Waves ~ Dean Lewis

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Nash's pov

Am nächsten Tag ist Jason wieder nicht in der Schule. So wie es aussieht hat er sich wirklich etwas eingefangen. Ich frage mich, ob das vielleicht ein wenig meine Schuld ist und ich ihn letzte Woche vielleicht angesteckt habe, als ich krank war.

Vor ein paar Minuten hat die Pause angefangen. Ich befinde mich an unserem Stammtisch. Allerdings ist bisher nur Eric hier und der schenkt mir überhaupt keine Aufmerksamkeit. Sein Blick ist auf den Display seines Handys fixiert.
Gelangweilt stöhne ich auf.

Kurz später kommen zum Glück Jo und Macy eingetrudelt.
"Heyya!", begrüßt uns Jo mit einer Hand wild winkend und bringt somit ein wenig Leben in die Szenerie.
Sobald Eric they hört legt er sein Telefon beiseite und richtet sein Augenmerk ganz auf them. Breit lächelt er und begrüßt die beiden.
"Jason kommt heute nicht, oder?", will er dann wissen.
"Sieht jedenfalls nicht so aus", antwortete ich.
Ich wünschte ich könnte ihm wenigstens 'gute Besserung' auf WhatsApp wünschen. Zu dumm nur, dass ich mein Guthaben nicht aufgeladen und dadurch kein Datenvolumen habe. Da ich derzeit keinen Cent mehr übrig habe, kann ich mir nicht einmal Neues leisten..

"Ohne Jason haben wir mehr für uns!", bleibt Eric trotzdem positiv und öffnet seine Brotdose, die gefüllt mit frischen Keksen ist. "Meine Mutter hat das Backen jetzt für sich entdeckt. Ich schwöre die sind wirklich gut geworden und so viel kann ich alleine eh nicht essen.
Der Gedanke, dass Eltern Kekse backen und einem mit zur Schule geben, wirkt befremdlich auf mich. Würde ich meine Mutter beim Backen erwischen, wäre ich bestimmt einfach nur verwirrt.
Ich begutachte die Kekse. Sie bestehen aus einem hellen Teig und sind mit einigen Schokostückchen verseht. Nicht einmal angebrannt scheinen sie zu sein.

Gierig nimmt sich Jo gleich eine ganze Hand voll Kekse, während Macy nur vorsichtig nach einem greift.
"Mein Vater hat letztens probiert Muffins zu backen, weil mein Bruder Geburtstag hatte", erzählt Jo. "Naja, er hat sie im Backenofen vergessen und danach waren die Muffins Kohlestückchen und die Küche voller Qualm." They lacht ein wenig, woraufhin Macy und Eric auch ein wenig schmunzeln müssen. Ich weiß nicht warum, aber mir ist irgendwie nicht zum Lachen zumute.

"Ey Nash, worauf wartest du noch? Nimm dir auch Kekse", fordert Eric mich auf. Ohne zu zögern nehme ich den erstbesten Keks aus der Dose. Eigentlich wollte ich ihn mir so in den Mund schieben, doch dann fällt mir auf das an diesem Keks etwas anders ist. Die Schokostückchen wurden zu einem lächelnen Gesicht gelegt. Erics Mutter hat sicher eine ganze Minute dafür geopfert.

Eric scheint meinen Blick bemerkt zu haben. "Das macht meine Mutter gerne mal. Sie meint, dass lächelne Dinge, einem selbst zum Lächeln bringen. So sind Eltern eben manchmal." Er schenkt mir ein Grinsen.

Auf einmal spüre ich wie etwas Nasses über meine Wange läuft.
Bevor die anderen bemerken können, dass ich angefangen habe zu weinen, schnappe ich meine Tasche und stürme, ohne ein Wort zu sagen, davon.
Das war weird. Wahrscheinlich denken jetzt auch meine Freunde, dass ich ein Weirdo bin. Ich kann es ihnen nicht einmal verübeln. Recht hätten sie ja.

Meine Füße tragen mich zu den Kunsträumen, welche sich in einem relativ alten Teil des Gebäudes befinden und nur noch selten verwendet werden. Die Räume hier sind nie abgeschlossen. Warum das so ist, kann ich selber nicht sagen.
Ich öffne eine der Türen und betrete einen Raum, der ein paar Grad kälter zu sein scheint.
Kein Wunder. Die Fenster hier sind mindestens so alt wie ich.
Mit dem Rücken an die Heizung gelehnt setzte ich mich auf den Boden, der noch kälter als die Luft ist.

Jetzt wo ich alleine bin, fließen immer mehr Tränen.
Ich kann selbst kaum glauben, dass ich wegen eines Kekses heule. Das ist wirklich mehr als nur erbärmlich.
Ich vergrabe meinen Kopf in meinen Knien. Ein unerwartet lauter Schluchzer verlässt meinen Mund und meine Nase fängt an zu laufen. Ich habe selber sämtliche Kontrolle über meine Gefühle verloren. Es ist so als wäre ein Damm gebrochen, den ich zwischen meinen Gefühlen und der Außenwelt gebaut habe.

Ich bin ein 18 jähriger Mann.
Ich sollte nicht wie ein kleines Kind flennen.

Erst nachdem die Klingel die Pause beendet hat, werde ich allmählich wieder ruhiger.
Mir fällt auf, dass ich diesen Keks immer noch in der Hand habe. Die Schokolade ist inzwischen geschmolzenen und hat braune Flecke auf meiner Haut hinterlassen. Ein wenig zerbröselt ist er auch.
Es gibt mir ein schlechtes Gewissen etwas zerstört zu haben, das mit so viel Liebe kreiert wurde.
Ich stecke ihn mir in den Mund, obwohl mir der Appetit vergangen ist, damit er wenigstens noch seinen Zweck erfüllt.

Er schmeckt wirklich gut.

Um mich aufzuheitern möchte ich dann Musik an machen. Musik hat immer einen unglaublichen Einfluss auf mich. Sie stimuliert meine Sinne und hilft mir dabei, Gedanken zu verdrängen.
Ich kann es kaum ab, wenn es still ist.

Mit der Annahme, dass ich zumindest jetzt meine eigene Musik hören kann, stecke ich mir einen Hörer ins Ohr. Der andere Hörer funktioniert seit kurzem nur noch, wenn ich das Kabel in einer bestimmten Position halte und dafür habe ich jetzt gerade wirklich nicht die Nerven.

Ich suche nach einem Lied, das gute Laune verbreitet, was allerdings schwerer als gedacht ist, da ich ohne Internet, nur auf meine Musikgallerie zugreifen kann.
Letztendlich entscheide ich mich für "Classic" von MKTO. Es war keine sonderlich schwierige Entscheidung bei meiner extrem kleinen Auswahl.
Ich starte das das Lied, doch anstatt sofort mit positiven Vibes überflutet zu werden, höre ich irgendwas, das eher traurig klingt. Es handelt sich dabei um "Waves" von Dean Lewis.
Ich beiße meine Zähne aufeinander. Warum muss sie sich ausgerechnet jetzt in meine Musik einmischen?
Ich brauche doch jetzt einfach nur mal ein fucking Lied für mich.
Ich hasse es.

Ein Gefühl steigt in mir auf, dass ich selbst nicht in Worte fassen kann, aber nur allzu gut kenne. Es ist wie ein innerer Dämon, der beginnt, die Oberhand zu ergreifen.
Mit einem Ruck befreie ich mich von dem Kabel und stoße mein Handy weg von mir.
In mir befindet sich so viel, dass einfach nur unbedingt raus muss.

Ich hasse es, dass meine Eltern sich einen scheiß Dreck um mich kümmern, dass ich ihnen eigentlich vollkommen egal bin.
Meine Hand formt sich zu einer Faust. Mit voller Wucht schlägt sie auf den Heizkörper ein, der daraufhin vibriert.

Ich hasse es, dass ich nicht einmal für Internet genug Geld habe.
Ich richte mich auf.

Ich hasse es, dass ausgerechnet jetzt meine Kopfhörer nicht mehr richtig funktionieren.
Ohne wirklich zu realisieren wie, schmeiße ich einen der Tische um.

Ich hasse es, dass Jason krank ist. Ich hasse es, dass niemand hier für mich ist.
Wieder kippt ein Tisch um.

Ich hasse es, dass ich nicht in Ruhe Musik hören kann, dass ich dieses Mädchen nicht kenne und dass ich mit so gut wie mit niemandem darüber reden kann.
Ein weiterer Tisch fliegt zu Boden.

Ich hasse es, dass alle Lehrer denken, dass ich dumm bin und niemand an mich glaubt.
Ich hasse es, ich hasse es, ich hasse es..

Es braucht einen Moment bis ich wieder zu meinen Sinnen komme und realisiere, was ich hier gerade angestellt habe.
Um mich herum befindet sich reinstes Chaos.
Ich kann mich echt glücklich schätzen, dass mich niemand gehört hat.
Ich müsste nur die Tische wieder vernünftig aufstellen und nie würde irgendwer erfahren, was ich getan habe. Doch irgendwie kann ich mich nicht dazu bewegen. Kraftlos lasse ich mich zu Boden sinken.

Plötzlich höre ich Schritte, die immer näher kommen. Panik steigt in mir auf.
Trotzdem probiere ich gar nicht erst, zu flüchten oder mich zu verstecken.

Vielleicht habe ich es verdient, erwischt zu werden..
Zumindest ist das hier alles meine Schuld.
Das ist es doch immer.

Deine MusikWhere stories live. Discover now