08 ♣ Kapitel

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Was Macht hat, mich zu verletzen, ist nicht halb so stark wie mein Gefühl, verletzt werden zu können.

William Shakespeare


„Wir müssen hier raus" zische ich und versuch die aufsteigende Panik zu unterdrücken. Von allen Seiten pressen sich nasse Menschen an uns, reißen die Arme hoch, klatschen die Handflächen aneinander und lachen im Rausch der Musik.

Owain läuft ein Stück vor mir, er ist größer als ich und kann mehr sehen. Finger greifen nach mir, zerren an meiner Kleindung, schieben sich unter mein Hemd. Es hilft nicht viel, sie wegzuschlagen. Es kommen neue. Und sie sind hungrig. Hungrig auf Fleisch. Auf Wärme. Auf Nähe. Mit meinen hellen Haaren steche ich heraus, sie lassen mich nicht aus den Augen. Da sind immer jene, die mir folgen und mich wollen. Ihre Körper sind abstoßend, so verlangend und doch bin ich für sie nur ein Objekt zum Vergnügen. Es kostet mich eine Menge, ihnen nicht die Arme abzuhacken.

Eine Frau mit geflochtenem Haar schiebt sich vor mich, ich verliere den Blick auf Owain. Meine Hand zuckt zu meinem Dolch, nur mühsam kann ich mich beherrschen, die Händlerfrau nicht zur Seite zu stoßen. Konzentriere dich, Sly. Verlier nicht die Nerven.

Die Hure hebt ihren Rock über die Knie, augenblicklich wird sie von Männern umringt, ihr kurzes enges Oberteil lässt ihren Bauch frei, sie bewegt sich geschmeidig und tanzt geschickt durch die gierigen Hände der Soldaten.

Trommeln werden rhythmisch geschlagen, Rasseln lassen die Luft vibrieren, Gitarrenseiten begleiten den Donner, die stampfenden Füße sprechen von Leidenschaft. Es stinkt nach Alkohol und Exkrementen, die Nacht wird in den hunderten von Fackeln zum Tag.

Die Luft ist kalt, trotzdem schwitzen alle und ich muss nach Atem ringen, es drängen sich von allen Seiten Menschen auf mich ein. Sie erdrücken mich.

Jemand packt mich an der Schulter, ich fahre herum und sehe erleichtert Owain vor mir. Er nimmt mich am Arm und dirigiert uns geschickt durch die Tanzenden, doch statt raus aus dem Gewirr, nimmt er mich immer tiefer in das Gedränge aus sämtlichen Gliedmaßen mit. Angst steigt in mir hoch, hier habe ich keine Möglichkeit mich zu verteidigen oder einen Angriff abzuwehren.

Owain und ich laufen nebeneinander, er flüstert mir zu.

„Sie sind hinter uns her. In der Masse können sie uns nicht folgen. Vertrau mir." Die letzten zwei Worte versetzen mir einen Stich. Ich schlucke den Kloß in meinem Hals herunter und lasse mich mitziehen.

Plötzlich stehen wir am Ende des Marktplatzes, an der äußeren Häuserreihe. Ich schnappe nach frischem Sauerstoff und verziehe den Mund bei dem Gestank. Immerhin bekomme ich nicht mehr sämtliche Ellbogen in die Seite gestoßen und glaube, fremde Hände auf mir zu spüren.

Von hier aus gehen drei Gassen und eine Hauptstraße ab. Owain hält zielstrebig auf eine der Gassen zu, nicht gerade die, die am empfänglichsten aussieht. Die Dächer berühren sich fast und lassen kaum etwas vom bewölkten Himmel übrig. Ich fühle mich wie in einer Kiste, da ist wieder dieses Unwohlsein in einem Käfig zu sein.

Es ist dunkel, keine Fackel erleuchtet die Finsternis. Meine Augen begrüßen die Schwärze, wollen sich erholen von den vielen Schatten die mit der Masse tanzen und das Licht zum flackern bringen.

„Hier rein." Mein Begleiter deutet auf ein altes Haus, dass aussieht, als hätte es jemand genommen und zusammengedrückt. Ein kleines Schild hängt über der Holztür. Es zeigt einen dünnen weißen Baum, darunter steht in kaum lesbarer Schrift „Zu den drei Birken." Die einzelne Birke wirkt verloren und blass, ihr Stamm und die Äste haben die Farbe von Knochen angenommen. Ich unterdrücke mein Unwohlsein und ignoriere die vergilbten blinden Fenster, die wenig einladend und wie zusammengekniffene Augen auf die Gasse starren.

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