Kapitel 8

395 36 10
                                    

Jack öffnete die Tür und schaute in Robins stechend grüne Augen. „Hi Jack. Sind die Anderen schon da?", begrüßte sie ihn und lächelte. Jack schaute sie an und blinzelte, als wäre er aus einem Traum erwacht. „Hmm? Achso, ja...die anderen sind im Wohnzimmer.", sagte er und trat ein Stück zur Seite, sodass Robin sich an ihm vorbeischieben konnte.

Sie betrat das Wohnzimmer und schmiss ihre Tasche auf das braune Ledersofa. Dean, der darauf saß, zuckte zusammen, als die Tasche haarscharf an ihm vorbeisauste. „Hey!", protestierte er, „Du hättest mich fast getroffen." Robin ließ sich neben ihn fallen und legte ihm einen Arm um die Schultern. „Stell dich nicht so an Dean."

June schaute von ihrem Skizzenbuch auf. „Also Robin, was hast du herausgefunden?"

Robin überschlug ihre Beine und setzte sich aufrecht hin. „Ich musste meine Mum ziemlich bearbeiten, bevor sie mir meine Fragen beantwortet hat. Eure Mutter war an dem Tag vor ihrer Geschäftsreise bei ihr oder eher gesagt am Abend davor. Mum meinte, dass sie sehr in Eile war und es schien, als hätte sie vor irgendwem Angst gehabt.", erzählte sie. „Oder vor irgendetwas.", murmelte Dean. June sah ihn an. „Denkst du, sie ist vor einem Geist geflohen?" Dean zuckte mit den Schultern. „Ganz ehrlich, bei dem Ganzen hier wundert mich nichts mehr." Jack schaute zu Robin. „Da ist doch bestimmt noch mehr, oder?" Robin nickte. „Auf jeden Fall,", fuhr sie fort, „hat sie meiner Mum das Buch gegeben und gesagt, dass sie darauf aufpassen und es euch an eurem siebzehnten Geburtstag geben soll. Meine Mum wusste nicht worum es ging, doch sie versprach es. Das ist alles was sie wusste."

„Und nun?", fragte June, „Was machen wir jetzt?" Jack zuckte mit den Schultern. „Schritt zwei: Wir suchen den Schlüssel."

„Und wo fangen wir mit der Suche an?", fragte Aiden, der mit dem Rücken auf dem großen Teppich neben June lag, „Ich meine, der könnte doch überall sein und euer Haus ist riesig." Jack zuckte mit den Schultern.

„Ich wüsste, wo wir anfangen könnten.", sagte June.

„Wo denn?", fragten ihre Freunde fast wie aus einem Mund. June legte ihre Hände in ihren Schoß. „Mama saß im Arbeitszimmer, als sie etwas in das Buch eingetragen hat. Ich habe sie dabei einmal beobachtet.", fuhr sie fort, „Vielleicht ist der Schlüssel ja da."

„Das wäre eine Möglichkeit.", stimmte Dean zu. Jack erhob sich aus dem schwarzen Sessel. „Ich finde, wir sollten dort mit der Suche anfangen." June stand ebenfalls auf. „Gut,", sagte sie, „Ich hole das Tagebuch." Sie warf ihr Skizzenbuch auf den Teppich und verließ mit wehenden Haaren den Raum. Sie war froh, jetzt etwas zu tun zu haben und nicht nur tatenlos rumsitzen zu müssen. Aiden griff nach dem Skizzenbuch und betrachtete das Bild, was auf der aufgeschlagenen Seite zu sehen war. Durch die leuchtenden Farben und die realistischen Grundlinien wirkte das Bild auf ihn schon beinahe lebendig. „Das ist wirklich gut, vor allem die verbrannte Haut ist sehr gut zu erkennen.", meinte er. Jack ging zu ihm uns schaute ihm über die Schulter. "Ja, sie hat die Frau wirklich gut getroffen.", sagte er etwas traurig, „Aber trotzdem wünsche ich mir, dass sie diesen Geist nicht gesehen hätte. Es hat sie ganz schön mitgenommen." Aiden blickte besorgt drein. „Ihr habt dieses Ding gesehen? Kein Wunder, dass June so abwesend ist. Sie kann es nicht sehen, wenn jemand leidet.", murmelte er und schlug das Skizzenbuch zu. „Und genau deswegen ist es wichtig, dass wir für sie da sind.", sagte Jack und legte Aiden eine Hand auf die Schulter.

June schloss die Tür hinter sich und setzte sich aufs Bett. Sie vergrub ihr Gesicht kurz in den Händen und atmete tief durch. Dann schaute sie zu ihrem Nachtisch, auf dem das in Leder gebundene Buch lag. Sie griff danach und stand auf, fest entschlossen das Buch zu öffnen. Sie wollte Antworten. Nicht nur was mit ihr und Jack passierte, sondern auch was mit ihrer Mutter passiert war.

Sie verließ ihr Zimmer und ging wieder ins Arbeitszimmer, wo sie sich einmal in dem großen Raum umschaute. Robin klopfte die Wände ab und suchte wahrscheinlich nach einem Hohlraum oder einem versteckten Mechanismus. Dean hatte seinen Kopf so weit in den Kamin gesteckt, dass June wettete, dass sein Gesicht später voller Ruß sein würde. Sie schaute zu ihrem Bruder, der vor dem Bücherregal stand und ein Buch nach dem anderen herauszog und es dann enttäuscht wieder zurückstellte.

Dann fiel ihr Blick auf Aiden, der an dem weißen Schreibtisch lehnte und einen Gegenstand, der um eine Kette um seinen Hals hing, in den Händen drehte. Langsam ging sie auf ihn zu und lehnte sich neben ihn an den Tisch. „Was ist das?", fragte sie neugierig. Aiden zuckte mit den Schultern und ließ den Gegenstand wieder unter seinem T- Shirt verschwinden. „Nichts Besonderes.", sagte er und schaute June an, „Wie geht es dir?", wechselte er das Thema. „Gut.", meinte June und schaute auf ihre Hände. Aiden hob ihr Kinn an. „Du lügst.", flüsterte er, „Dir geht es nicht gut. Dich bedrückt etwas." June sog die Luft ein und nickte dann zögerlich. „Du hast Recht.", sagte sie, „Die Begegnung heute auf den Nachhauseweg... es war komisch und eigentlich auch traurig." Aiden schaute sie mitfühlend an.

Robin gesellte sich zu Jack und tippte ihm auf die Schulter. Jack zuckte zusammen und drehte sich zu ihr um. Robin kicherte. „Man Robin, du kannst mich doch nicht so erschrecken! Ich hatte fast einen Herzinfarkt.", meckerte er. „Sagt der der Geister sieht.", meinte Robin und schüttelte tadelnd den Kopf.

Jack verdrehte die Augen. „Hast du was gefunden?" Robin schüttelte den Kopf. „Ne, noch nicht, aber guck mal.", sie deutete auf Aiden und June, „Sind die Beiden nicht süß zusammen?" Jack schaute zu June und Aiden. Aiden hatte seine Hand auf Junes Arm gelegt und schaute sie mit einem sanften Blick an. Jack drehte sich weg und widmete sich wieder dem Bücherregal. Er merkte schon länger, dass Aiden und June etwas mehr als nur Freundschaft für einander empfanden und ihn störte es nicht und doch, es war doch etwas merkwürdig. „Ja, sind sie.", sagte er leise und schielte aus dem Augenwinkel zu Robin, die sich wieder der Wand gewidmet hatte und sie weiter abklopfte. Wie gern würde auch er ihr offen seine Gefühle zeigen, doch er wusste nicht, ob sie genauso empfand wie er und wenn sie es tat, wusste sie es gut zu verstecken. Also schloss er seine Gefühle für Robin tief in sich ein und versteckte sie, sodass keiner sie entdecken konnte.

Aiden zog June nach kurzem Zögern in eine Umarmung. June legte ihr Gesicht an seine Schulter und er strich ihr sanft durch die Haare. In diesem Moment war June glücklich. Sie war glücklich ihn zu haben.

„Hey, was sucht ihr da?", erklang eine, June und Jack sehr bekannte, Stimme, „Kann man euch helfen?"

Clairvoyance- Zwillinge Der Hellsicht| #Wattys2020Where stories live. Discover now