Teil 6: Independence Day (1)

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Als Steve am nächsten Morgen erwachte, war es draußen bereits hell.

Von den Vorhängen gedämpft, die leise im sachten Luftzug der geöffneten Fenster raschelten, fielen die Sonnenstrahlen ins Zimmer und malten ein sich stetig bewegendes Muster aus Lichtflecken und Schatten auf das Bett.

Vorsichtig zog er seinen Arm unter dem Kopf von Tony hervor, der die Stirn an Steves Schlüsselbein gelehnt hatte und mit offenem Mund leise schnarchte. Er machte ein protestierendes Geräusch, als Steve sich zurückzog und aufstand, aber er wachte nicht auf, sondern zog stattdessen Steves Kissen zu sich heran und schlang die Arme darum.

Der andere lächelte still, während er ihn betrachtete.

Er konnte immer noch nicht fassen, dass er in der Nacht zuvor tatsächlich endlich den Mut aufgebracht hatte, diesen Schritt zu wagen. Nicht nur, weil all dies für ihn weitgehend unbekanntes Terrain war, sondern auch, weil er niemals gedacht hätte, dass es Tony sein würde, zu dem er je eine solche Zuneigung entwickeln würde.

Als er ihn kennengelernt hatte, hatte er kaum ein Wort von dem modernen Jargon verstanden, den Tony für gewöhnlich zu sprechen pflegte, und er hatte sich schrecklich dumm und altmodisch in seiner Gegenwart gefühlt. Auch Tonys oberflächliche, respektlose und vorlaute Art, sowie seine Liebe zu schnellen Autos und wilden Partys hatten ihn eher abgestoßen, und wenn ihm jemand noch vor einem knappen Jahr gesagt hätte, dass er eines Tages freiwillig mit dem anderen Mann im selben Bett schlafen würde, hätte er ihn zweifellos für verrückt erklärt.

Doch die letzten Monate hatten gezeigt, dass erste Eindrücke manchmal doch trogen, und dass sich hinter Tonys Fassade ein sehr scharfsinniger und mutiger Mann verbarg, der alles tun würde, um seine Freunde und die Bürger New Yorks vor Schaden zu bewahren, selbst wenn es ihn das eigene Leben kosten sollte.

Steve hatte sich oft gefragt, wie viele Leute abgesehen von Pepper, Rhodey und den Avengers sich eigentlich jemals die Mühe gemacht hatten, Tony besser kennenzulernen und diese andere Seite an ihm zu entdecken... Wenn man sah, wie sich die Medien die Mäuler über ihn zerrissen, konnten es nicht allzu viele sein, und das stimmte Steve seltsam traurig.

Er hatte Tony in den letzten Wochen und Monaten nicht nur als Freund zu schätzen gelernt, sondern sich auch eingestehen müssen, dass er Gefühle für ihn empfand, die weit über bloße Freundschaft hinausgingen. Lange hatte er diese Gefühle nicht identifizieren können, doch nach den Ereignissen der letzten Tage und besonders Tonys Absturz, der den anderen Mann fast das Leben gekostet hatte, wusste Steve mit absoluter Sicherheit, dass er Tony brauchte und ihn in seinem Leben nicht mehr missen wollte.

Er beugte sich zu ihm hinab, um seinen dunklen Haarschopf zu küssen, und warf ihm noch einen letzten, warmen Blick zu, bevor er seine Sachen nahm und leise das Zimmer verließ.

Aufgrund der Feier in der Nacht zuvor und der frühen Stunde hatte Steve gedacht, dass der Rest der Avengers noch schlafen würde. Umso erstaunter war er, als Natasha ihm im Morgenmantel entgegenkam, eine Kaffeetasse in der Hand. Sie zog vielsagend eine Augenbraue hoch, als sie sah, aus welchem Zimmer er kam, und Steve konnte nicht verhindern, dass ihm das Blut in den Kopf schoss. Sie nickte ihm jedoch nur zu und verkniff sich jeden Kommentar, wofür er ihr unendlich dankbar war.

Clint, der ihr auf nackten Füßen folgte und nichts weiter anhatte als ein Paar Snoopy-Boxershorts, tat ihm den Gefallen allerdings nicht.

Er stieß einen leisen Pfiff aus, als er Steve erblickte.

„Ich fasse es nicht... habt ihr es etwa endlich geschafft?", fragte er grinsend. „Wurde aber auch langsam Zeit, ehrlich. Ich habe die ganze sexuelle Spannung im Tower kaum noch ausgehalten."

Here We Are Now | (Steve x Tony)Where stories live. Discover now