06 † Ayla

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.Ayla.

„Erzähl mir von ihr. Wer war sie? War sie gut zu dir? Hat sie sich um dich gekümmert?"

Lippen aufeinander pressen. Stur das Kinn vorschieben. Trotzig die Arme verschränken.

„Ich weiß nicht weshalb du dich so gegen uns sträubst. Du wurdest von Gott ausgesucht, wir wollen dich befreien von deiner Last. Es muss doch schwer sein immer zu schweigen. Wieso schließt du all das in dir ein? Warum erzählst du mir nicht wie deine Schwester Sly war? ... Sly ist ein sehr altes Wort. Es bedeutet listig und schlau. Wusstest du das?"

Nimm ihren Namen nicht in deinen verlogenen Mund!

„Ist deine Schwester schlau? Wahrscheinlich oder? Hat dein Vater diesen Namen ausgesucht, hm? Ja? Hat er auch Ayla gewählt? Nein, das ist wohl eher ein Name den deine Mutter gewählt haben muss. Das sind seltene Namen. Du musst kluge Eltern haben. Was arbeitet dein Vater? Ah. Verstehe. Das muss schwer sein für deine Mutter. Euch ganz allein groß zu ziehen und zu versorgen. Deine Schwester hat sie sicher viel unterstützen müssen. Sie wollte dich beschützen, oder? Das war Sly, die sich auf die Soldaten geworfen hat. Ja. Aber es sollte nicht sein. Gott hat dich zu sich gerufen und das hat auch deine Schwester eingesehen. Sie hat dich gehen lassen. Sie weiß, dass du bei uns besser aufgehoben bist und wir dir den richtigen Weg zeigen. Sie hat es längst akzeptiert und auch für dich ist es dann einfacher. Wir können dir helfen. Glaub mir, Sly ist uns dankbar we-„

„Nein! Nein. Nein. NEIN. Hör auf! HÖR AUF DAMIT !"

Sie bringen mich zurück zu den anderen. Durch die Westtür in den Innenhof. Kinder halten die Hände in ihre strähnigen Haare verkrallt und hocken im Schatten, wiegen sich vor und zurück. Murmeln wirr vor sich hin. Sehen am laufenden Band all den Schmerz.

Der Mann der mich begleitet lässt mich da stehen, wo Benjamin vorletzte Nacht lag. In einer Lache. Der Boden hat sich dort verfärbt. Nur stehe ich hier in einer Lache aus Schmerz.

Das Lächeln der roten Frau brennt sich in meinen Rücken. Unerträglich.

Die Tür wird wieder geschlossen. Schließt mich aus, sperrt mich in unser Gefängnis. Jamie und Mort suchen erwartungsvoll meinen Blick. Fynn steht auf einem Haufen von Sandsäcken. Ich kann ihnen nicht in die Gesichter sehen. Die Enttäuschung, der Scham, hängt schwer in der Luft und erdrückt mich. Rasselnder Atem. Sauerstoff ist dickflüssig. Zäh und bitter. Die Lache aus roten Gefühlen wird immer größer.

Ich weiß, irgendwie haben sie geglaubt ich halte durch. Das hat ihnen Hoffnung gegeben. Mut. Jetzt begreifen sie, dass ich nicht anders bin als sie. Verletzbar. Manipulierbar. Durchschaubar. Die Roten können anfangen mich zu zerstören. Die Lache wird zum See.

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