Kapitel 4

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„Dean!", quengelte die achtjährige Lisi und zupfte an dem weißen T- Shirt ihres großen Bruders. „Dean, wir müssen los! Ich möchte nicht zu spät kommen." Dean Whitmore lachte und wuschelte seiner kleinen Schwester durch die Haare. „Wenn ich mich auch mal so auf die Schule freuen würde." Lisi schaute ihn aus großen, braunen Augen an. „Warum?", fragte sie gutmütig, „Du siehst doch all deine Freunde. Und du siehst Aiden." Bei seinem Namen lief Dean leicht rot an. Lisi kicherte. „Du stehst auf ihn, du stehst auf ihn." Für eine Achtjährige verstand sie es bereits sehr gut, wie man herausfinden konnte, wie sich eine Person gerade fühlte. Sie lachte. „Du stehst auf ihn, du stehst auf ihn!", wiederholte sie kichernd und sprang um Dean herum.

„Nein, ich stehe nicht auf ihn!", protestierte Dean. „Aber er sieht gut aus.", sagte Lisi und stupste ihn an. Ja, gut sah er schon aus, das musste Dean zugeben. Er konnte nicht abstreiten, dass er ein Auge auf ihn geworfen hatte, aber er stand nicht auf ihn.

Lisi zog nun wieder an Deans Hand und drängte ihn zum Gehen. "Ja, ich komme ja schon.", lachte Dean und schnappte seinen Schulrucksack.

Kurze Zeit später gingen sie die Straße hinunter. Dean hatte Lisi an die Hand genommen. Lisi hüpfte fröhlich neben ihm her, bis sie die Grundschule erreicht hatten. „Viel Spaß.", sagte Dean und klopfte Lisi auf den Schulranzen. Lisi drehte sich zu ihm und umarmte ihn. „Werde ich haben.", flötete Lisi und rannte zu ihren Freunden, die auf dem Schulhof in der großen Schaukel saßen. Dean lächelte und machte sich daran seinen Schulweg fortzusetzen.

Robin zog June in eine Ecke und grinste. „Was ist Robin?", fragte June und schaute ihre Freundin fragend an. Robin stellte ihren Rucksack auf dem Boden ab, öffnete ihn und zog ein Päckchen heraus. Der Gegenstand darin war in braunes Backpapier gewickelt. „Happy Birthday.", sagte sie und gab June das Paket. „Was ist das?", fragte sie. Robin zuckte nur mit den Schultern. „Keine Ahnung. Meine Mum hat es mir gegeben und gesagt, dass ich es dir geben soll." June riss das Papier auseinander und entdeckte ein in Leder gebundenes Buch, welches bereits einige eingeknickte Ecken und Verfärbungen aufwies. Das Cover war über und über mit den seltsamsten Zeichen bedeckt. An der Seite prangte ein silbernes Schloss mit altmodischen Verzierungen. „Ein Buch?" Robin schaute enttäuscht aus, „Ich dachte es wäre etwas mega Interessantes."

June drehte das Buch in den Händen. Sie kannte dieses Buch irgendwoher. Robin beobachtete sie und verschränkte die Arme. Sie kannte ihre Freundin und wusste, wenn sie ihr etwas verschwieg. „Ok, was ist los?", fragte sie. June schaute vom Buch auf und bemühte sich um ein verwirrtes Gesicht. „Was sollte denn sein?" Robin verdrehte theatralisch die Augen. „Na, erst dein komisches Verhalten heute Morgen." June bis sich auf die Unterlippe. „Dachtest du, ich würde das nicht bemerken? June, ich bin deine beste Freundin. Ich weiß, wenn etwas mit dir nicht stimmt. Und jetzt kriegst du dieses seltsame Buch von meiner Mum geschenkt? Ich finde das etwas merkwürdig." June erinnerte sich daran was Jack gesagt hatte. Sie durfte Robin nichts erzählen. Andererseits hatte sie ihr dieses Buch gegeben. Und wenn June Recht mit der Herkunft des Buches hatte, musste sie unbedingt mit Robins Mutter reden. Sie rang mit sich, fasste dann jedoch einen Entschluss. „Ich kann es dir nicht sagen Robin, es tut mir leid." June drückte das Buch an ihre Brust und ergriff die Flucht. Robin ließ sie einfach stehen.

Robin schaute June verwirrt nach. "Irgendwas stimmt da nicht.", murmelte sie und schüttelte den Kopf. „Hey Robin!" „Was geht?" Robin drehte sich in die Richtung, aus der die Stimmen kamen.

„Dean, Aiden!", rief sie und begrüßte ihre Freunde mit einem Handschlag. „ Was ist denn mit dir los? Du siehst aus, als hätte dich deine Mutter gezwungen ein Kleid anzuziehen.", lachte Aiden und erntete einen genervten Blick von Robin.

„Wo sind Jack und June eigentlich?", meldete sich Dean zu Wort und schaute sich um. Robin zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Jack wollte noch sein Kunstprojekt abgeben und June hat mich hier stehen lassen, als ich ihr ein komisches Buch von meiner Mum gegeben habe.", sagte Robin und verschränkte die Arme. „Das ist aber gar nicht typisch für June, dass sie einfach so verschwindet und dich hier stehen lässt.", meinte Aiden und fuhr sich durch seine blonden Haare, um einige Strähnen aus seinem Gesicht zu vertreiben.

„Genau Aiden, du hast es erfasst und deswegen werde ich sie jetzt suchen und sie zur Rede stellen." Robin warf sich ihren Rucksack über die Schulter und schaute die Jungs fragend an. „Kommt ihr jetzt mit, oder was?"

„Du willst ihr nachspionieren?", meldete sich Dean zu Wort und zog fragend eine Augenbraue hoch, „Das ist aber nicht die feine englische Art."

„Ich bin ja auch keine Engländerin.", entgegnete Robin schnippisch. „Ich komme mit.", meinte Aiden. „Gut.", meinte Robin und zog ihn hinter sich her. Dean verdrehte die Augen und rannte den Beiden hinterher. „Wartet auf mich!"

June überquerte schnellen Schrittes den Schulhof, das Buch immer noch fest an ihre Brust gepresst. Endlich entdeckte sie Jack, der gerade das Hauptgebäude verließ. Schnell steuerte sie auf ihn zu und zog ihn beiseite. „Was ist los?", fragte er verwirrt. June streckte ihm das Buch entgegen. „Was ist das?", fragte Jack, sichtlich verwirrt, dass dieses Buch June so in Aufregung versetzte. „Dieses Buch hat mir gerade Robin gegeben. Sie hat gesagt, sie hätte es von ihrer Mutter bekommen und sollte es mir geben." Jack blinzelte. „Und?"

„Jack, das Buch ist von Mama!"

Clairvoyance- Zwillinge Der Hellsicht| #Wattys2020Where stories live. Discover now