Wanderung

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Thranduils Pferd ging schwerfällig durch das Unterholz. Seit Tagen waren sie nun fast ununterbrochen unterwegs. Auf ihrem Weg nach Osten hatten sich noch weitere Überlebende Doriaths ihrer Wanderung angeschlossen. In einem großen Bogen wollte sein Vater nun Doriath umgehen und ihr Weg führte sie gen Norden. „Wie lange ist es nun her?“, fragte Beldir, dessen Wunde derweil vollkommen geheilt war, während er sein erschöpftes Pferd neben Thranduil trieb. „Zwei Monde“, gab er zurück und Beldir schnaubte. „Wahrscheinlich haben sie es gar nicht geschafft oder die Valar haben ihnen jede Hilfe abgetreten. Würden sie sich für uns interessieren, hätten sie doch längst Hilfe geschickt“, flüsterte er, sodass es nur Thranduil hören konnte. „Earendil ist ein erfahrener Seefahrer und sein Schiff von Cirdan gebaut. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er es nicht bis in den Westen geschafft hat“, entgegnete Thranduil. „Oh ich sehe die Hilfe der Valar förmlich vor mir! Siehst du das Licht, Thranduil?“, leierte Beldir und Oropher vor ihm lachte. „Bist du doch im Fieberwahn?“, fragte er mit seiner tiefen Stimme und beschämt sah Beldir auf den Pferdehals. Anscheinend war es nicht seine Absicht gewesen, so laut durch die Gegend zu schreien. „Sie werden uns Hilfe gewähren“, sagte Thranduil und Beldir sah wieder auf. „Da glaubst auch nur du dran. Wenn sie uns wirklich helfen wollen, hätten sie es doch schon längst getan“, sprach Beldir, diesmal leiser. Wortlos ließ er sein Pferd zurückfallen und Thranduil ritt weiterhin hinter seinem Vater, der den Trupp anführte, her.


„Halt!“, rief Oropher laut und hob die Hand. Verwirrt stoppte Thranduil sein Pferd und folgte dem Blick seines Vaters. In der Ferne erkannte er, wie sich der Himmel dunkel färbte und die Landschaft sich in eine Ödnis verwandelte. „Melkor“, sprach Oropher und drehte sein Pferd seitwärts. „Wir werden hier nicht entlangkommen, ohne uns in Gefahr zu geben“, erklärte Oropher. „Und was wenn wir kämpfen?“, kam es aus der Mitte der Elben. „Ihr glaubt doch nicht etwa, dass ein dutzend Elben ohne richtige Waffen gegen Melkors Ungeheuer ankommt?“, entgegnete Oropher und der Elb, welcher den Vorschlag gemacht hatte schwieg. „Ich sag ja die Valar haben uns verlassen“, keifte Beldir und Thranduil warf ihm einen wütenden Blick zu. „Wenn sie uns verlassen hätten, wären wir bereits Tod!“, rief Thranduil ihm zu. „Wenn sie da wären, müssten wir keine neue Heimat suchen!“, erwiderte Beldir und Thranduil wollte gerade etwas sagen, als Oropher sie stoppte. „Haltet den Mund, alle beide!“ Nachdenklich beäugte Oropher die Elben. Bei der Gruppe handelte es sich um 18 Elben. Sechs von ihnen saßen auf Pferden, die anderen waren zu Fuß unterwegs. Alle sahen aus, als würden sie eine Pause willkommen heißen. „Wir werden bis zum Einbruch der Nacht zurückgehen, dort werden vorerst rasten“, beschloss Oropher und trieb sein Pferd zurück in den Süden.

Der laute Aufschrei riss Thranduil aus seinen Gedanken. „Sie kommen!“, kreischte eine Elbin und Thranduil hievte sich von dem dicken Ast, auf dem er geruht hatte. In der verdorrten Ferne erkannte er die Gefahr. Orks. Es waren mindestens doppelt so viele, wie die Elben. „Flieht!“, rief einer der Elben. Augenblicklich setzten sich die ersten in Bewegung. „Stoppt!“, rief Oropher sie zurück. „Die Schwachen auf die Pferde!“, befahl er und Thranduil band sein Pferd vom Baum los und drückte die Zügel einer Elbin in die Hand. Schnell sah er sich um und entdeckte Narewen, die sich ängstlich auf ihr Pferd schwang. Hinter ihr kamen die Feinde immer näher. Es gab nur eine Chance, dass wenige von ihnen überleben werden… „Ich werde sie hinhalten“, sagte Thranduil sicher und fasste nach dem Heft seines Schwertes, bevor er los rannte. „Thranduil!“, schrie Beldir ihm hinterher und sprintete ihm nach. „Junge, warte!“, zischte Oropher und hielt seinen Sohn an der Schulter zurück. „Tu es nicht“, bat Oropher ihn und Thranduil sah an ihm vorbei. Die Elben fürchteten sich. „Wohin führst du sie?“, fragte er und sah dem großgewachsenen Elben in die stechend blauen Augen. „Über die Ered Luin gen Osten“, antwortete Oropher mit fragendem Gesichtsausdruck. „Verrätst du mir, was du vor hast?“, fragte Oropher, nachdem er vergeblich auf eine Erklärung von Thranduil gehofft hatte. „Wenn es eine Chance gibt, dass ihr entkommen könnt, dann ist es diese!“, sprach Thranduil überzeugt. „Junge, das ist Wahnsinn!“ „Und was, wenn Itarille tot ist?“, schrie Thranduil und entriss sich dem Griff seines Vaters. Er hatte es gesagt. Er hatte das erste Mal gesagt, was er die ganze Zeit gedacht hatte. Noch bevor Oropher reagieren konnte, rannte Thranduil mit dem Schwert in der Hand den Feinden entgegen.

Itarille & Thranduil || Im SternenlichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt