I Need You To Hate Me ~ JC Stewart

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In der Pause geselle ich mich wie gewöhnlich zu meinen Freunden, wobei mein Augenmerk auf Macy liegt. Ich werde den Gedanken nicht los, dass sie das Mädchen sein könnte, das ich gesucht habe. Krampfhaft überlege ich, was ich zu ihr sagen könnte zumal wir normalerweise gar nicht miteinander reden. Sie sagt generell erstaunlich wenig, aber wenn sie es wirklich sein sollte, möchte ich unbedingt mehr Kontakt mit ihr haben.
Vielleicht könnte ich ihr ein Kompliment für ihren Musikgeschmack geben.

Ich tippe Jason neben mir an, der seit Beginn der Pause mit den Kopf in seinen Armen vergraben auf dem Tisch hängt. Er reagiert nicht.
"Ey", probiere ich seine Aufmerksamkeit zu erlangen- ohne Erfolg.
Ich brauche einige Sekunden, um zu realisieren, dass er mich nicht ignoriert, sondern tief und fest schläft.

Überfordert mit der Situation überlege ich, was ich jetzt am besten mit ihm machen sollte.
"Lass ihn erstmal schlafen", rät mir Jo. They hat wohl mitbekommen, wo ich mut meinen Gedanken war. "Ich glaube er braucht ein wenig Schlaf. Macy hat mir erzählt, dass es Aliya gestern Nacht nicht sonderlich gut ging, weshalb er sich um sie kümmern musste. Ich wette er hat seine eigenen Bedürfnisse mal wieder komplett vernachlässigt."

Ich nicke. Das klingt wirklich nach Jason. Sanft streiche ich ihm über den Rücken. Allmählich mache ich mir wirklich Sorgen um ihn. Er hat viel mehr Last auf seinen Schultern als ein einzelner Mensch tragen sollte und dennoch probiert er alles so zuverlässig zu erledigen, wie es nur geht und stellt sich selbst dabei ganz hinten an.

Die Pause vergeht ohne dass Jason von alleine wach wird.
Behutsam schüttele ich ihn, bis er nach oben schreckt. Zunächst streckt er sich und schaut mich dann verschlafen und hilflos wie ein Welpe an.
"Du hast jetzt Unterricht", kläre ich ihn auf, da er selbst noch nicht wach genug zu sein scheint, um das zu realisieren.
Mit einem Satz springt er auf, nur um sich danach am Tisch abstützen zu müssen.
"Mir ist schwindelig und ich sehe nichts", beschwert er sich.

"Das wird gleich wieder, du bist einfach nur zu schnell aufgestanden", beschwichtigt ihn Macy. Ihre Stimme ruhig und sanft. Es überrascht mich, dass sie noch hier und noch nicht auf dem Weg zu ihrem Klassenraum ist wie der Rest unserer Clique. Ich lächle in ihre Richtung in der Hoffnung, dass mich das in ihren Augen sympathischer macht, doch so wie es aussieht bemerkt sie es nicht einmal.

"Ihr könnt ruhig loslaufen, bevor ihr noch wegen mir zu spät kommt", bietet uns Jason an, aber niemand von uns bewegt sich auch nur ein Stück. Jason ist schlicht weg wichtiger als ein paar Minuten Mathe.
"Tut mir echt leid, Leute", entschuldigt er sich unnötigerweise, als er bemerkt, dass wir ihm nicht von der Seite weichen. "Es geht auch schon wieder."
Diesmal richtet er sich um Einiges langsamer auf. Trotzdem kneift er die Augen zusammen und verzieht den Mund.

"Sicher dass alles okay ist?", fragt ihn Macy, bevor ich es kann.
Sofort nickt Jason. "Mein Kopf dröhnt nur ein wenig, aber es geht schon." Gekonnt versteckt er seine Schmerzen hinter einem freundlichen Lächeln, dass sein Grübchen auf der rechten Wange zum Vorschein bringt. Besorgt mustere ich ihn. Dieses Verhalten ist so so typisch Jason und ich kann nicht sagen, ob das eine Eigenschaft an ihm ist, die ich hasse oder liebe.

In einer geschmeidigen Bewegung ergreift Macy Jasons Hand. " Ich bringe dich nach Hause. Keine Widerrede", entscheidet sie über ihn. Ich halte das auch für das Beste.
"Du hast aber Unterricht", widerspricht ihr Jason. "Ich komme auch alleine zurecht."

"Ich wollte heute ohnehin schwänzen. Es ist nicht schlimm, wenn ich fehle. Ich fühle mich sowieso nicht so sehr nach Sport",gesteht sie, was mich ein wenig verwundert. Von Macy hätte ich nicht erwartet, dass sie mutwillig Unterricht verpasst, aber mir soll es recht sein. Nur geht damit meine Chance, irgendwie von der Schule wegzukommen. Jedenfalls glaube ich kaum, dass mich meine Eltern abholen würden.

Bevor die beiden verschwinden, wünsche ich Jason eine gute Besserung. Dann mache ich mich endlich in Richtung Matheunterricht auf, wofür ich das Foyer einmal durchqueren muss. Auf der anderen Seite sehe ich wie Jean mit einigen Freunden- zumindest nehme an, dass es ihre Freunde sind- an einem Tisch sitzt und mit Kopfhörern in den Ohren ein Buch liest. Zwei andere zeichnen und hören dabei auch, soweit ich es erkennen kann, Musik. So wie aussieht haben sie eine Fteistunde. Ich überlege kurz, ob ich Jean hey sagen sollte, entscheide mich aber dagegen. Die meisten mögen mich nicht sonderlich und ich will keinen schlechten Eindruck machen. Ich weiß nur, wie sie heißt , wodurch wir nicht gleich Freude oder Ähnliches sind.

Ohne den Mädchen einen weiteren Blick zu würdigen, laufe ich weiter. Allerhöchstens 6 oder 7 Minuten zu spät betrete ich den Raum, schließe leise die Tür hinter mir und setze mich auf meinen Platz neben Jannah.
Ein wenig mulmig werfe ich Frau Jeremy einen Blick zu. Beinahe hätte ich erwartet, dass sie mich ermahnt, doch stattdessen ignoriert sie meine Verspätung komplett und setzt den Unterricht so fort, als wäre nichts gewesen.
Dafür liebe ich diese Frau. Davon einmal abgesehen, dass sie die beste Mathelehrerin ist, die diese Schule zu bieten hat, behandelt sie Schüler mit einer gewissen Würde, was man nicht von allen Lehrern behaupten kann.

Ich habe schon so oft verletzende Kommentare gehört und auch wenn sie lustig klangen und ich stets lässig darauf reagiert habe, haben mir einige echt wehgetan.
Als ich die elfte Klasse wiederholen musste, hat mir mein Klassenlehrer geraten, besser aufzugeben, da ich die Schule eh nicht packen würde.
Am Ende des Tages habe ich mehr Beleidigungen von Lehrern als von Schülern gehört, die sowas vermutlich nie wagen würden. Wenn Schüler mobben, soll man das den Lehrern melden- doch was ist wenn es die Lehrer tun und es niemanden interessieren würde ?

Ich habe schon von mehreren Lehrern gehört, dass ich als Loser enden und nie wirklich glücklich werde oder dass ich einfach nur Aufmerksamkeit möchte, weil ich eigentlich verwahrlost as fuck bin, wobei ich bezweifle, dass wirklich "as fuck" gesagt wurde.
Wenn bei Gruppenarbeiten gelost wurde, wurden auch schon häufiger meine Gruppenmitglieder bemitleidigt.
Das schlimmste an dem Ganzen ist, dass ich nicht einmal sagen kann, dass sie alle zwingend falsch liegen. Vielleicht haben sie recht mit mir. Ich habe eigentlich auch schon den Glauben daran verloren, dass je was aus mir wird.

So wirklich Probleme habe ich mit der Situation trotzdem nicht. Ich kann damit locker flockig umgehen und oft macht es mir sogar Spaß zu kontern und laut meine Meinung preiszugeben. Zugegebenermaßen stehe ich gerne ab und zu im Mittelpunkt, selbst dann wenn es wegen negativen Dingen ist.

Ich hole meine Mathesachen aus der Tasche und mein Blick fällt auf die Tafel, damit es so aussieht als würde ich aufpassen. Dann beginnt auch schon die Arbeitsphase, in der uns Frau Jeremy für gewöhnlich Musik hören lässt, einfach weil sie eine coole Socke ist.

"Willst du?", fragt mich Jannah und hält mir ein Kaugummi hin, während ich gerade probiere meine Kopfhörer zu entknoten. Ich verstehe nicht, wie die Kabel sich so schnell ineinander verfangen können, obwohl ich sie nur kurz in meiner Jackentasche hatte. Ich unterbreche meine Arbeit, um dankbar das Kaugummi anzunehmen.
Danach beobachte ich, wie Jannah ihre eigenen Kopfhörer hervorholt. In einer geschmeidigen Bewegung streicht sie ihre welligen Haare hinter die Ohren und steckt dann den ersten Hörer ins Ohr. Sie hat solche kabellosen Kopfhörer, die ich mir nie im Leben leisten könnte.

Als ich meine Musik einschaltete, habe ich eigentlich erwartet, dass ich meine Lieder hören könnte, besonders da wir Unterricht haben, aber dem ist nicht so. Statt meiner Playlist läuft "I Need You To Hate Me" von JC Stewart.
Ich schiele zu meiner Sitznachbarin hinüber, die augenscheinlich konzentriert an den Aufgaben arbeitet.
Was ist wenn ich mit Macy doch falsch lag und es eigentlich Jannah ist?

Das nächste Chap wird wahrscheinlich, wenn ich mich an meine eigenen Pläne halte, aus Jasons Sicht sein. Ich hoffe das stört niemandem c:

Deine MusikWhere stories live. Discover now