Melian die Maia

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Thranduil suchte halt an der Wand. Der König lag reglos vor ihm auf dem Boden. Mehrere Zwergenleichen daneben. Das Nauglamir blutverschmiert in der Hand von einem der Zwerge. Die Schatzkammer war ein einziger Friedhof geworden. „Ist hier wer?", dröhnte eine Stimme in Thranduils Kopf und er hörte Schritte in dem Gang. Langsam drückte er sich an der Wand vorbei und trat auf den weiten Gang, in dem nicht nur Mablung gefallen war. Die vier Elben, die er gehört hatte, blieben bei seinem Anblick stehen. Keinen davon kannte er, es musste sich um Wachen des Königs handeln. Denn diese waren nie in den Wäldern unterwegs, sondern blieben stets in Menegroth. „Der König ist Tod", hauchte Thranduil. Ungläubig sprang der Hauptmann an ihm vorbei und jagte in die Schatzkammer. Einer der anderen Wachen sah mit weiten Augen auf Mablung, der wenige Meter vor ihm lag. Anscheinend konnte er nicht glauben, dass der größte Krieger des Reiches es nicht überlebt hatte. Die Stiefel des Elben, welcher in die Schatzkammer getreten war, hallten laut auf dem polierten Steinboden, welcher an vielen Stellen vor Blut glänzte. Die Stille, die eingetreten war, konnte Thranduil kaum aushalten. Nun war nicht nur Itarille weg, sondern sowohl Arasdir als auch Mablung und sein König hatten den Tod gefunden. Er hätte einfach mit Itarille gehen sollen, als sie ihn darum gebeten hat. „Er spricht die Wahrheit", sagte der Hauptmann und seine Stimme brach, während er wieder in den Gang trat. Die anderen drei Wachen schwiegen. Was kam nun? Menegroth war verwüstet, der König tot und etliche Elben waren gefallen oder verwundet.

Thranduil hatte gedacht, schlimmer konnte es nicht kommen, doch als er auf Melian traf, wurde er schlagartig vom Gegenteil überzeugt. Die Maia hatte sich komplett verändert. Ihre Haare hatten sämtlichen Glanz verloren, ihr Gesicht war eingefallen und ihre Augen matt. Dass genau in diesem Moment der Schutzbann verfiel, war ihm bewusst. Ebenso, dass nun ihre Feinde ohne Gegenwehr nach Doriath kamen. „Wo ist er?", fragte sie mit rauer Stimme. Sie hatte ihre Hände vor der Hüfte verschränkt, doch konnte Thranduil sehen, wie sehr ihre Hände trotzdem zitterten. „In der Schatzkammer", sprach der Hauptmann, der den Namen Celeborn und deutete auf die aufgebrochene Pforte. Thranduil hatte sich in den letzten Minuten nicht bewegt. Er konnte nicht sagen, wie lange er schon an der Wand gelehnt hatte, doch als Melian an ihm vorbeischritt, schien es ihm eine Ewigkeit zu sein. Ihre Miene änderte sich kaum, als sie ihren Toten Gatten erblickte. Schweigend betrachtete sie die Leiche und kniete sich langsam neben ihn. Liebevoll strich sie ihm durchs Haar, bevor Melian ihm auf die Stirn küsste und sich wieder erhob. Ihr Blick wandte sich zu dem toten Zwerg mit dem Nauglamir. Mit zittrigen Fingern nahm sie die Kette und drückte sie an ihre Brust. Thranduil konnte es nicht mit ansehen. Er schloss die Augen und in seinen Gedanken schloss er Itarille in die Arme. Ihre goldblonden Haare, ihre blauen Augen, der Geruch von Vanille. Was würde er dafür tun, wieder bei ihr zu sein. Vorausgesetzt ihr war nichts passiert. Hätte er ihr doch einen erfahrenen Krieger mitgeschickt oder wäre selber mitgegangen. Sie alleine mit Celebwen zu schicken war einfach töricht gewesen. An Beldir wollte er gar nicht denken. Schließlich hatte er sich von Itarille überreden lassen, sie alleine zuschicken und er war es gewesen, der versucht hatte Beldir zu vergewissern, dass nichts passieren würde. „Ich werde nach Valinor zurückkehren", sprach Melian und riss Thranduil aus seinen Gedanken. Sie stand bereits neben ihm und hielt das Nauglamir in ihrer Hand. „Bitte übergibt es meinem Enkel", bat sie Celeborn und er nahm das Nauglamir entgegen. Mit großen Augen blickte er auf das eingearbeitete Silmaril. Selbst Thranduil musste gestehen, dass es das wundervollste Juwel überhaupt war. „Werdet ihr sofort aufbrechen?", fragte er mit unsicherer Stimme und Melian nickte schwach. „Dann werde ich euch ein Gefolge geben. Alleine ist es..." „Nein", unterbrach die Maia ihn. „Vergesst nicht wer ich bin. Ich werde nicht in dieser Gestalt das Reich verlassen", erklärte sie und sie klang nicht mehr wie eine Königin. „Und nun geht, bringt Dior die verdammte Kette. Er soll entscheiden, was mit ihr passiert. Und sagt ihm, er solle seinen Vater ehrenvoll begraben. Von nun an ist er euer König." Die vier Wachen machten mit dem Nauglamir im Besitz sofort kehrt und machten sich auf dem Weg zu Dior, der irgendwo weiter oben den Kampf ausgetragen hatte. Wahrscheinlich hielt er sich mittlerweile im Thronsaal auf. Thranduil stieß sich von der Wand ab und wollte den Elben hinterher, als Melian ihn stoppte: „Wartet." Überrascht drehte er sich um und Melian sah in direkt an. „Ich weiß um eure Angst. Ich verspreche euch, dass ich Itarille für euch finde", flüsterte sie. „Das würdet ihr tun?", stotterte er und konnte nicht glauben, was er gerade gehört hatte. Würde eine der Mächtigen sich wirklich mit seiner Sorge auseinandersetzten? Er konnte nicht glauben, dass ausgerechnet Melian nach Itarille suchen würde. „Ja. Sie liebt euch sehr und ich habe meine Liebe verloren, aber ich wünsche mir, dass ihr eure zurückbekommt. Außerdem bin ich es auch Itarille schuldig. Sie hat viel für mich getan", sprach sie leise und Thranduil blinzelte, um die Tränen zu vermeiden. „Ich weiß nicht, wie ich euch danken kann", hauchte er und auf Melians Gesicht zeichnete sich ein schwaches Lächeln ab, bevor sie vor ihm verschwamm und sich ein blauer Nebel um ihn legte, der rasch wieder verschwand. Und er wusste, dass Melian die Maia Doriath verlassen hatte und nie mehr wiederkommen würde.

Itarille & Thranduil || Im SternenlichtOnde histórias criam vida. Descubra agora