Kapitel 22

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June schloss Aiden zum Abschied in die Arme. „Ruh dich aus, ja?", flüsterte sie. „June, es geht mir gut.", sagte er. June schüttelte den Kopf. „Dir geht es nicht gut. Du bist total blass. Tu mir den Gefallen und ruh dich aus." Aiden nickte. „Kommst du klar?", fragte er noch. June nickte. „Ja. Mach dir um mich keine Sorgen."

Nachdem sie die Tür hinter ihm geschlossen hatte, drehte sie sich zu Jack, der mit verschränkten Armen im Türrahmen des Wohnzimmers lehnte.

„Und was machen wir jetzt? Du weißt, dass am Samstag Vollmond ist. Und heute ist schon Donnerstag." June seufzte. Ich weiß Jack und ich habe auch keine Ahnung was wir jetzt machen könnten."

„Ein Geist muss also Besitz von unserem Körper übernehmen richtig?", überlegte Jack laut. June nickte. „Ja und?"

„Wir müssen also einfach nur üben uns dagegen zu wehren.", sagte Jack. June schaute ihren Bruder verwirrt an. „Und wie sollen wir das anstellen?"

Jack zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Kannst du nochmal im Tagebuch nachschauen? Vielleicht steht da ja was." June nickte. „Klar, aber erst Morgen. Jetzt muss ich irgendwas Entspannendes machen. Mein Gehirn raucht von all den Informationen." Jack gab seiner Schwester einen leichten Kuss auf die Stirn. „Mach das.", sagte er.

Wenig später setzte sich June auf ihr Bett und griff nach ihrem Skizzenblock. Das war ihre Art zu entspannen. Sie konnte ihren Kopf freibekommen. Sie bemerkte gar nicht wie die Zeit verging und wie es draußen immer dunkler wurde.

Nach etwa zwei Stunden klopfte es. „Herein?", sagte June und legte den Stift beiseite. Die Tür öffnete sich und Cole streckte vorsichtig den Kopf durch den Türspalt. „Ich weiß du hast gerade andere Sachen im Kopf, aber kann ich mal mit dir reden?", fragte er leise. June nickte. „Klar."

Cole kam ins Zimmer und setzte sich neben June. „Also was ist los?", fragte June und legte Cole eine Hand auf die Schulter, „Was bedrückt dich?"

„Du weißt, dass ich nie über den Grund gesprochen habe, warum ich von zu Hause weg bin." June nickte. „Ja, du wolltest nicht darüber reden und das ist vollkommen in Ordnung." Cole lächelte schwach. „Ich habe versucht diesen Grund zu verdrängen, aber dann ist etwas passiert." June schaute ihn sanft und doch neugierig an.

„Meine Mutter hat mich streng religiös erzogen. Ich wurde in dem Glauben erzogen, dass es nichts anderes außer der traditionellen Familie gibt und dass gleichgeschlechtliche Liebe verboten ist.", begann Cole leise. June musste schlucken.

„Dann habe ich jedoch herausgefunden, dass ich absolut keine sexuelle Liebe für Mädchen empfinde. Ich habe mich gut mit ihnen verstanden, aber ich habe mich nicht zu ihnen hingezogen gefühlt. Meiner Mutter ist das auch aufgefallen und sie hat mich geschlagen und beschimpft." In Coles Augen bildeten sich Tränen, als er daran zurückdachte. June rückte näher an ihn heran. „Deswegen bist du hierhergekommen.", flüsterte sie.

Cole nickte. „Ich musste einfach weg. Ich habe mich geschämt. Ich wusste nicht was richtig und falsch ist und habe versucht alles verdrängen. Ich habe mich für meine Gefühle gehasst. Und jetzt habe ich Dean kennengelernt und ich fühle mich in seiner Nähe unendlich wohl. Ich...ich weiß nicht was ich machen soll, June.", schluchzte Cole und vergrub sein Gesicht in den Händen. June strich ihm sanft über den Rücken.

„Es ist okay Cole. Du liebst ihn und das ist ok." Cole versuchte sich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen, doch er konnte nicht aufhören zu weinen. June zog ihn in ihre Arme. „Du kannst lieben, wen du willst Cole. Es ist nichts Falsches daran. Wenn du Dean liebst ist das vollkommen in Ordnung."

Cole schaute sie aus roten Augen an, unfähig etwas zu sagen. „Deine Mutter wurde traditionell erzogen, genauso wie sie dich erzogen hat. Doch Tradition ist nicht alles. Zeiten ändern sich. Es ist vollkommen in Ordnung so zu lieben wie du es tust. Es ist okay." Nun stiegen auch June die Tränen in die Augen und sie drückte Cole fester an sich. „Es ist okay, es ist okay.", flüsterte sie immer wieder, während sie ihm beruhigend über den Rücken strich. Cole schluckte.

„Danke June.", flüsterte er. „Hey, du bist mein Bruder und ich sorge mich um dich und bin für dich da.", lächelte sie und löste sich von Cole.

„Geht es dir besser?", fragte sie sanft und wischte Cole eine Träne aus dem Augenwinkel. Cole nickte. „Du solltest mit Dean reden.", meinte June.

„Meinst du?"

June nickte. „Natürlich."

Cole stand langsam auf und ging zur Tür. Dann drehte er sich noch einmal zu June, die ihn anlächelte und ermunternd zunickte. „Danke.", sagte er noch einmal und verschwand aus Junes Zimmer.

Clairvoyance- Zwillinge Der Hellsicht| #Wattys2020Where stories live. Discover now