Be Like Me ~ Lowborn

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"Ich denke das ist eher unwahrscheinlich", meint Jason. Seine Augen hat er auf den Neuankömmling gerichtet. Von oben bis unten mustert er ihn. "Irgendwie wirkt der anders.. Außerdem müsste der noch immer hinter Gittern sein."
Macy presst die Lippen aufeinander und rückt auf der Sitzbank ein Stück näher an Jason ran.
"Du bist hier nicht alleine. Selbst wenn er es sein sollte, wir sind bei dir. Aber ich glaube echt nicht, dass er das ist."

Mir ist klar, über wen sie reden. Auch wenn ich keine Details habe, weiß ich was damals so ungefähr passiert ist.
Es wäre auch schwer gewesen das vor uns zu verheimlichen. Vor allem da das Ereignis immer noch Auswirkungen auf Macys Psyche hat.

Macy wurde vergewaltigt.

Seitdem lässt sie keinen anderen Jungen außer Jason an sie ran und Jason auch nur, weil er damals die Person war, die sie damals mehr oder weniger gerettet hat. Viel weiß ich darüber, was passiert ist, nicht, aber es war so heftig, dass der Täter Jason zwei Finger gebrochen hat.
Auch ist Macy ziemlich ängstlich, was wohl ebenso daher kommt. Ganz sicher kann ich das aber auch nicht sagen, weil ich sie vorher nicht kannte. Ich weiß nur, dass sie aufgrunddessen in psychologischer Behandlung war und sogar ein Jahr Pause von der Schule gemacht hat. Demnach muss sie das Geschehene also ziemlich mitgenommen haben.

Für eine Weile sind wir ruhig. Wir reden nicht mehr über den suspekten Kerl mit der geschmacklosen Frisur. Doch obwohl es still geworden ist, ist er immer noch nicht aus Macy's Kopf verschwunden. Sie kann einfach nicht die Augen von ihm lösen.

Ohne dass ich es bemerke, steht der junge Mann vom Tisch nebenan auf und nähert sich uns. Erst als er nicht mehr weit von uns entfernt ist, fällt er mir auf.
Macy klammert sich fester an Jason, welcher wiederum seine Muskeln anspannt und so aussieht als würde er sich gleich auf den Fremden stürzen.
Die Stimmung ist angespannt.

"Warum schaust du so zu mir hinüber?", spricht der Kerl Macy direkt an und stützt sich mit seinen Armen auf unseren Tisch ab. Sein Blick geht direkt in ihre Augen.
Sie zittert.

"Ich.. also.. d-das..", stottert sie vor sich hin, so als würden ihr die Wörter von einem Tornado weggefegt werden, ehe sie einen vollständigen Satz bilden kann. "..Also..", setzt sie wieder an, kommt aber nicht darüber hinaus.

"Geh einfach wieder", knurrt Jason ihn bedrohlich an, woraufhin der Fremde ein wenig zusammenzuckt.

"Ich will echt nichts von deiner Freundin.. Sowas macht mich nur ein wenig.. nervös", versucht er sich zu erklären. "Ich heiße übrigens Yukas." Er will seine rechte Hand zu Macy oder Jason halten, damit die diese schütteln können, aber soweit kommt es erst gar nicht..
Ungeschickt stößt er das Glas mit dem Zitronenwasser um, sodass es direkt auf ihrem weißen T-Shirt landet, das nun nass an ihrer Brust klebt.

Macy ist wie erstarrt. Sie rührt sich kein Stück.
Sofort reagiert Jason. Mit einem Hangriff zieht er sich seinen Hoodie, unter dem er noch ein Hemd trägt, aus und legt ihn über ihren Körper.
Ruckartig steht er auf und läuft auf diesen Yukas zu, der verängstigt einen Schritt nach hinten macht.

Er nimmt seine Hände nach oben. "Das wollte ich nicht. Entschuldigung. Es tut mir leid.. Ich bezahle auch ein neues Getränk..", verteidigt er sich. Ich weiß nicht, ob ich mich vertue, aber er scheint ein wenig unruhig zu sein. Konnte er wirklich der Kerl von damals sein? Erkannte er Jason und Macy wieder?

Mir fällt auf, dass Yukas ungefähr auf derselben Höhe wie Jason ist, obwohl es sich bei Jason schon um einen der größeren Kerle handelt. Beide sind mindestens 1,90m groß.

"Gibt es hier ein Problem?", erkundigt sich auf einmal Ralston, der bemerkt haben muss, dass etwas falsch ist und daher gekommen ist.
Heftig nickt Jason. "Dieser Kerl"- er zeigt auf Yukas- "hat Macy's Getränk über sie geschüttet", erzählt er was passiert ist.
"Nicht mit Absicht..", ergänzt Yukas, der mit seinen Armen seinen Bauch umklammert, so als wäre ihm übel.
"Dasselbe..", grummelt Jason und nimmt wieder Platz.

Ohne nur mit der Wimper zu zucken, entscheidet Ralston den Fremden aus der Bar zu werfen. Irgendwie war klar, dass er auf unserer Seite ist. Er muss außerdem verstanden haben, wie ernst die Lage ist.

"Vielen Dank", murmelt Macy, nachdem er zur Tür hinaus ist. Sie drückt Jasons Hoodie fest gegen ihre Brust.
"Ach, kein Ding. Der war mir eh von Anfang an ein wenig suspekt". Ralstons Blick geht in Richtung Tür. Ich glaube in Wirklichkeit ist er sich nicht sicher, ob er das Richtige getan hat.

Kurz später gehen Jason und Macy noch zu den Toiletten, damit Macy ihr nasses Oberteil gegen Jasons Hoodie ersetzen kann. Ich dachte dass unser Treffen danach so richtig losgehen kann, doch damit ich lag falsch. Die Stimmung ist bereits tot. Auch als das Essen geliefert wird, hat niemand Appetit.
Wir zwingen das Essen viel eher in uns hinein, als dass wir es genießen können.

Plötzlich räuspert sich Jo.
"Das ist jetzt vielleicht der falsche Moment, um das anzusprechen.. aber ich wollte euch, um etwas bitten", unterbricht sie auf einmal unsere zuvor herrschenden Stimme. Sogleich ist meine Aufmerksamkeit auf sie gerichtet.
"Um waf denn?", fragt Eric mit vollem Mund und legt den Kopf schief.

Nervös kaut sie auf ihrer Unterlippe rum. "Ich bin mir nicht so ganz sicher... aber ich würde gerne etwas ausprobieren.. Ich kann noch nicht sagen, ob ich das für immer möchte, aber so soll es auch nicht bleiben.. und irgendwie muss man ja anfangen.. Und ich traue mich nicht es anderen zu erzählen.."

"Was ist es denn?", will Eric diesmal ohne Essen im Mund wissen. "Aber egal, was es ist, bei so unglaublich tollen Freunden wie uns musst du keine Angst haben, es zu erzählen." Er grinst breit, was auch ihr ein leichtes Grinsen entlockt.

"Ich glaube ich bin nonbinary", gesteht Jo schließlich.

"Oh", entweicht es mir. Ich kann mit dem Term zwar was anfangen, habe aber bisher keine Erfahrungen gemacht. Ich schlucke.
"Danke für's Anvertrauen", sagt Jason nett wie immer mit einem Lächeln. "Welche Pronomen sollen wir für dich verwenden? Und was ist mit deinem Namen?" Ganz nebenbei schiebt er sich eine Pommes in seinen Mund.

"Ich dachte an They und Them. Ich hoffe das ist nicht zu kompliziert.. Ich glaube nur, dass ich mich damit wohler fühle, aber es ist auch nicht schlimm, wenn ihr das falsch macht und ich bleibe einfach bei Jo. Der Name ist doch unisex", antwortet they und starrt dabei auf their Teller.

"Pfft", macht Eric. "Natürlich ist es schlimm, wenn wir das falsch machen, wenn du dich doch anders womöglich wohler fühlst."
Ihm zustimmend nicke ich. Ich habe echt Schiss them zu misgendern. Ich bin so gewöhnt daran, weibliche Pronomen für Jo zu benutzen, dass ich Angst habe, dass sich das bei mir etabliert hat.
Am liebsten würde ich ein paar Sätze sprechen, um zu schauen, ob ich das hinbekomme.

"Wenn sich irgendwas ändert, gib uns bitte sofort Bescheid", fordert Jason Jo auf. Glücklich lächelnd nickt they.
"Danke, ihr seid echt gute Freunde"

"Ach was, dafür doch nicht. Es ist ja nun echt nicht allzu schwer die passenden Pronomen zu verwenden. Fühl dich frei uns zu korrigieren, falls wir doch idiotische Bastarde sind", meint Eric.
Jo lacht ein wenig. "Werde ich auf jeden Fall machen." They lehnt sich ein wenig zu ihm hinüber und wuschelt mit their Hand durch seine Haare. "Dich korrigiere ich doch immer gerne."

Macy hat noch nichts gesagt, was bestimmt nicht daran liegt, dass sie ein Problem damit hat. In Jasons Pullover vergraben sitzt sie im Schneidersitz auf der Bank und starrt ihr Essen an.
Ich glaube kaum, dass es ihr gut geht..

Dann neigt sich unser Treffen auch schon dem Ende entgegen. Zur Verabschiedung umarme ich jeden, außer Macy, da sie sich nicht gerne von mir anfassen lässt.

Im nächsten Moment befinde ich mich schon im Auto und höre laut 'Be Like Me' von Lowborn, wobei es sich wieder um einen ihrer Songs handelt.
Jedoch kann ich mich kaum auf die Lyrics konzentrieren, da mein Kopf lauter ist als es Musik jemals sein könnte.

Das nächste Kapitel schreibe ich wahrscheinlich aus Jo's Perspektive

Deine MusikWhere stories live. Discover now