Flucht

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Thranduil riss ein Stück seines Wollumhangs ab und wickelte ihn Beldir ums Bein. Der Elb lag schwach gegen einen Baum gelehnt und Thranduil kniete vor ihm. Oropher stand daneben und lauschte der Geräuschkulisse, die von Menegroth her kam. „Was sollen wir machen?“, fragte Thranduil und sein Hals fühlte sich immer noch kratzig an, obwohl die Wunde mittlerweile angefangen hatte zu heilen, im Gegensatz zu der von Beldir. „Wir können definitiv keinen Heiler aufsuchen. Es ist zu gefährlich nach Menegroth zu gehen, vor allem mit seinem Zustand“, sprach Oropher ruhig und wie er da stand, erinnerte er Thranduil an einen König. Seine anmutige Erscheinung, seine Größe und der Blick, der seine Gefühle nicht zeigte. „Denkst du sie werden…?“, fragte Thranduil vorsichtig und konnte den Satz nicht zu Ende bringen.  Die Vorstellung daran, dass Doriath fallen würde, schmerzte ihn sehr. „Ja. Wir haben kaum noch Soldaten. Ich muss dir nicht sagen, wie viele wir bei den Kämpfen mit den Zwergen verloren haben“, antwortete Oropher ehrlich und sein Sohn erhob sich. „Itarille hatte die ganze Zeit recht“, flüsterte er und erneut überkam ihn die Trauer. „Woher die Brüder sie wohl kennen?“, fügte er melancholisch hinzu und Oropher schüttelte den Kopf. „Manchmal bist du echt dämlich, Junge. Sie ist in Valinor aufgewachsen und Feanors verdammte Söhne auch.“ Thranduil blickte zu seinem Vater auf. „Ich…“ „Thranduil!“ Der Schrei fuhr ihm durch Mark und Knochen. Augenblicklich sahen Oropher und Thranduil in die Richtung, aus der Narewen gerufen hatte. Atemlos kam sie bei ihnen an und schmiss sich in Thranduils Arme. „Was ist los?“, fragte er besorgt und strich ihr das rote Haar aus dem Gesicht. Mit einem Schlag, war die Trauer wieder verschwunden. „Was los ist?“, schrie sie und riss sich von ihm los. So kannte er die junge Elbin nicht. Normalerweise war sie eher schüchtern als aufbrausend. „Sie schlachten alle ab!“, rief sie mit Tränen in den Augen. „Narewen, beruhig dich!“, zischte Oropher und warf ihr einen warnenden Blick zu. „Wenn sie dich hören, werden auch wir nicht mehr lange leben.“ Narewen schlug die Hände vor das Gesicht und sank in sich zusammen. „Dann müssen wir hier weg!“, sagte Thranduil und sah zu seinem Vater. „Lasst mich hier, dann schafft ihr es“, keuchte Beldir und Thranduil sah abwechselnd zu ihm, Narewen und seinem Vater. „Nein, das werden wir nicht“, sprach Oropher mit einem Ton, der keinen Widerstand duldete. „Ach und wie wollt ihr mit mir hier schnell wegkommen?“, schluchzte der verletzte Krieger. „Ich denke ich habe da eine Idee“, murmelte Thranduil und wurde von drei erwartungsvollen Blicken angeguckt.

Serondrychs platinblondes Haar wehte im Wind, während er an Thranduil vorbei sah und Beldir argwöhnisch musterte. „…daher brauchen wir eure Hilfe“, beendete Thranduil und Serondrych schnaufte. „Ich bezweifle, dass er reiten kann und Heilmittel besitze ich nicht“, entgegnete Serondrych kopfschüttelnd. „Lasst mich zurück“, forderte Beldir und erneut lehnte Oropher diesen Vorschlag ab. „Wir werden nicht ohne dich gehen“, sprach er und sah Serondrych durchdringend an. „Wir bitten euch lediglich um drei eurer Pferde, wenn ihr wollt, begleitet uns. Wir werden euch beschützen“, sagte Oropher und in Serondrychs Augen spiegelte sich auf einmal Wut wieder. „Beschützen?!“, rief er und wendete sich ab. „Dieses verdammte Land und seine verseuchten Bewohner können doch niemanden beschützen!“, spuckte er und Oropher sprang ihm mit wenigen Schritten hinterher. „Was haben wir euch getan, dass ihr uns so sehr hasst?“, fragte er sachlich. „Was ihr mir getan habt?“, schnaufte Serondrych und fuhr wild herum. „Ihr seid es dich Schuld, dass…“ Plötzlich stoppte der Elb und hielt inne. „Nehmt euch drei Pferde, aber lasst mich in Ruhe“, knurrte er und wendete sich wieder ab. Sein Gang war stockend und sein Haar leuchtete nicht in der Abendsonne. Es war matt und stumpf. „Was denkst du ist mit ihm?“, fragte Thranduil und sah zu seinem Vater, während er selber Beldir stützte. „Ich habe nun wirklich keine Zeit darüber nachzudenken Junge“, sprach Oropher und lief zur Hauswand, an welcher das Zaumzeug hing. Anschließend trat er auf eines der Pferde zu, welche friedlich auf der Grünebene grasten. Der Fuchs hob den Kopf und spitzte die Ohren, als Oropher vor ihm stehen blieb. Langsam trat der Elb wieder zurück, nachdem er die Trense angelegt hatte, und das Pferd folgte ihm willig. Zusammen mit Thranduil hievte er Beldir auf den Hengst. „Ich kann nicht reiten“, warnte Beldir mit traurigem Blick und Thranduil lächelte ihn an. „Ich aber!“, verkündete er und schwang sich hinter Beldir auf den Pferderücken. Narewen ging auf eine braune Stute zu, die sie vorsichtig beschnüffelte. Das Pferd war mindestens genauso schüchtern und zurückhalten wie Narewen selber. Derweil saß Thranduils Vater auf einem schlanken Schecken auf und lenkte ihn neben die anderen Elben. „Wir verlassen Doriath auf direktem Weg“, meinte Oropher und Thranduil nickte, aber ihm kamen Zweifel. „Aber wohin? Beldirs Wunde muss versorgt werden.“ „Und deine?“, gab Beldir zurück und atmete tief aus. „Außerdem könnt ihr mich zurücklassen, wenn ich euch aufhalten sollte.“ „Nein, das werden wir nicht. Allerdings war meine Verletzung nicht so tief wie deine. Sie heilt von alleine“, murmelte Thranduil und trieb das Pferd an. Beldir stützte sich auf den Hals und unterdrückte einen Aufschrei. Im Trab knallte sein Bein unsanft auf den Pferderücken. „Kommt, das geht schneller!“, rief Oropher und sein Pferd jagte im Galopp an ihnen vorbei. Thranduil drückte die Beine zusammen und mit einem Schnauben galoppierte der Fuchs an. Beldir griff nach seinem schmerzenden Bein und Thranduil legte einen Arm um ihn, damit er nicht runterfiel. Er sah kurz über die Schulter. Narewen hielt sich angestrengt auf der Stute. Sie hatte weniger Reiterfahrung als Thranduil oder Oropher, was nun deutlich auffiel. Thranduil ließ sein Pferd etwas langsamer laufen, bis er mit Narewen gleichauf war. Ihm war es lieber, sie an seiner Seite zu haben, als sie hinter ihm zu wissen. Beldir versuchte sich mühevoll aufzurichten und sich nicht vor Schmerz zu krümmen. „Halt durch, du schaffst das!“, ermutigte Thranduil seinen Freund und lenkte den Fuchs in Richtung Westen. Raus aus Doriath, auf den Weg zu den Sirion-Mündungen.

Itarille & Thranduil || Im SternenlichtWhere stories live. Discover now