Hoodie ~ Hey Violet

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Wie nicht anders zu erwarten, war ich die gesamte Woche krank. Theoretisch ging es mir zwar gestern, am Freitag schon wieder gut, aber sicherheitshalber habe ich mir dann doch noch den einen Tag freigenommen, sodass ich heute guten Gewissens sagen kann, dass ich wieder vollkommen genesen bin.

Obwohl es schon 16 Uhr ist, liege ich immer noch in meinem Bett. Nicht einmal geduscht oder gefrühstückt habe ich.
Statt irgendwas Produktives zu tun habe ich den ganzen Tag mit schlafen, chatten und natürlich Musik hören verbracht. Meine Eltern sind dabei, so wie bei allem eigentlich, sehr locker, weshalb es ihnen egal ist, was ich mit meiner Zeit mache.
Meistens hasse ich es, dass sich meine Eltern weder für mich noch für das, was ich mache oder lasse interessieren, aber zugegebenermaßen hat das auch einige Vorurteile, da ich so zum Beispiel ziemlich viel Freiraum habe.

Ey, kommst du heute mit zur Bar oder bist du noch zu krank?, fragt mich Jason über Whatsapp.

Ich komme heute, schreibe ich knapp zurück und raffe mich auf. Wenn ich heute noch weg möchte, sollte ich langsam mal aus dem Bett kommen.
Immer noch im Schlafanzug gekleidet, laufe ich barfuß hinunter in die Küche. Eigentlich wollte ich mir nur eben was zu Essen nehmen und wieder verschwinden, aber so wie es aussieht wird mir mein Vater die Pläne durchkreuzen. Mein Vater ist übrigens ein relativ hochgewachsener, knochiger Mann, dessen Bauch jedoch im Vergleich zu dem Rest seines Körpers leicht rundlich ist. Seine ergrauten Haare liegen wie immer chaotisch und deutlich sichtbare, dunkle Ringe sibd wie gewöhnlich unter seinen Augen zu erkennen.

An dem Tisch angelehnt steht er mittig im Zimmer und raucht. Ich verstehe nicht, warum der Kerl zum Rauchen nicht eben nach draußen gehen oder wenigstens das Fenster dabei öffnen kann.
Zwar bin ich selber Raucher, aber dennoch möchte ich nicht, dass unsere ganze Wohnung danach riecht.

Da mein Vater nicht so aussieht als würde er es vorhaben, öffne ich das Fenster für ihn. Ich strecke meinen Kopf leicht hinaus und nehme einen tiefen Atemzug von der frischen Sommerluft.

"Nash?", spricht mich mein Vater an. Sofort drehe ich mich in seine Richtung. Er hat die Zigarette aus dem Mund genommen und für einen kurzen Augenblick ist seine Konzentration auf mich gerichtet.
"Ich habe Pizza in den Backofen geschoben. Du kannst dir ruhig ein paar Stücke nehmen", bietet er mir eher beiläufig an und widmet sich dann wieder seiner Zigarette.
Ich bin mir unsicher, ob ich mich bedanken soll oder nicht, weil ich finde, dass es Normalität sein sollte, dass sich Eltern darum kümmern, dass ihr Kind nicht verhungert. Andererseits ist das bei meinen Eltern so eine Seltenheit, dass ich es vielleicht positiv anmerken sollte.

Nach kurzem hin und her murmel ich dann doch ein unverständliches Danke.
Mein Vater sagt danach gar nichts mehr und Stille kehrt wieder ein. Ich fühle mich so als wäre ich unsichtbar oder gar nicht erst existent.

Als die Pizza fertig ist, holt mein Vater sie aus dem Backofen, schnappt sich seine Portion und verlässt wortlos das Zimmer. Ein wenig enttäuscht schaue ich ihm hinterher. Dann widme ich mich den paar Stücken, die er mir übrig gelassen hat.
Alleine setze ich mich an den Esstisch und stopfe die Pizza, bei der es sich um eine gewöhnliche Margarita handelt, in mich hinein.

Zu meiner eigenen Überraschung mache ich danach einige meiner Hausaufgaben und hole den verpassten Stoff nach. Dann ist es auch schon so weit und unser allwöchiges Treffen in der Bar steht an.
Ohne meinen Eltern Bescheid zu sagen, verlasse ich nur mit ein wenig Geld und meinem Handy bewaffnet das Haus. Ich trage eine blasse Jeanshose mit Löchern an den Knien und ein übergroßes, schwarzes, schon leicht ausgewaschens T-Shirt. Ob meine Haare sitzen, habe ich nicht noch einmal geschaut, aber da sie ohnehin lockig sind, fällt es eher weniger auf, wenn sie chaotisch sitzen.
Das Erste, was ich nach dem Einsteigen ins Auto mache, ist die Musik laut aufzudrehen. Es läuft Hoodie von Hey Violet. Das Lied höre ich heute zum gefühlt millionsten Mal. Sie scheint es wohl richtig zu Lieben. Falls ich sie je kennenlernen sollte, dann bekommt sie auf jeden Fall einen Hoodie von mir.. Wenn sie denn überhaupt einen Hoodie von mir möchte...

Die Bar, die man eigentlich auch als Imbiss bezeichnen kann, ist mit dem Auto nicht weit von mir Zuhause entfernt, weshalb ich nur ein paar Minuten später ankomme.
Obwohl ich sogar pünktlich bin, sitzen Macy, Jo und Jason schon an einem der Tische, als ich die Bar betrete.
Sofort laufe ich zu den Dreien hinüber.
"Hey", begrüße ich sie und setze mich neben Jason, der schon damit beschäftigt ist das Menü durchzublättern.
"Ich glaube heute nehme ich mal diese Curly Pommes", verkündet er und klappt zufrieden die Karte zu.
"Jason, die nimmst du jedes verdammte Mal", neckt ihn Jo.
"Zumindest esse ich keine Pizza mit Ananas!", erwidert Jason gekonnt. Spielerisch streckt er ihr seine Zunge entgegen.

Die beiden 'streiten' noch ein wenig weiter, aber ich höre ihnen gar nicht mehr richtig zu. Mein Blick schweift durch die Bar, die wie ein typisch amerikanischer Imbiss eingerichtet ist. Der Einzige Grund, warum es Bar heißt, ist schlicht weg, dass hier auch eine Bar steht, welche irgendwie sogar fehl am Platze zwischen den ganzen Tischen und gepolsterten Sitzbänken wirkt.
Wir sitzen fast ganz alleine hier, aber aus Erfahrung weiß ich, dass das nicht lange so bleiben wird.

Kurz später kommt dann auch endlich Eric, sodass wir bestellen können. Wir alle nehmen das Übliche. Ich finde den Gedanken cool, dass uns hier mittlerweile alle Angestellten kennen und daher genau wissen, was das 'Übliche' ist. Wir waren sogar schon so oft hier, dass hier Fotos von unserer Bande hängen. Der Betreiber, ein 28 jähriger, braunhaariger Mann mit Dreitagebart, serviert uns manchmal sogar ein zweites Getränk aufs Haus, aus dem Grund, dass wir seine treusten Kunden sind. Wir dürfen ihn sogar bei seinem Vornamen, Ralston, nennen. Ralston ist ein wirklich sympathischer Kerl, der gerne über alles Mögliche redet. Mittlerweile wissen wir ziemlich viel über ihn und, seine Frau und seinen fast drei Jahre alten Sohn.
Er ist einer dieser Menschen, bei denen man merkt, dass sie das Leben lieben.

Als Erstes bekommen wir unsere Getränke; Cola für mich, Eric und Jo, einen Erdbeermilchshake für Jason und Zitronenwasser für Macy.

Während wir noch auf das Essen warten, betritt ein junger Mann mit langen, mittelbraunen Haaren, die ihm halb vors Gesicht wie eine Gardine hängen, die Bar. Er schlendert zum Tisch neben uns und setzt sich.

Ziemlich auffällig starrt Macy, die auf der anderen Seite neben Jason sitzt, zu ihm hinüber. Sie schluckt.
Sofort hat sie Jasons Aufmerksamkeit. "Was ist los?", fragt er.
"Nichts", lügt sie ziemlich offensichtlich. Ihre Augen hat sie immer noch auf den Neuankömmling gerichtet.
"Macy..", redet Jason beruhigend auf sie ein.
"Er hat dieselber Frisur... Glaubst du er ist es?", gibt sie schließlich doch ihre Bedenken preis.

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