Kapitel 27

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"Bist du aufgeregt, Schatz?", erkundigte sich meine Mutter. "Immerhin hörst du jetzt das erste Mal das Herz deiner Tochter schlagen."

Ich war nicht aufgeregt, sondern panisch. Ich wollte es nicht hören und nicht sehen. Dieses Kind sollte einfach nicht existieren.

Noch nie zuvor war ich bei einem Frauenarzt gewesen. Da ich die Pille nie gebraucht hatte und sexuell nicht aktiv gewesen war, hatte meine Mutter nie die Notwendigkeit gesehen mich mit einem Frauenarzt bekannt zu machen.

"Sehen die nicht, dass ich Jungfrau bin?", fragte ich unschuldig und wohlwissend, dass ich es nicht mehr war.

"Nein, wir Amora besitzen so etwas wie ein Jungfernhäutchen nicht. Sie wird keinen Verdacht schöpfen."

Hätte sie sowieso nicht, dachte ich insgeheim. Meine Mutter würde vermutlich einen Nervenzusammenbruch erleiden, wenn sie wüsste, dass ich Sex hatte.

Die Ärztin zeigte sich sehr überrascht, dass wir jetzt erst beim Frauenarzt auftauchten. Schließlich war ich ihrer Meinung nach schon im vierten Monat und hätte längst zu einem Vorsorgetermin kommen sollen.

Nach einem langen Streitgespräch hatte ich mich schließlich dazu breitschlagen lassen, dass Mama mit dabei sein dürfte. Es war ihr so unglaublich wichtig das Ding auf dem Monitor sehen zu können.

Ich schaffte nicht einmal an meinem Körper herunterzusehen, weil dort diese Wölbung war, die ich schon bald nicht mehr verstecken konnte.

"Das siehst alles sehr gut aus. Ihre Werte sind gut, das Kind ist hervorragend entwickelt, das Herz schlägt kräftig. Nehmen Sie in Zukunft aber bitte trotzdem alle Vorsorgetermine wahr!"
Mama lächelte zufrieden, während sie das Schwarz-Weiß-Bild ansah.

"Schau dir dieses Wunder an", säuselte sie. "Nicht mehr lange und dann wirst du sie in den Armen halten können."

Mir entging nicht, dass die Ärztin ihre Stirn in Falten legte.

"Wie kommen sie darauf, dass es ein Mädchen ist?", fragte die Ärztin neugierig.

Mama zuckte unschuldig mit den Schultern.

"Ach, das ist nur so ein Gefühl", sagte sie beiläufig.

"Das Geschlecht bei dem Kind ist schon gut sichtbar ausgebildet. Wollen sie, dass ich ihnen sage, was es wird?", erkundigte sich die Ärztin.

Mama sah mich mit einem süffisanten Gesichtsausdruck an.

"Du entscheidest", kicherte sie in meine Richtung.

Natürlich kannten wir beide bereits das Geschlecht.

"Ja, gerne", maulte ich, weil ich vom Auftritt meiner Mutter zutiefst genervt war.

"Es ist bei diesem Kind schon sehr gut erkennbar, dass es ein Junge wird", verkündete die Ärztin mit einem freundlichen Lächeln und zeigte mit dem Finger auf den Bildschirm. "Hier können sie es gut sehen."

Man hätte nicht nur eine Stecknadel, sondern auch eine Feder fallen lassen können und man hätte es gehört. So still war es im Raum geworden

Die Ärztin blickte völlig verwirrt drein und schien die Welt nicht mehr zu verstehen.

"Nein", widersprach meine Mutter mit deutlicher Verunsicherung. "Das ist unmöglich. Das kann kein Junge sein."

"Doch, ganz sicher! Hier können Sie es sehen. Es tut mir leid, dass es nicht die erwünschte Enkeltochter ist, aber ich bin mir sicher, dass auch ein Enkelsohn ihn sehr viel Freude bringen wird."
"Nein", brachte meine Mutter im Schock hervor. "Das kann nicht sein! Das kann nicht sein! Wie ist das möglich?"

AmoraWhere stories live. Discover now