Kapitel 40

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„Aiden?! Aiden wo bist du?" Die Rufe der Kinder hallten dunkel durch den Wald uns verscheuchten einige aufgeschreckte Vögel aus dem Bäumen.

Alexander Savigen schaute mit einem triumphierenden Lächeln auf die Fünf herunter. Er war einen Baum hinaufgeklettert und hielt sich nun mit der Hand an einem Ast fest. Die andere hatte er auf seinem Oberschenkel abgelegt. Sie würden direkt in seine Falle laufen. Sein Plan verlief perfekt.

Leise lachend richtete er sich auf und balancierte über den nächstbesten Ast zum nächsten Baum, darauf bedacht die Kinder nicht aus den Augen zu lassen und keinen Laut zu machen.

Wen würde er sich von den Zwillingen holen? Das Mädchen oder den Jungen? Vielleicht auch Beide? Als er noch einmal nach unten schaute, stand sein Entschluss fest.

Dean schaute Jack aus dem Augenwinkel an. „Also?", fragte er leise. Jack atmete tief durch. „Es tut mir leid Dean, wegen gestern.", sagte Jack und schaute zu Boden, „Ich habe mich wie ein Vollidiot benommen. Das mit Aiden hat mich sehr mitgenommen und ich habe es an dir ausgelassen. Es tut mir leid."

Dean fiel ein Stein vom Herzen. Endlich musste er nicht mehr sauer auf Jack sein. Das war er eh nicht mehr gewesen. Jack hob seinen Blick vom Boden und schaute Dean an. „Freunde?"

Dean lächelte und blieb stehen. Jack stoppte ebenfalls. „Was ist?", fragte er leise. „Natürlich sind wir Freunde Jack.", sagte Dean und umarmte Jack flüchtig, „Ich war auch nicht gerade sensibel, muss ich zugeben... aber jetzt ist ja alles wieder gut. Ich bin dir nicht mehr böse."

Jack grinste und klopfte seinem Freund auf den Rücken. Er war sichtlich erleichtert.

Robin warf unauffällig einen Blick über die Schulter. „Endlich.", stöhnte sie, „Das hat aber auch gedauert."

„Haben sie sich wieder vertragen?", fragte Cole hoffnungsvoll.

„Nein, sie liegen sich jetzt raufend in den Haaren.", spottete sie. Als sie Coles entsetztes Gesicht sah, verdrehte sie die Augen. „Also echt Cole, wir müssen dringend an deinem Verständnis von Ironie arbeiten.", meinte sie lachend.

June tippte währenddessen auf ihrem Handy herum. Schließlich drehte sie sich zu Cole und Robin.

„Du Cole, du hast doch diese Karte mit, oder?"

„Ja, aber die hat Dean, wieso?"

June blieb stehen. „Ich wollte die Koordinaten haben.", antwortete sie.

„Die kann ich dir auch sagen.", meinte Cole und begann in seiner Jackentasche herumzukramen, „Ich habe sie mir auch aufgeschrieben, irgendwo auf so einen doofen kleinen Zettel...blöde riesen Jackentaschen.", fluchte Cole.

„Ich gehe so lange mal zu Dean und Jack.", meinte Robin, „Nicht, dass die schon wieder einen Streit vom Zaun brechen. Außerdem trödeln die ganz schön." Ehe es sich die Beiden versahen war Robin auch schon losgelaufen. Dean und Jack standen noch etwas weiter hinten und unterhielten sich, sodass Robin noch eine ganz schöne Strecke zurücklegen musste.

Cole kramte weiterhin in seinen Jackentaschen. June starrte nur ins Leere, als sie plötzlich etwas hinter sich knacken hörte. Schlagartig fuhr sie herum und sah gerade noch die schemenhaften Umrisse eines Jungen. „Aiden.", hauchte sie. June vergaß alles Andere um sich herum und rannte ihm nach. „Aiden?!", rief sie, „Aiden bleib stehen. Ich bin es, June." Hinter sich hörte sie Cole fluchen und ihren Namen rufen, doch June reagierte nicht. Sie rannte einfach weiter. Sie rannte und rannte.

June ignorierte die Stimmen hinter sich, das Kratzen von kleinen Ästen in ihrem Gesicht und das Stechen von Dornen an ihren Beinen. In der Dunkelheit konnte sie Aiden erkennen, der sich nicht ein einziges Mal nach ihr umdrehte.

Die Stimmen hinter ihr verklangen langsam und June fragte sich wie weit sie wohl schon gelaufen war.

Schließlich schlug sie sich durch einen weiteren Busch. Leise fluchend schob sie die dornigen Zweige zur Seite. June konnte förmlich spüren wie das Blut aus ihren aufgerissenen Handflächen quoll.

Als sie den letzten Ast zur Seite schob, stand sie auf einer Lichtung, soweit sie es in der Dunkelheit beurteilen konnte. Vorsichtig leuchtete sie in die Dunkelheit. Ihr Herz machte einen erfreuten Satz, als der Kegel ihrer Taschenlampe Aiden streifte. Er stand mit dem Rücken zu ihr. Vorsichtig ging June auf ihren Freund zu. „Aiden?", fragte sie leise. Langsam machte sich ein Gefühl von Unsicherheit in ihrem Magen breit und ihre innere Stimme flehte sie an umzudrehen und so schnell zu laufen wie sie konnte.

Doch sie ignorierte diese Stimme. Vielleicht war es ja wirklich Aiden, der vor ihr stand. „Aiden?", hauchte sie erneut und streckte eine Hand nach ihrem Freund aus. Aiden zuckte zusammen, als Junes Hand auf seiner Schulter ruhte. „Du musst hier weg June.", seine Stimme bebte und klang kratzig.

„Ich lasse dich aber nicht hier."

Ruckartig drehte Aiden sich zu June. Diese war wie erstarrt, als Aiden sie aus traurigen Augen ansah. Sein Gesicht war mit blauen Adern überzogen und seine Haut schimmerte in einem dunklen Grau. Doch es war ihr Aiden. Das konnte June spüren. Sie sah es in seinen Augen.

„Ich sagte du sollst verschwinden!", zischte Aiden, „Er wird dich nicht gehen lassen June! Er braucht dich!"

„Aiden, du wirst mit mir kommen.", sagte June. Auch ihre Stimme bebte. „Bitte Aiden!" Jetzt löste sich bereits die erste Träne aus ihrem Augenwinkel.

Aiden schüttelte den Kopf. Auch in seinen Augen konnte June Tränen erkennen. Echte, menschliche Tränen. „Ich kann nicht June. Du musst gehen, bitte. Ich..."

Weiter kam er nicht. Aiden stieß einen schmerzerfüllten Schrei aus und verdrehte die Augen. June schlug sich eine Hand vor dem Mund, als er seinen Blick wieder auf sie heftete. Seine Augen waren pechschwarz. Das war nicht mehr Aiden. June wollte schreien, doch ehe sie sich versah, hatte ihr Alexander eine Hand auf Mund und Nase gepresst und schnürte ihr die Luft ab. June zappelte, doch das nützte nichts. Langsam spürte sie wie sie das Bewusstsein verlor.

Clairvoyance- Zwillinge Der Hellsicht| #Wattys2020Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt