Kapitel 10

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Nachdem ich Li alles erzählt hatte, sah er mich erstaunt an und wusste nicht so recht, was er darauf sagen sollte. Als er meinen bedrückten Gesichtsausdruck sah, stand er auf und strich mir dann sanft über den Rücken. Ich vergrub erneut mein Gesicht in meinen Händen und war wirklich ratlos darüber, was ich jetzt tun sollte.

"Mei, mach dir keinen Kopf, du wirst Xiao finden", sagte er beruhigend und ich sah dankbar hoch zu ihm. "Ich hab allerdings keine Ahnung, wo Xiao hingegangen sein könnte", erklärte ich leise und auf Li seine Lippen trat ein aufmunterndes Lächeln. "Du wirst ihn trotzdem finden", bestätigte er mir und ich nickte nur. "Denkst du, er ermittelt trotzdem über die Mission weiter?", fragte ich irgendwann und Li schüttelte leicht seinen Kopf. "Die Sache mit der Mission ist deine Angelegenheit und da er jetzt nicht mehr an deiner Seite ist, denke ich, dass er sich da auch nicht mehr einmischen wird." Erneut brachte ich nicht mehr als ein Nicken zustande.

Ein Seufzen verließ meine Lippen. "Ich weiss nicht, wie ich jetzt weiter vorgehen soll. Ich möchte die Lieferung nicht zu dem Kunden bringen und lieber noch etwas mehr herausfinden. Ich frage mich, was es mit der ganzen Sache auf sich hat", sprach ich meine Gedanken aus und sah Li ratlos an. Dieser nickte verstehend und kratzte sich leicht am Hinterkopf. "Nun ja, ich würde ja vorschlagen, dass es die beste Idee wäre, mit Signora persönlich zu sprechen, doch soweit ich weiß hält sie sich momentan wieder in Snezhnaya auf. Abgesehen davon wäre es ziemlich riskant, sie so offen aufzusuchen und zu befragen, immerhin kennen wir ihre Absichten nicht. Es wäre definitiv zu gefährlich." Li sein Gesicht war nachdenklich und ich seufzte.

Die Ganze Sache wurde immer komplizierter und komplizierter. Ich griff mir mit Daumen und Zeigefinger an meine Nasenwurzel und schloss die Augen. Ich hätte niemals gedacht, dass die Sache so sehr auf mir lasten würde. "Das Einzige, was mir jetzt einfallen würde, wäre meinen Vater aufzusuchen und ihn nach genaueren Details für die Lieferung zu fragen." Li sah mich lächelnd an. "Das klingt nach einer ziemlich Guten Idee", überlegte er und ich nickte. "Aber es würde in gewisser Hinsicht einen Rückschritt bedeuten, denn ich müsste den ganzen Weg nach Mondstadt zurück laufen", merkte ich an und Li nickte. "Aber ich fürchte, das ist die einzige Wahl, die du hast." Ich nickte und ließ meinen Kopf auf den Tisch senken. Warum war das alles so kompliziert?

"Li, wie soll ich das nur alles alleine durchstehen? Jetzt, wo Xiao weg ist, scheint alles viel schwerer geworden zu sein. Abgesehen davon könnte ich mich nicht mal verteidigen, wenn mich erneut jemand angreifen würde, ich kann nicht kämpfen", gestand ich endlich und die Worte waren mir viel leichter über die Lippen gekommen, als ich erwartet hatte. Ursprünglich wollte ich Li nicht erzählen, dass ich nicht kämpfen konnte, doch ich musste es endlich jemandem erzählen. Es lastete so schwer auf mir und jetzt war der Zeitpunkt, an dem ich die Last nicht mehr tragen konnte.

"Du kannst nicht kämpfen? Aber du besitzt doch ein göttliches Auge", merkte Li erstaunt an und ich nickte niedergeschlagen. "Sobald jemand ein göttliches Auge besitzt, denkt automatisch jeder, dass die Person auch kämpfen kann. Aus diesem Grund erzähle ich weder, dass ich ein göttliches Auge besitze, noch, dass ich nicht kämpfen kann." Ich hatte mein Kopf nach wie vor auf dem Tisch abgelegt. Nach wie vor fühlte es sich an, als würde es in meinem Kopf regnen, so niedergeschlagen war ich. Aber wenigstens war ich nicht mehr am erfrieren. Die Decke und das Zelt machten ihren Job.

"Das hätte ich tatsächlich nicht erwartet und um ehrlich zu sein, macht es das noch ein Stück komplizierter...". Li versank in Gedanken und ich konnte nicht anders als darüber zu staunen, wie gelassen er mit der Sache umging. Jeder Andere hätte mich vermutlich schräg angeschaut, wenn ich erzählt hätte, dass ich nicht kämpfen konnte, obwohl ich ein göttliches Auge besaß. Doch Li schien das Ganze nicht mal vom Hocker zu hauen. "Ich finde, du solltest nicht alleine nach Mondstadt zurück gehen. Wenn du dich wirklich nicht verteidigen kannst, dann ist es zu riskant, dich alleine los zu schicken... Ich werde mitkommen." Die Entschlossenheit in seiner Stimme ließ mich endlich meinen Kopf von dem Tisch heben.

Ich sah den Größeren überrascht an und er lächelte mir aufmunternd entgegen. Es schien, als hätte Li nie schlechte Laune. "Meinst du das ernst?", fragte ich und merkte, wie Hoffnung in mir hoch kroch. Li nickte. "Ich denke wir sollten Bao noch mit nehmen, dann sind wir definitiv auf der sicheren Seite. Die restlichen drei können dann hier das Lager bewachen", klärte Li mich auf und die Erleichterung überschwemmte mich wie eine Welle. Ich konnte nicht verhindern, dass ein Lächeln auf meine Lippen trat. "Danke Li! Danke, Danke, Danke!"

Li lachte und sah mich an. "Wir starten morgen früh. Über Nacht kannst du dort in dem Bett schlafen." Der Dunkelhaarige deutete auf eines der Betten, die sich in dem Zelt befanden. "Das Bett gehört Luan, der ist aber heute mit Nachtwache dran, deswegen ist es frei", klärte Li mich auf und ich nickte verstehend. "Ich gehe das mal mit den Anderen abklären", gab der Ältere noch von sich, bevor er aus dem Zelt verschwand. Ich blieb alleine zurück und konnte nun umso mehr die Erleichterung fühlen, die sich durch meinen Körper zog.

Doch diese Erleichterung wandelte sich in ein bedrückendes Gefühl um, als ich wieder an Xiao denken musste. Seit dem Streit schwirrte er ständig in meinem Kopf umher, ohne das ich etwas dagegen tun konnte. Während ich mich mit Li unterhalten hatte, war er, wenigsten für kurze Zeit, aus meinem Kopf verschwunden. Doch kaum war ich alleine, waren die gold-gelben Augen wieder vor meinem inneren Auge. Auch in dieser Nacht verfolgte mich der Dunkelhaarige in meine Träume.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, hörte ich den Regen erneut auf das Zelt prasseln. Ich wusste nicht, ob es immernoch oder schon wieder regnete. Letztlich war es mir aber auch relativ egal. Ich setzte mich langsam auf. So gut wie letzte Nacht hatte ich schon länger nicht mehr geschlafen. Es machte eben doch einen Unterschied, ob man in einem Bett oder irgendwo auf dem Boden schläft.

Li war schon längst auf den Beinen und saß an dem Tisch über ein Stück Papier gebeugt. Bei näherer Betrachtung fiel mir auf, dass es eine Karte von Teyvat war, die er etwas später zusammenfaltete und in seiner Hosentasche verschwinden ließ. Nachdem wir gefrühstückt hatten, machte ich mich für den Aufbruch bereit. Der Rest der Schatzräuber schien mit dem Plan einverstanden zu sein, denn Luan gab Bao noch eine Tasche an Proviant mit und auch in meine Tasche stopfte er noch etwas. Danach verließen wir das Lager.

Während des Laufens fiel mir auf, dass Bao jünger als Li zu sein schien. Seine Haare wiesen einen hellen Braunton auf und seine Augen waren stechend blau. Er schien nicht besonders gesprächig zu sein, was mich auch eigentlich nicht störte, denn ich unterhielt mich mit Li.

Dennoch sorgte Baos Schweigen dafür, dass meine Gedanken unausweichlich wieder zu Xiao abdrifteten.

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Zwei Updates innerhalb von zwei Tagen? Normalerweise mache ich das nicht, aber ich wollte unbedingt noch allen viel Glück wünschen, die heute für Yoimiya pullen werden! :D

Ich werde definitiv für Yoimiya pullen, ich will sie so sehr haben. Wie sieht es bei euch aus? Pullt ihr oder skippt ihr? ^^

Orphic // Genshin Impact Xiao FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt