15 ♣ Kapitel

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Ein gegebenes Versprechen ist eine unbezahlte Schuld.

William Shakespeare


Es vergehen die Tage wie Sekunden. In drei Nächten zittert die Erde und ich liege wach.

Owain beschließt mir beizubringen, was er über den Nahkampf weiß. Mein Rücken schreit wenn ich mich zu schnell bewege aber ich genieße die Schmerzen fast. Sie geben mir das Gefühl etwas zu tun und ich dehne die neue Haut. Mit zusammengebissenen Zähnen trainieren wir jeden Abend die letzten Stunden vor Sonnenuntergang. Mit Fäusten.

Es ist der erste Tag, seit wir den Fluss erreicht haben. Ich bin erbärmlich. Owain gibt sich sichtlich Mühe mich nicht zu Brei zu schlagen. Nach einer halben Stunde bin ich schweißgebadet und habe mehr blaue Flecken als ich zählen möchte, doch das Adrenalin schießt durch meine Adern. Ich schlage frontal zu, Owain weicht aus und greift meinen Arm, zieht in zu sich heran und dreht ihn mir auf den Rücken. In unfassbarer Geschwindigkeit. Verkrümmt und stöhnend halte ich inne bis er mich freigibt und das ganze von neuem beginnt.

„Du bist kleiner als ich und somit auch wendiger. Die meisten deiner Gegner werden dir an Größe und Kraft überlegen sein. Sei schnell und zielsicher wie eine Schlange. Du musst vorschießen und in der selben Sekunde deine Deckung zurückerlangen. Wie ein Biss. Verstehst du?"

Ich nicke und presse die Lippen fest aufeinander. Der Händler lacht und schüttelt den Kopf. Ich habe nichts davon verstanden und stecke nur noch mehr Treffer ein. Kein einziges Mal komme ich durch Owains Abwehr. Als es dämmert beendet er den Kampf. Lächelnd und ohne einen Kratzer. Ich fahre mir über die Augen um den Staub und Schweiß abzuwischen. Der Fluss rauscht hundert Meter zu meiner Rechten. Es ist mehr ein Bach als ein Fluss aber es reicht um sich wieder sauber zu waschen.

Tag Zwei. Wir lassen den Silbernen Zahn zwei Meilen zu unserer Linken um rechtzeitig auf Reisende aufmerksam zu werden und doch verlieren wir ihn nicht aus den Augen. Er weist uns den Weg und je mehr Meilen wir zurücklassen, desto breiter wird das Gewässer.

Seit der Auspeitschung bin ich nicht mehr geritten. Der Mann sagt, ich müsse wieder reiten, sonst seien wir zu langsam mit dem Wagen, zu schwer mit mir. Er sagt es sehr überzeugend und mit perfektem Desinteresse und doch ist es wohl kaum offensichtlicher, dass sie mich dazu bringen wollen etwas zu tun. Owain und er. Sie wollen meine Albträume und Zweifel ersticken. Ich würde ihnen gern sagen, dass das nicht möglich ist, denn es ist ein Meer aus Flammen. Sie würden untergehen. Und doch. Ich sitze im Sattel. Zuerst verkrampft. Owain besteht auf Übungen. Er behauptet zur Tarnung oder Flucht sind sie nützlich. Er will mich beschäftigen. Vielleicht sogar sich selbst ablenken. Es funktioniert. Tagsüber zumindest.

Mein Freund zeigt mir wie ich mich auf eine Seite des Tieres hänge ohne gesehen zu werden. Das lerne ich wesentlich schneller als Nahkampf. Nach wenigen Stunden bin ich fast so gut wie Owain, kann mein Pferd mit einem einzigen Schenkeldruck wenden. Die Muskeln spannen sich unter dem Leder wenn es sich im Galopp streckt und ich genieße das Gefühl zu fliegen.

Owain lässt seinen Braunen locker neben mir galoppieren. Hinter uns tuckert das Packpferd mit dem Wagen über den steinigen Weg. Er löst seine Füße aus den Steigbügeln und kniet sich in den Sattel, langsam geht er in eine Hocke. Seine Beine strecken sich. In einer Hand die Zügel, die andere hält ihn im Gleichgewicht. Das Pferd wird nicht langsamer als sein Reiter steht. Ich schaue zu ihm auf. Er sieht mich an, nickt leicht mit der Andeutung eines Lächelns. Seine Haare werden vom Wind zerzaust, sie sind länger geworden in den Wochen unserer ersten Begegnung. Sein Gesicht spiegelt die unterschiedlichsten Regungen. Gerade als ich anfange zu begreifen, wer er ist, gleitet mein Freund in einer einzigen fließenden Bewegung zurück auf den Pferderücken und nimmt die Zügel auf. Wir werden langsamer und reiten die restliche Zeit still neben dem Händler.

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