Kapitel 16

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Es war noch früh am Morgen, als Wanda langsam wach wurde und sich auf den Rücken drehte. Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht und lauschte, ob irgendjemand schon wach war. Doch das gesamte Hauptquartier lag ruhig da, abgesehen von dem Zwitschern der Vögel und dieser ungewohnten Stille in ihr drin. Trotzdem spürte Wanda, dass sich etwas in ihr zusammenbraute und es sich gut anfühlte, auch das ihre Kräfte stärker wurden. Es war, wie als würde man ein Feuer entfachen. Erst war würde es noch klein bleiben, aber irgendwann würde es sich ausbreiten und alles verbrennen, was sich ihm in den Weg stellte. Sie hatte keine Ahnung, ob es an der Trauer lag oder doch daran, dass sie sofort gespürt hatte, dass nach der Beerdigung, etwas endgültig in ihr zerbrochen war. Ein weiterer Tag, denn sie nur mit Mühe und Not überstehen würde. Jedes Mal, wenn sie dachte, es würde besser werden, überkam sie eine neue Welle der Trauer und zog sie wieder mit sich. Wanda setzte sich langsam auf und griff nach ihrem Handy, was auf dem Nachttisch neben ihr lag. Die Uhr zeigte an, dass es kurz vor 8 war. Sie ließ sich wieder in die Kissen fallen und schaute sich das Hintergrundbild auf ihrem Handy an. Ein Bild von Natasha und ihr, an dem Tag wo die Einweihungsfeier des neuen Stark Towers stattfand. Nat hatte einen Arm um Wandas Taille gelegt und schaute sie liebevoll an, während sie selber in die Kamera lächelte. Wanda drückte das Handy an ihre Brust und versuchte ihre Tränen zu unterdrücken. Sie hätte niemals gedacht, dass sie mal jemanden so sehr vermissen würde, abgesehen von ihren Eltern, aber Natashas Tod war auf eine Weise schlimmer, die Wanda nicht beschreiben konnte. Wanda hörte Schritte näherkommen und drehte den Kopf zur Tür, als sie sah, dass jemand vor ihrer Tür stand. „Wanda?" fragte eine ihr bekannte Stimme, die noch ein wenig verschlafen klang und klopfte an die Tür. Sie sagte nichts, sondern zog sich nur ihre Decke über den Kopf und hoffte das ihr Bruder wieder gehen würde. Jeden Morgen versuchte Pietro, sie dazu zubringen mit ihm entweder Joggen zu gehen, gemeinsam zu Frühstücken oder was ihm sonst noch so in den Sinn kam. Er meinte es zwar nur gut und wollte ihr helfen, aber Wanda wollte sich nicht unter die anderen mischen, sie wollte einfach nur für sich sein. Es folgte kein weiteres Klopfen und sie dachte gerade, dass Pietro wohl endlich weitergegangen war, als die Tür aufging. „Ich weiß genau, dass du nicht schläfst, Schwesterherz." sagte er und lief aufs Bett zu, Wanda seufzte leise. „Sie ruht ihre Augen aus.""Ich denke, du hast in den letzten Tagen, deine Augen genug ausgeruht.""Was willst du, Pietro?" sie schlug die Decke zurück und schaute ihn ausdruckslos an. „Kommst du mit Joggen?" Wanda stöhnte auf. „Das hast du mich gestern schon gefragt. Fällt dir nichts Neues ein?""Du wolltest gestern nicht, deshalb frage ich jetzt nochmal. Vielleicht tut es dir gut, auch mal wieder rauszukommen und dir alles von der Seele zu rennen." erklärte Pietro ihr. „Lässt du mich dann in Ruhe?""Versprochen.""Okay, gut. Treffen wir uns in einer Viertelstunde vor dem Hauptquartier?" Er nickte und wirkte ziemlich zufrieden damit, wie das Gespräch ausgegangen ist. „Und nächstes Mal klopfst du an und wartest bis ich sage, dass du reinkommen kannst. Ich hätte Nackt sein können." funkelte Wanda Pietro an. „Alles klar. Verstanden." grinste er und verließ Wandas Zimmer.

Pietro wartete schon draußen auf Wanda, als sie die Tür aufdrückte und sich zu ihm stellte. Sie spürte einen eisigen Windhauch an sich vorbeiziehen und zog den Reißverschluss noch höher. Gott, sie hätte sich doch lieber noch einen Pullover anziehen sollen, aber sich vor allem erstmal nach dem Wetter erkundigen, denn der Himmel wurde durch graue Wolken, die zogen näher, immer dunkler und es sah aus, als würde es jeden Moment anfangen zu regnen. „Wie weit laufen wir?" fragte Wanda. „Einmal ums Hauptquartier.""Und was, wenn es anfängt zu regnen?""Auch dann. Los geht's." Pietro grinste seine Schwester an und fing an zu laufen. Nett, dachte sie und lief ihm hinterher. Sie hatten nicht mal die Hälfte der Strecke erreicht, als Wandas Atmen langsam in ein Keuchen überging und langsamer lief. „Können wir nicht eine Pause machen?" schnaufte sie. „Ich dachte, du trainierst.""Ja, aber nicht in der Ausdauer! Nicht jeder hat Ultraschallgeschwindigkeit!" Pietro wurde langsamer und drehte sich zu Wanda, so dass er nun rückwärts vor ihr lief. „Ich hoffe so sehr, dass du gleich hinfällst." brummte Wanda und holte tief Luft. „Da kannst du wohl noch lange hoffen, Schwesterchen." lachte er und lief weiter vor ihr her. Zu not, werde ich ihn höchstpersönlich umwerfen, dachte Wanda. „Hasst du mich wirklich so sehr?""Ich könnte dich niemals hassen, aber was für ein Sinn hätte es denn, wenn wir, eigentlich du, nicht mal die Hälfte der Strecke schaffen." Sie schaute ihren Bruder mit einem Blick an der Toten könnt. „Okay, hör zu bis zu dem großen Baum dort hinten, dann machen wir eine Pause.""Pietrooo..." jammerte sie. Wanda spürte ein leichtes Kribbeln in ihren Händen und versuchte sich zu beruhigen. Mehrere rote Funken tanzten um ihre Finger und formten sich allmählich zu einem roten Ball, als mit einmal eine Welle aus roter Energie aus Wandas Händen kam und sie zum schweben brachte. Pietros Augen weiteten sich und blieb ruckartig stehen. „Wie-„ Wanda sah genauso überrascht aus, als sie zu Boden schaute. „Ich hab wirklich keine Ahnung.""Ist dir das schonmal passiert?" sie schüttelte langsam den Kopf, immer noch perplex darüber, dass sie in der Luft schwebte. „Kommst du jetzt auch wieder runter?" Wanda konzentrierte sich auf ihre Kräfte und ließ sich langsam wieder zu Boden sinken, während die roten Funken weniger wurden und komplett verschwanden, als sie wieder auf den Boden stand. „Krass." Krass war definitiv noch untertrieben. Das war- Wow. Wanda war immer noch einwenig sprachlos. Entwickelten sich ihre Kräfte weiter? War das möglich? „Probiere es nochmal." sagte ihr Bruder. Sie sah zu ihren Händen, bevor sie diese in Richtung Boden hielt und ein rote Energiewelle von ihren Händen ausging und Wanda wieder zum Schweben brachte. „Abgefahren..." murmelte sie und grinste breit. „Wer erster wieder am Hauptquartier ist? Du solltest es ja jetzt durchhalten, schließlich schwebst du über den Boden.""Okay, dann los." Bevor Wanda überhaupt nachdenken konnte, wie sie nun Vorwärtskommen sollte, war Pietro auch schon verschwinden. Sie verdrehte die Augen und drückte sich weiter vom Boden ab und schwebte ihrem Bruder hinterher. Wanda fühlte sich in diesem Moment, seit Tagen endlich wieder wie sie selbst, einfach frei von ihren Gefühlen. Doch dieses Gefühl hielt nicht lange an, denn als sie an dem kleinen Park vorbei flog, wo Natasha beerdigt wurde, sackte alles in ihr zusammen und die Trauer kam wieder zum Vorschein. Sie ließ sich zu Boden sinken und ging die letzten Meter auf Natashas Grab zu. Natalia Alianovna Romanova, lass Wanda stumm vom Grabstein ab. Sie spürte, wie sie anfing zu zittern und ein schluchzen sie überkam. Wanda hatte keine Ahnung, wie lange sie dort weinend stand, erst als etwas kaltes auf ihre Haut trat, sah sie auf und merkte dass es anfing zu regnen. „Alles okay?" fragte Pietro, der hinter ihr aufgetaucht war und ihr eine Hand auf die Schulter legte. Wanda nickte und drehte sich zu ihm. 10 Minuten später waren die beiden klitschnass am Hauptquartier angekommen. „Du hättest auch schon vorgehen können." sagte Wanda leise, doch Pietro schüttelte nur den Kopf. „Ich würde dich niemals alleine lassen." sagte er und Wanda schenkte ihm ein leichtes lächeln. „Kommst du mit zu den anderen?" fragte Pietro, als sie in den Fahrstuhl stiegen. „Ich möchte mir vorher nur trockene Klamotten anziehen."

*

Nachdem Wanda sich trockene Klamotten angezogen hatte, machte sie sich wieder auf den Weg zum Fahrstuhl und fuhr eine Etage runter, wo sie vom weiten schon mehrere Stimmen hörte. „Sie ist wirklich mit dir Joggen gegangen?" hörte sie eine belustigte Stimme fragen, die ziemlich nach Tony klang. „Mich wundert es wirklich, dass sie aus ihrem Zimmer gekommen ist." sagte eine weitere Stimme, Bucky. „Es ist ein Anfang. Ich bin einfach nur Froh, dass sie sich erstmal darauf eingelassen hat." sagte Pietro. Wanda ging noch näher ans Wohnzimmer ran und blieb still neben der Tür stehen. „Kleine Schritte sind besserer als gar keine. Nicht wahr?" kam es von Clint. „Geht ja auch garnicht anders, schließlich können wir Natasha nicht einfach von den Toden auferwecken. Auch wenn das wahrscheinlich am besten Helfen würde.""So einfach ist das leider nicht-„ den Rest von Tonys Satz bekam sie nicht mehr mit, denn sie drehte sich auf dem Hacken um und lief wieder zum Fahrstuhl. Wenn Wanda nur schnipsen müsste, damit sie Natasha wieder bekam, hätte sie es schon längst getan, so viel stand fest. Sie fuhr runter ins Erdgeschoss und ging zu den Trainingsräumen und hoffte, dass sie vielleicht dadurch auf andere Gedanken kam. Wanda brachte die verschiedensten Gegenstände zum schweben, konzentrierte sich darauf ein Ziel mit ihren Kräften zu treffen oder ihr Schutzschild zu verbessern. Doch auch hier wollte ihr Natasha nicht aus den Kopf gehen, überall im Hauptquartier kamen Erinnerungen hoch oder etwas erinnerte sie an ihre Freundin. Wanda hatte das Gefühl, als würde sie keine Luft mehr bekommen, sie von etwas in ihrem inneren erdrückt werden würde. Tief in ihrem inneren spürte sie, wie ihre Kräfte stärker, in ihr wuchsen und jeden Moment explodieren würden. Sie konnte und wollte nicht länger hierbleiben.

*

„Wäre das überhaupt möglich?" fragte Steve mit runzelnder Stirn. „Bestimmt, wenn man sich mehr mit Thema auseinandersetzt." Beantwortete Tony Steves Frage, als J.A.R.V.I.S Stimme erklang. „Sie haben Besuch von Ms. Belova, Sir. Soll ich sie rein lassen""Ja, bitte Jarvis." sagte dieser und stand auf. „Wüsstest du, dass sie kommt?" fragte Clint. „Nicht, dass ich wüsste.""Vielleicht will sie sich von Nat verabschieden?""Die Beerdigung war vor 3 Tagen. Da hätte sie kommen können." sagte Steve und sah sichtlich angenervt aus, als Yelena den Raum betrat. Alle sahen zu ihr und musterten sie. Yelena sah weder traurig, noch unglücklich über die Situation aus, eher so als wäre sie glücklich. Ihre gesamte Ausstrahlung wirkte zufrieden. Steve verstand überhaupt nicht, warum sie jetzt auf einmal auftauchte. Yelena war für Natasha, wie eine Freundin, vielleicht sogar wie eine Schwester. Niemand wusste genau, wie Nats Vergangenheit ausgesehen hatte, abgesehen von Clint, dieser sagte jedoch nichts, was natürlich verständlich war. „Ich... es tut mir wirklich leid." sagte Yelena nun und blieb in der Mitte des Raums stehen. „Ich wäre gerne früher gekommen...""Schon gut." sagte Clint und nickte ihr zu. „Wo kommst du eigentlich her?" fragte Tony und musterte sie interessiert. „Ich kam aus Sokovia. Daher brauchte ich auch so lange.""3 Tage nach der Beerdigung?" Steve schaute zwischen den beiden her. Worauf wollte Tony hinaus? Yelena schaute Tony irritiert an und trat von einem Bein auf das andere. „Ich bekam den Anruf am Abend, als Natasha gestorben war. Ich wollte sofort kommen, aber Fury hatte mich nicht gelassen, da er die Vermutung hatte, dass das KGB damit was zutun hatte. Nat war sowas wie meine Schwester, ich hätte mich gerne von ihr verabschiedet." sagte sie und klang einwenig verletzt. „Ich werde dann mal nach Wanda gucken" murmelte Pietro und nickte Steve zu, bevor er das Wohnzimmer verließ. „Ich kann dir ihr Grab zeigen." sagte Clint und ging auf Yelena zu. „Danke." sagte sie und folgte ihm aus dem Zimmer. Steve sah Tony mit hochgezogener Augenbraue hoch. „Was war das denn?" fragte er. „Ich wollte mich nur erkundigen.""So sah das für mich, aber nicht aus.""Sagt der, der Yelena wahrscheinlich mit einem Blick töten konnte." meinte Tony und sah Steve wissend an.

Echoes in the darkness {Scarlet Widow FanFiction} - AbgeschlossenWhere stories live. Discover now