Kapitel 2:

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Für mich war es keine große Sache, dem Direktor etwas vorzumachen. Lügen konnte ich gut, das musste ich mir aneignen, und dieses Mal sagte ich teils sogar die Wahrheit. Nachdem ich ihm ein Papier meines früheren Arztes vorlegte, eine Art Rezept das es mir erlaubte aufgrund von stark depressivem Verhalten legal bei der Apotheke Cannabis zu bekommen, war alles so gut wie geklärt.

Ich entschuldigte mich höflich für die Aufruhr, für die ich gesorgt hatte und meinte ich würde es ab sofort sicherer verstauen, sodass mir so ein Missgeschick nicht mehr passierte. Bisschen schleimen dies das.

Der Direktor nahm mir die Story erstaunlich gut ab, fragte nicht weiter nach und verabschiedete sich von mir mit einem Mitleidigem Gesichtsausdruck.

Unglaubliche zehn Minuten später öffnete ich triumphierend die Tür meines Klassenzimmers erneut. Alle Blicke waren auf mich gerichtet. So viel zum Thema unauffällig bleiben.

Ich gab dem Lehrer, wie ich mittlerweile herausgefunden hatte hieß er Mr. Walsh, das Schreiben des Direktors in dem er erklärte alles sei gut und wir hätten das abgeklärt. Mr. Walsh sah mich erstaunt an und nickte mir zu ich könne mich jetzt wieder setzen.

Der Platz neben mir war nun aber nicht mehr frei. Neben mir saß Er. Ohne ein Wort zu sagen oder ihn anzuschauen setze ich mich zurück an meinen Platz. „Hast mich vor einem Schulverweis bewahrt. Keine Ahnung wie du das gerade gemacht hast, aber danke." flüsterte Er mir von der Seite ins Ohr. Mir lief ein leichter Schauer über den Rücken. Es war also sein Gras...Wie kann man nur so unfähig sein!

Aber ich wollte ja nett sein, und mir wenigstens am ersten Tag noch keine Feinde machen. „Kein Ding" antwortete ich also knapp, ohne ihn anzusehen. Bloß nicht in seine Augen schauen. Ich verstand warum alle Mädchen ihn so anhimmelten, diese Augen...diese Aura die er ausstrahlte...ignorier ihn!

Die Stunde verging relativ schnell aber ich hatte die ganze Zeit das ungute Gefühl alle würden mich anstarren und über mich reden. Ich war mir unsicher wie ich mich verhalten sollte.

Als der Lehrer den Unterricht beendet und das Klassenzimmer verlassen hatte stand plötzlich ein braunhaariges Mädchen auf und rannte zu mir. „Heyy, ich bin Abi. Oh mein Gott was du da gerade gemacht hast...Hast du keinen Verweis bekommen? Warum hast du die Schuld auf dich genommen? Das war mega selbstlos von dir! Warum warst du so schnell wieder da? Was hast du dem Direk...mpfff..." ein blonder Junge mit wunderschönen blauen Augen hielt ihr den Mund zu und lachte.

„Hi, ich bin Jack Johnson, sie redet manchmal ein bisschen viel." sagte er lachend und sah Abi an, die sich gerade versuchte aus seinem Griff zu befreien. Ich fing auch an zu lachen: „Ich bin Liv." Endlich nahm Jack die Hand von Abis Mund, die sich mittlerweile wieder beruhigt hatte. „Tut mir leid", murmelte sie aber fing dann auch an zu lachen, „Aber im Ernst, wie hast du das vorhin gemacht?"

Mir war die Sache irgendwie unangenehm, sollte ich diesen fast fremden Menschen wirklich erzählen, dass ich es früher wegen meinen Depressionen verschrieben bekommen hatte? Aber sie schienen wirklich nett zu sein, anlügen wollte ich sie auch nicht jetzt schon.

Also hielt ich meine Antwort einfach sehr knapp: „Hab früher mal ein Rezept dafür bekommen, der Direktor hat mir abgekauft es wäre meins." Ich zuckte mit den Schultern. „Ohh...naja danke auf jeden Fall, du hast uns allen echt viel Ärger erspart." Sagte sie und lächelte mich an. „Magst du dich in der Mittagspause vielleicht zu uns setzen?" Jack sah mich erwartungsvoll an.

Sie schienen wirklich nett zu sein. „Klar, mega gerne" antwortete ich schnell, da in diesem Moment eine Lehrerin den Raum betrat und mit der nächsten Stunde anfangen wollte. Biologie.

Jetzt erst fiel mir auf, dass der schwarzhaarige Junge nun nicht mehr neben mir saß. Unauffällig sah ich mich im Klassenraum um, vielleicht hatte er sich einfach nur wieder weggesetzt. Aber ich konnte ihn nirgends entdecken. Er musste also das Zimmer verlassen haben...

***

Nachdem die Biologiestunde zur Hälfte vorbei war meldete ich mich und sagte, dass ich aufs Klo müsse. Ich stand auf und verließ den Raum. Glücklicherweise hatte ich die Toiletten auf dem Weg zum Direktorat schon entdeckt. Also lief ich durch den langen Korridor Richtung Toiletten. Ich begegnete niemandem, da alle gerade Unterricht hatten.

Als ich um die Ecke bog, sah ich etwas, was meine Adern gefrieren ließ. Ihn.

Seinen Namen wusste ich immer noch nicht. Er stand lässig gegen die Schließfächer gelehnt in einem dunkleren Teil des Korridors und...rauchte. Ich hasse Rauchen. Er konnte hier doch nicht einfach während dem Unterricht rauchen.
Er hatte sich nicht mal die Mühe gemacht dafür raus zu gehen. Ich war mir unsicher ob ich ihn ansprechen sollte oder ihn ignorieren und einfach zum Klo laufen.

Doch diese Entscheidung blieb mir nicht. Er ging auf mich zu und fixierte mich mit seinen Augen, die trotz des wenigen Lichtes grün leuchteten. Was wollte er von mir? Mittlerweile war er nur noch wenige Meter von mir entfernt. Der Zigarettengeruch stach mir in die Nase.

Anstatt sich vorzustellen oder hallo zu sagen kam er direkt zum Punkt: „Ich bin dir was schuldig." Eine Feststellung. Er kam näher. Ich ging einen Schritt zurück, hinter mir war die Wand des Korridors. „Ich hasse es in der Schuld von jemandem zu stehen." Jetzt war seine Stimme schroff-fast schon aggressiv. Selbstbewusst. Mein Kopf schaltete sich ab.

Auf einmal drückte er meine Schulter gegen die Wand und stützte seine andere Hand neben meinem Kopf ab. Ich sah nach oben in seine bedrohend und gefährlich wirkenden Augen. Sie zeigten keinerlei Emotionen. Ich konnte seinen Atem an meinem Gesicht spüren und atmete seinen Duft ein. Mein Herz raste. Er war viel zu dicht bei mir, seine Nähe machte mich verrückt. „Also sag...", er kam provozierend noch ein Stück näher, sein Gesicht war nun dicht vor meinem, „was willst du?" Meine Hände wurden feucht. Erstarrt und unfähig etwas zu antworten blickte ich in seine Augen.

Bad Boy. Good lips. Where stories live. Discover now