Ein Stück Familie

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Thranduil eilte schnellen Schrittes auf Itarille und Oropher zu. Er trug nun ein rotes Gewand, welches ihn älter aussehen ließ. Eilig setzte er sich neben Itarille, die ihn fragend ansah. „Hast du heute noch einen dringenden Termin?", fragte sein Vater lachend und Itarille stimmte mit ein. Thranduil sah sie nacheinander genervt an und verschränkte dann seine Arme vor der Brust. „Ich kann euch zwei Hübschen doch nicht lange alleine lassen", sagte er selbstbewusst und Oropher runzelte die Stirn. „So viel Nettigkeit bin ich von dir gar nicht gewohnt." „Du würdest dich wundern", entgegnete Thranduil selbstsicher. „Ich kann nett sein, wenn ich will." „Und du kannst genauso gut ignorant und unhöflich sein", fuhr sein Vater fort. „Ich kann mich nicht beschweren!", mischte sich Itarille grinsend mit ein und Thranduil sah sie glücklich an. In seinem Blick lag wieder dieses fremde und doch so vertraute Etwas, welches Itarille nicht zu deuten vermochte. „Ich lass euch beide dann Mal in Ruhe", sagte Oropher und erhob sich schwerfällig aus seinem Stuhl. Er ging erneut zum Bücherregal und zog sich ein Buch heraus, bevor er in die Küche ging, welche direkt an den Wohnraum anschloss. Aus einem der unteren Schränke zog er eine Weinflasche heraus, welche er Thranduil in die Hand gab. „Itarille, es war mir eine Freude", verabschiedete er sich mit einer kleinen Verbeugung. „Die lag ganz auf meiner Seite", sagte Itarille und senkte ihren Kopf. Oropher wendete sich ab und verschwand durch die Haustür. „Wo geht er jetzt hin?", fragte Itarille und merkte erst dann, dass Thranduil die Inschrift der Weinflasche am Lesen war. „Ich denke er besucht einen alten Freund. Meistens tauschen sie sich über Bücher aus, das würde erklären, warum er Mal wieder eines dabei hat", nuschelte er und sah dann von der Flasche auf. Er stellte die Flasche vor sich auf den Tisch und stand auf. „Er hätte uns ruhig noch Gläser bringen können", beschwerte sich der Elb und Itarille schüttelte ungläubig den Kopf. „Seit froh, dass er euch überhaupt so bemuttert", sagte sie und Thranduil kam mit zwei Weingläsern zurück. „Er ist nicht meine Mutter", entgegnete er und setzte sich wieder, bevor er die Flasche öffnete. „Schon klar, aber das sagt man so", erklärte Itarille und lehnte sich vor. „Was ist eigentlich mit ihr?", fragte sie vorsichtig und beobachtete Thranduil, wie er den Wein einschüttete. „Sie ist vor einigen Jahren in den Westen gesegelt", sagte er wehmütig. „Sorgt euch nicht. Dann wird es ihr gut gehen", tröstete Itarille ihn und er blickte zu ihr. „Itarille, ich kann euch nicht genug danken. Seitdem ich euch kenne scheint alles besser zu sein", sagte er mit einem Lächeln und wendete sich dem zweiten Weinglas zu. Doriath, schoss es Itarille in den Kopf. Sollte sie ihm sagen, was Melian ihr berichtete hatte? Dass Doriaths Untergang kurz bevor stand. Nein, sie wollte ihm nicht die Illusion klauen, aber war es gerecht? Er glaubte, dass alles in Ordnung war, dabei würde ihr Ende bald kommen. Es gab nur einen Weg. Sie musste ihn dazu bringen Doriath zu verlassen, bevor er zu spät war. „Reist ihr eigentlich viel?", fragte Itarille und versuchte so gelassen wie möglich zu klingen. „Nein, nicht viel. Ich war einige Male in Nargothrond, allerdings reizt es mich nicht so sehr. Ich bin hier ganz zufrieden." Na perfekt, dachte Itarille. Das konnte ja noch etwas geben. „Und ihr?", fragte er und reichte ihr eines der beiden Gläser. „Danke. Würde ich nicht Fernweh haben, säße ich heut nicht hier", antwortete sie und lehnte sich zurück. „Woran habt gemerkt, dass ihr Reisen wollt?", fragte er interessiert und nippte an seinem Wein. „Ich wollte etwas anderes sehen, als immer nur den Taniquetil, Loriens Gärten, Tirion und die ewigen Weiten Amans. Zwar waren viele ehr weniger begeistert von meiner Abreise, aber es ist ja schließlich mein Leben", sagte sie und dachte zurück, wie entsetzt ihr Vater reagiert hatte, als sie sagte, dass sie Aman verlassen wollte. „Außerdem waren es die Geschichten aus diesen Ländern hier, die mich beschäftigt haben. Niemand konnte mir in Aman sagen, ob es stimmte, was aus Feanor, seinen Söhne oder den Elben, die nicht bis nach Valinor kamen, geworden ist." „Ich habe noch nie jemanden kenne gelernt, der so sehr an das glaubt, was er macht. Ich hätte es mich wahrscheinlich nie getraut. Vielleicht ist es auch das, was mich hier hält. Die Angst vor dem Ungewissen, die Angst vor Veränderungen", gab Thranduil zu bedenken und Itarille schmunzelte. „Also ich bin ganz zufrieden mit dem, was aus meiner Reise geworden ist", lächelte sie und Thranduil sah ihr tief in die Augen. „Habe ich euch eigentlich je Danke gesagt, für das, was ihr für mich getan habt?", fragte Itarille und legte ihren Kopf auf ihre Hand. Ihren Ellenbogen stützte sie dabei auf die Armlehne und in der anderen Hand hielt sie das Weinglas, aus welchem sie noch gar nicht getrunken hatte. „Ihr habt keinen Grund euch zu bedanken", antwortete er knapp und holte tief Luft. „Ich habe euch gesehen und schon gingt ihr mir nicht mehr aus dem Kopf", fuhr er fort. In Itarille stieg eine Wärme auf und ein Gefühl von Geborgenheit und Vertrauen überkam sie. So etwas Liebes und Ehrliches hatte nie wer zu ihr gesagt. Anstatt zu antworten, schwieg sie und musterte ihren Gegenüber zufrieden. „Antwortet ihr nie auf Komplimente?", fragte Thranduil. Itarille schüttelte lächelnd den Kopf. „So nette Worte finde ich nicht", sagte sie und Thranduil lachte. „Ach ich bitte euch", sprach er. „Ich sage euch einfach, was ich von euch denke und was ich fühle." „Tut ihr das immer?", fragte Itarille interessiert und er zögerte. „Nein", entgegnete er langsam und fuhr fort: „Aber ich habe einfach das Gefühl euch alles sagen zu können, ohne das es falsch ist oder das ich euch damit verärgere." „Mit diesen Worten wird es schwer, mich zu verärgern", gab Itarille zurück. „Und was denkt ihr über mich?", fragte Thranduil vorsichtig, allerdings war das Interesse deutlich zu hören. Itarille sah von ihm weg. Auf diese Frage war sie nicht vorbereitet. Was ich von euch denke und was ich fühle. Itarille holte tief Luft und stellte ihr Weinglas auf den Tisch. „Ich habe noch nie jemanden getroffen, mit dem ich so gerne zusammen bin, an den ich den ganzen Tag denke muss und mit dem ich unheimlich gerne Zeit verbringe", stockte sie und machte eine kurze Pause. „Wenn ich bei euch bin fühle ich mich zuhause, ich habe das Gefühl, dass ich hierher gehöre. Dann schaut ihr mich mit diesem Blick an, den ich nur von euch kenne. Wenn ich an euch denke, dreht sich alles im Kreis. Meine Gedanken sind verstreuter als je zuvor. Kein klarer Gedanke kommt zustande wenn ich an uns denke", fuhr sie fort und die Worte kamen nur so aus ihr heraus. Trotzdem war ihr Thranduils Gesichtsausdruck nicht entgangen als sie von ihnen Beiden gesprochen hatte. „Aber ich weiß nicht, was es ist", beendete sie langsam und Thranduils Züge wurden ernster. „Das ist die Liebe."

Itarille & Thranduil || Im SternenlichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt