wette es ist eine echte Herausforderung der neue Quarterback einer NFL Mannschaft zu sein", versuchte ich es stattdessen. Vielleicht gab er ja so mehr preis. Verriet mir, was ihn eigentlich bedrückte.

Stattdessen schnaubte Adam nur, bevor er einen Schluck von seinem Kaffee nahm. „Das einzige, was ich so wirklich richtig an dieser Sache hasse sind die scheiß Medien. Ich weiß du machst auch nur deinen Job, aber könnt ihr diesen verdammten Mist nicht einfach lassen? Aber nein, Interviews mit den Spielern reichen ja nicht, jetzt muss sogar die Familie hinhalten." Adam hatte sich vorgelehnt, seine Tasse auf dem kleinen Tisch abgestellt und rieb sich mit seinen Handflächen über die Oberschenkel. „Fuck, sorry. Du kannst nichts für den ganzen Mist, ich hätte das anders sagen sollen", fügte er hinzu und warf mir einen flüchtigen Blick zu.

„Schon in Ordnung", murmelte ich, weil ich keinen blassen Schimmer hatte, was ich sonst hätte antworten sollen. Ich wusste ja nicht einmal, was er da gerade gesagt hatte.

„Ich hab heute mit meiner Mom telefoniert." Mein Atem stockte, als ich Adams Worte hörte. Er erzählte mir von seinen Eltern das bedeutete doch, dass er wirklich dieser Freundschaft eine Chance gab, oder? Ich hielt den Atem an, als ich darauf wartete, bis er weiterredete. „Sie hat mir erzählt, dass sie sich vor Anfragen zu Interviews nicht mehr retten können und mein Dad es kaum noch abwarten kann sich vor den Kameras zu präsentieren."

So langsam fanden sich die Puzzleteile in meinem Kopf zusammen. Ich wusste, dass Adam Interviews hasste, das verheimlichte er offensichtlich nicht. Doch nun vermutete ich, dass viel mehr dahintersteckte. Er wollte nicht einmal, dass jemand anderes die Interviews für ihn übernahm.

„Und wieso wäre das so schlimm? Es gibt viele Spieler, die ihr Zuhause zeigen, wo sie aufgewachsen sind oder Interviews mit ihren Eltern und Freunden geben."

Adam räusperte sich und lehnte sich wieder gegen die Rückenlehne neben mir. Sein Körper schien sich allmählich zu entspannen. „Wir sind Freunde, richtig?" Ich nickte schnell. „Ich möchte einfach nicht im Rampenlicht stehen. Keine Ahnung wieso, schließlich habe ich mir die Position des Quarterbacks nun mal ausgesucht, da ist man schon fast das Gesicht der Mannschaft. Aber ich hasse es einfach. Ich hasse es von irgendwelchen Fremden bewerten zu werden und unnötige Fragen beantworten zu müssen, bei denen meine Antwort dann doch wieder anders weitergegeben wird."

Als er mir tief in die Augen sah, aber ich nichts sagte, fügte er hinzu: „Es tut mir leid, dass ich deinen Job schwieriger mache, als er es sein sollte."

Ich schluckte schwer, doch ein kleines Lächeln fand seinen Weg auf meine Lippen. Adams Blick wanderte von meinen Augen zu meinem Mund und blieb dort eine Sekunde länger als nötig hängen. „Ich kann versuchen Clara dazu zubringen dich weniger für Interviews zu buchen und sie davon zu überzeugen, dass andere Spieler mehr mit den Medien zu tun haben müssen. Dann hättest du ein wenig Luft zum Atmen", sagte ich.

Adams Mund öffnete sich leicht, als er mir mit den Fingern eine Haarsträhne hinters Ohr strich. Er berührte anscheinend gerne meine Haare. Denn das hatte er schon mal gemacht. Keine Ahnung wieso.

„Mar, du bist zu nett zu mir." Mein Herz machte bei dem Spitznamen, den er für mich verwendete, einen Sprung. Ich hatte mir immer gewünscht, dass ich und mein Ex-Freund Colin so vertraut miteinander hätten sein können. Selbst so simple Spitznamen hatte ich mir gewünscht. Doch es ist nie passiert.

Ich legte meine Wange in seine Hand, die noch an meinen Haaren verweilte und lächelte ihm zu.

„Verdammt", wisperte er und strich mit seinem rauen Daumen über meine Haut. „Du machst es mir echt nicht einfach nur mit dir befreundet zu sein."

Ein kleines Lachen entfuhr mir. „Ich wünsche mir mehr Disziplin von dir!"

Adam sah mich lachen an. Kleine Falten bildeten sich um seine Augen. „Ich kann nichts versprechen."

Obwohl er es lachend sagte, setzte mein Herz kurz aus und insgeheim wünschte ich mir, dass wir unsere gemeinsame Nacht wiederholen könnten.

Second Chances | ✓Where stories live. Discover now