06 ♣ Kapitel

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Bedenke, was du bist: Vor allem ein Mensch, das bedeutet ein Wesen, das keine wesentlichere Aufgabe hat als seinen freien Willen.

Epiktet


Ich kann die Blicke von Owain spüren, neben der seltsamen Hitze und Kälte, die durch meinen Körper schießt, und dem beißenden schreienden Wind.

Wir sind seit Sonnenaufgang gelaufen. Owain verlangt jede Stunde, dass wir eine Pause einlegen und ich mich ausruhe. Wenn es geht, wechsele ich meine Verbände. Die Verletzungen reißen immer wieder auf, bei unserem Marsch ist das unvermeidbar, die Tücher sind blutdurchtränkt aber wir haben nicht genug Wasser, um sie jedes mal auch nur ein bisschen zu säubern.

Mein Fuß pocht ununterbrochen. Nach ein paar Meilen Bewegung scheint es langsam besser zu werden. Eine große Erleichterung, zumindest für die ersten Stunden.

Gegen Mittag wird es wieder schlimm. Ich falle zurück und versuche gegen die Ohnmacht zu kämpfen. Immer wieder habe ich das Gefühl abwechselnd in eiskaltes Wasser zu tauchen nur um sofort wieder in ein Feuer geworfen zu werden.

Unser Plan war es, bis Einbruch der Nacht in ein verlassenes Dorf zu kommen und dort bis zum Morgen zu warten. Das Problem an diesem Plan . . . bin ich.

Durch mich verzögerte sich der gesamte Zeitplan. Natürlich hatten Owain und ich nicht erwartet, dass ich die Strecke bis zu der größeren Stadt im Nordosten schaffe. Also nahmen wir den kleinen Umweg in ein Dorf, um hier für den Rest des Tages zu rasten und den nächsten Tag einzuschätzen.

Ayla schlug sich tapfer. Sie bekam einen kleinen Beutel, aus einem Hemd gemacht, in dem sie Trockenobst und einige Kleidungsstücke trug. Das war ihre Aufgabe und sie konzentrierte sich darauf, wofür ich sehr dankbar war. Denn ich war nicht in der Lage, an irgendetwas anderes zu denken als „Heiß...Kalt...Schmerz...Kalt...Pochen...Aufhören...Nein..Weiter."

Die schweren Sachen, wie die Wasservorräte, teilten Owain und ich auf unser Gepäck auf. Ich spürte wie das Gewicht mich runter zog, Schritt für Schritt, jeder Meter hart erkämpft und mit Schmerzen bezahlt. Wenn ich versuche den Rucksack zu schultern merke ich, wie das Blut den Verband küsst.

Ich war der Schwachpunkt an der ganzen Sache, obwohl ich darauf bestanden hatte aufzubrechen. Es war nicht mehr ertragbar, nur einige Meilen von der Stadt weg zu sein und an Mutter zu denken. Daran, dass ich ihr nicht helfen kann. Wären wir noch länger bei den Felsen geblieben, hätte ich wahrscheinlich irgendwann den Entschluss gefasst Mutter zu befreien, wenn sie noch am Leben ist. Darum waren diese Schmerzen trotzdem noch besser, als die Qualen des Nichtstuns. Sie geben mir das Gefühl, immerhin irgendetwas zu machen.

Ich brauche wieder ein Ziel. Meine Aufgabe sollte es sein, Ayla sicher zu Koule zu bringen und dann ... vielleicht Mutter suchen, wenn meine Schwester in Sicherheit ist.

Doch alles wozu ich fähig bin, sind meine halbzusammengekniffenen Augen starr auf den Horizont zu richten und schlurfend weiterzugehen. Das erforderte all meine Kraft. Aber so, wie die Lage aussieht, würden wir nicht einmal gegen Abend das Dorf erreichen. Allein könnten es Owain und Ayla schaffen, die ersten Ruinen dürften nur noch sieben Meilen weit sein. Für mich erscheint es eher unmöglich, auch nur noch hundert Meter zu kommen.

Vielleicht ... liefert er sie nicht aus. Wenn ich sterbe, passt er...vielleicht.auf.. sie.auf.....und bringt......sie zu..Koule.

„Sly? Alles in Ordnung? Sly, hörst du mich?" Eine verschwommene Gestalt steht vor mir. Nein. Beugt sich über mich. Liege ich auf dem Boden? Ich weiß nicht mehr, dass ich gefallen bin.

Er sagt irgendetwas. Eine tiefe, unverkennbar männliche, Stimme. Ich weiß, dass es Owain sein muss, aber ich verstehe nicht, was er sagt. Mein Mund steht offen, will ihm antworten, er soll es noch einmal sagen aber es kommt nichts heraus. Ich schnappe schwer nach Luft. Plötzlich zieht sich meine Lunge krampfhaft zusammen, mein Fußgelenk scheint auf die dreifache Größe anzuschwellen und platzen zu wollen. Es fühlt sich an, als würde jemand in meinem Gelenk auf die Knochen hauen, voller Freude an dem Klang, den es von sich gibt. Meine Hände suchen nach dem Urheber dieses Leidens, greifen aber ins Leere. Ich will mich irgendwo festhalten, suche Halt aber es gibt nichts. Da ist einfach nichts.

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