Mit geweiteten Augen versuchte ich den Kloß in meinem Hals runter zu schlucken. Mein pochender Kopf ließ diese Worte immer und immer wieder abspielen in der Hoffnung, dass es beim zweiten oder dritten mal weniger in mir zischte, doch ich hatte einfach nur das Gefühl die letzten zwei Sekunden immer und immer wieder zu erleben. Meine Enttäuschung war gar nicht mehr zu verbergen. Sie saß mir im Gesicht wie eine Brille auf der Nase und scheute sich nicht mehr davor gesehen zu werden. Ich konnte das jedoch nicht auf mir sitzen lassen. Ich konnte meine Fassade nicht so einfach auffliegen lassen und ihr mein Leid preisgeben.

,,Warum rufst du dann nicht ihn an, sondern mich?", kam aus mir rausgeschossen. ,,Ich würde das nicht akzeptieren, wenn meine Freundin Nachts mit 'nem anderen Typen chillt" Gerade, als ich mich aufrichten wollte, hielt sie ihre Hand über meine Schulter. In der letzten Sekunde überlegte sie es sich anders und legte sie nicht ab. Obwohl sie mich nicht berührte, brachte sie mich zum Stillstand und hinderte mich vom Aufstehen.

Ihre Miene entspannte sich. Ihr Ton klang nicht weiter belustigt. ,,Weil nicht ich seine Freundin bin", sprach sie mit warmer Stimme.

Ich atmete die gesamte Luft aus meinen Lungen die ich angehalten hatte, wie das aufgestaute Wasser eines Dammes. Erleichtert lehnte ich mich wieder zurück auf meine Hände. Um das Ganze erst einmal verarbeiten zu können, brauchte ich einen Moment. Bevor mein Verstand bereit dafür war, neues aufzunehmen, fuhr sie fort. ,,Sondern Ela.."

Was? Verwirrt huschten meine Augen hin und her, während ich nochmal überlegte, ob ich auch wirklich richtig verstanden hatte, was sie von sich gegeben hatte.

,,Meine Schwester?", rief ich schockiert, als ich endlich wieder zu mir kam. Überstürzt von meiner eigenen Wut, die genau in dieser Sekunde auf 180 schoss, sprang ich auf.

,,Aliya, lass mich los!", zischte ich mit zusammengekniffenem Kiefer. Ich versuchte meinen Zorn nicht an ihr auszulassen, doch sie tat es mir schwer und ließ nicht locker. ,,Was hast du denn vor? Ihn verprügeln oder was?" Noch immer aufgebracht zog sie an meinem Arm mit ihrer gesamten Kraft. ,,Ja. Genau das habe ich vor" Ich versuchte mich noch immer aus ihrem Griff zu lösen, ohne zu doll zu ziehen. Ich wollte ihr nicht weh tun. ,,Beruhig dich doch mal! Was übertreibst du denn so?", schrie sie mich an und stellte sich nun mit ausgebreiteten Armen vor mich hin. Kaum hob ich sie an und stellte sie zur Seite ab, rannte sie wieder vor mich und stützte nun beide Hände mit ausgestreckten Armen gegen meinen Körper. ,,Willst du mich verarschen oder so? Es geht um meine Schwester und in ihrer Nähe hat weder dieser Schwanz, noch irgendein anderes männliches Wesen was zu suchen!" Sie machte es mir echt schwer meine Stimme ihr gegenüber nicht zu heben.

,,Aber dass du was mit 'ner Million Mädchen hattest geht klar, ja?", warf sie mir in einem sarkastischen Ton an den Kopf.

,,Jede Einzelne von denen war 'ne Schlampe, das zählt nicht!", spuckte ich ohne nachzudenken aus.

Die unter voller Spannung stehende Falte zwischen ihren Augenbrauen lockerte sich langsam und sie löste ihre Arme von mir. Konzentriert sah sie mir eine Weile direkt in die Augen. Ihre zuvor verkrampften Schultern ließ sie zusammen mit ihrem Atem immer weiter fallen.

,,Jede Einzelne, ja?", fragte sie leise. Seufzend biss ich mir auf Lippe und schloss ,verärgert über mich selbst, die Augen, als ich realisierte, wie meine Worte klangen. Diesmal wollte ich nach ihrer Hand greifen, doch mit einem kleinen, enttäuschten Lachen zog sie ihren Arm weg. Ihre Augen blieben hierbei die ganze Zeit bei mir.

,,Du bist doch die Erste, die Abstreitet, dass wir etwas miteinander hatten." ,,Du bist doch der Erste, der darauf besteht"
Für einen undefinierbar langen Moment herrschte eine bittere Stille, in der wir nichts anderes taten als uns anzusehen. Ich bereute meine Worte sofort.

Ego vs. EgoWhere stories live. Discover now