Kapitel 33

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Ich wurde von etwas Nassem geweckt.

Sofort schlang ich schützend meine Arme um meinen Kopf. Da das feuchte Etwas begann, auch meine Hände zu bearbeiten, versuchte ich nach hinten auszuweichen, doch es schien mich zu verfolgen.

Vorsichtig öffnete ich meine Augen und sah wider Erwarten nicht dem Bösen ins Gesicht. Es war eher das Gegenteil. Zwei treudoofe Hundeaugen sahen mich an. Es war der Hund, mit dem Helena - oder besser gesagt Venus - spazieren gegangen war.

"Hör auf!", ließ ich den Hund streng wissen und schob ihn von mir weg.

Er gehorchte sofort und nahm ein wenig Abstand. Er beobachtete mich auf eine unheimliche Art und Weise.

"Schau nicht so!", murrte ich genervt und verunsichert zugleich.

Was war mit mir geschehen?

Ich sah mich um. Der Raum hatte keine Fenster, doch es war auch kein dunkles Kellerverlies. Es gab eine Couch, einen Sessel und einen kleinen Tisch. Ein Regal, das an der Wand hing, trug ein paar Bücher. Über mir hing ein riesiger Kronleuchter und ich vermutete, dass ich noch immer in der alten Stadtvilla war. Es war fast schon wohnlich hier.

Ich ließ mich auf das Sofa fallen.

"Und jetzt?", fragte ich mich selber.

Der Hund sprang neben mich auf die Couch und legte seinen Kopf auf meinen Schoß.

"Du bist aber ganz schön anhänglich", ließ ich ihn wissen und streichelte ihn hinter den Ohren.

Warum ließ sie mich hier überhaupt mit ihrem Hund im Raum? Er sah ziemlich zerzaust aus, was so gar nicht zu dem gepflegten Äußeren von Venus passte. Es löste in mir das Bedürfnis aus ihn noch intensiver zu streicheln. Dieses arme Ding bekam sicherlich keine Liebe von Venus und wurde vollkommen vernachlässigt.

"Na, fühlt sich das gut an?", fragte ich, als ich ihm den Bauch rieb.

Freudig wedelte er mit dem Schwanz.

Wie viel Zeit wohl schon vergangen war? Ob Mama und Jupiter mich wohl schon suchten? Ihnen musste mein Fehlen doch aufgefallen sein.

Plötzlich schwang die Tür auf. Der Hund sprang auf meinen Schoß und bellte. Es machte ihn sehr sympathisch, dass er Venus genauso wenig leiden konnte wie ich.

Venus lachte gehässig.
"Wie ich sehe, habt ihr Köter euch schon angefreundet", begrüßte sie mich kalt und stellte eine Flasche Wasser und ein Trinknapf ab.

Immerhin würden wir nicht verdursten.

Ich drückte den Hund fest an mich. Irgendwie fühlte ich mich mit ihm verbunden. Sofort funkelte Venus mich böse an.

"Was soll das?", fragte ich sie. "Warum sperrst du mich hier ein?"

Sie lächelte.

"Was glaubst du wohl?", entgegnete sie und ließ ihren Blick kurz auf meinen Bauch fallen.

Mein Kinnlade klappte nach unten. Ich begriff.

"Nein!" sagte ich. "Du willst das Kind?"

Sie schüttelte zu meiner Überraschung jedoch den Kopf.

"Nein, nicht wirklich. Was will ich mit so einem Plagegeist. Alles, was ich will, ist, dass dieses Kind nicht existiert."

Ich schluckte schwer.
"Du willst es umbringen?"

"Ich habe Jupiter versprochen, dass ich dir nichts antun werden. Von seinem Enkelkind war nicht die Rede. Ich muss vielleicht ein bisschen Geduld haben, aber irgendwann wird es rauskommen und dann wirst du nichts mehr tun können, um das Kind zu beschützen."

Wütend ballte ich meine Fäuste. Der Hund begann ebenfalls wild zu kläffen, als hätte er Venus' Worte verstanden.

Das würde ich nicht zulassen!

"Wie grausam kann man nur sein. Hat Amor dich wirklich so sehr verletzt, sodass du nicht einmal ein Fünkchen Liebe mehr in dir hast?"
Bei dem Wort "Amor" war sie erstarrt. Es war ganz offensichtlich ihre Schwachstelle.
"Lass ihn daraus!", mahnte sie mich mit ihrer kalten Stimme.

"Nein, denn genau er hat dich doch zu so einem verbitterten Wesen gemacht. Er hat dein Herz gebrochen und dich zurückgelassen. Dabei war er doch deine große Liebe. Und nachdem er dich zutiefst verletzt hat, ist er einfach abgehauen und ward nie mehr gesehen."

Venus war blass geworden, doch sie wahrte trotzdem ihren anmutigen Schein.

"Du irrst dich! Er ist nicht abgehauen. Ich weiß ganz genau, wo er ist. Denn ich habe ihn verschwinden lassen, du Neunmalschlau!"

Mit großen Augen starrte ich sie an. Damit hatte ich nicht gerechnet.

Sie hatte ihn?

Hielt sie ihn genau fest wie mich?

Und zwar schon seit Jahrhunderten?

"Du hältst dich vielleicht für etwas Besseres, aber glaube mir, du bist noch dümmer als der Hund neben dir!", fauchte sie.
Mit diesem Wort schmiss sie die Tür wieder zu. Der Hund lief bellend durch den Raum. Ich sackte derweil in mich zusammen und sah auf meinen Bauch herunter. Die Vorstellung, dass er nie eine Chance bekommen würde, trieb mir die Tränen in die Augen. Das war doch mein Sohn. Mein Kind.

Dann kam der Hund zurück und schmiegte seinen Kopf gegen meinen Bauch. Ob er spüren konnte, dass dort drin noch jemand war. Konnte er vielleicht sogar den Herzschlag hören?

"Wenn du nur wüsstest", flüsterte ich ihm zu und streichelte ihn dankbar.

Eine Träne tropfte auf sein Fell.

Wieder sah mich der Hund auf eine Art und Weise an, die mich ein wenig zurückschrecken ließ. Seine dunklen Augen hatte mich fixiert, als wolle er mir etwas sagen, konnte es jedoch nicht.

Und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
Ich sprang panisch auf.

"OH MEIN GOTT!", schrie ich hysterisch. 

AmoraWhere stories live. Discover now