03 ♣ Kapitel

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„Bäume sind die Bemühungen der Erde, mit dem Himmel zu sprechen."

Rabindranath Tagore


Einen Moment bin ich verwirrt als ich die Augen aufschlage. Felsen und der Nachthimmel über mir statt die zugige Decke meines Zimmers. Auch ist kein Fenster da mit zerrissenen Tüchern, die die pfeifenden Löcher stopfen sollen, doch eines ist wie immer, meine kleine Schwester schlummernd in meinem Arm. Ihr Brustkorb hebt und senkt sich und ich entspanne mich augenblicklich in ihrer Anwesenheit.

Vorsichtig, um sie nicht zu wecken, setze ich mich auf und ziehe sogleich scharf die Luft durch die Zähne als ein stechender Schmerz zu mir durchdringt. Keuchend presse ich eine Hand an meine Schulter und spüre das etwas Heißes, Warmes durch den Verband trieft. Ich meide es hinzusehen, stattdessen ziehe ich die Wolldecke noch etwas weiter über Ayla.

Es ist kühl, wenn ich meinen Atem ausstoße steigt eine Dampfwolke auf. Bei uns in der Stadt war es nachts ebenfalls sehr kalt doch nie so sehr wie hier, eisig streckt die Kälte ihre scharfen Krallen aus nach allem Leben.

Irgendwie steigt Panik in mir hoch, ich kann die Sterne nicht sehen, das einzige sich nicht Wandelnde. Unter Anstrengungen und Gestöhne rutsche ich bis zum Ende des Felsendachs und suche nach den großen, hellen Lichtern. Erleichtert hole ich tief Luft und zähle bis zehn um die Schmerzen zu vertreiben. So sitze ich eine ganze Weile da und genieße es den Sternen zuzusehen wie sie ganz langsam, fast gar nicht sichtbar ihre Bahn ziehen.

„Kannst du auch nicht schlafen?" Ich zucke zusammen und fahre alarmiert herum.

„Alles okay, ich bins nur" flüstert Owain und setzt sich neben mich. Als ob ich in seiner Gegenwart entspannt wäre ! Ich kneife die Augen zusammen und sehe ihn an. Die Dunkelheit verbirgt seinen Gesichtsausdruck größtenteils doch ich kann die Schatten seiner Grübchen sehen uns weiß das er lächelt.

„Ich kenne dich nicht. Du könntest genauso gut auch einer der Soldaten sein ..." damit spreche ich meine Zweifel ihm gegenüber laut aus.

„Stimmt. Oder du vertraust mir einfach" gibt er ruhig zurück.

„Vertrauen will verdient sein."

„Ich werde es mir verdienen."

Darauf erwidere ich nichts. Am Horizont zeichnen sich die Konturen der Felsen ab. Ich beobachte weiter die Sternenbilder und denke mit Wehklagen noch einmal an Mutter. Daraufhin fasse ich mir auf den Kopf und rücke die Wollmütze zurecht die sie uns mitgab. Auf Aylas Kopf ruht ebenfalls eine. Für die niedrigen Temperaturen sind sie sehr nützlich. Kurz überlege ich ob ich Owain eine anbieten sollte denn irgendwie war ich ihm ja etwas schuldig. Mutter hatte es gehasst anderen etwas schuldig zu sein, sie nahm nie Almosen der Nachbarn an. Immer war sie es die den anderen etwas gab obwohl sie selbst zu wenig hatte. Dafür bewundere und liebe ich sie. Ebenso meine kleine Schwester, sie vergaß nie die anderen Kinder.

„Wie heißt du?" fragt Owain schließlich. Ich wäge kurz meine Alternativen ab. Soll ich mir einen Namen ausdenken oder gar nicht antworten? Er kennt meinen Namen bereits. Er muss ihn wissen. Sicher hat er ihn gehört als Ayla mich rief oder schon vorher. Wieso will er es dann trotzdem von mir hören?

Ich entscheide mich für die Wahrheit.

„Sly."

Er atmet hörbar aus, so als wäre er erleichtert. Verwundert betrachte ich seine Silhouette welche sich dunkler von der Umgebung abhebt.

„Du vertraust mir also" raunt er. Nicht herausfordernd oder spöttisch sondern fast erfreut.

„Ach ja?" widerspreche ich.

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