Kriegsgebiet

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Mit einem lauten Knall schlägt die Tür hinter mir ins Schloss. Fluchend, dass ich den Schlüssel noch außen stecken gelassen habe, trage ich die schweren Einkaufstaschen in die Küche und stelle sie auf den Tisch. Meine Fußsohlen brennen in den hohen Schuhen, als ich zurück eile und meinen Schlüsselbund aus der Tür ziehe.

Einen Moment bleibe ich im Flur stehen, atme tief durch, bevor ich mich von den unbequemen High Heels befreie, sowie meinem Mantel, welcher mich bereits nach so kurzer Zeit hier drinnen zum schwitzen bringt. Aus meiner Hosentasche krame ich ein Haargummi, welches ich so schnell wie möglich um meine störenden Haare binde. Durchs Wohnzimmer gehe ich in mein kleines Schlafzimmer, auf dem Weg schalte ich noch den Fernseher an. Achtlos schmeiße ich die Fernbedienung zurück aufs Sofa, von dem sie abprallt und auf dem Laminat landet.

Den Fakt, dass sie in ihre Einzelteile zersprungen ist, ignoriere ich gekonnt und schlüpfe so schnell wie möglich in meine Jogginghose und einen Pullover. Beides liegt stehts bereit über meinem Stuhl. Während ich unter dem weiten Oberteil meinen BH ausziehe, blicke ich nach draußen. Die Sonne ist schon vor Stunden untergegangen, doch das ist nichts ungewöhnliches. Selten komme ich nach Hause, wenn es noch hell ist. Das übliche Primetime gucken am Abend musste ich mir abgewöhnen, als ich ausgezogen bin und diesen Job angenommen habe.

Generell sehe ich noch wenig fern. Ich lasse die nichtssagenden Serien und immer gleichen Nachrichtensendungen im Hintergrund laufen, wenn ich koche oder Mails beantworte. Ich konnte Stille nie ausstehen und das hat sich auch nach fünf Jahren alleine leben, nicht geändert. Befreit von all den Sachen, die den ganzen Tag über kratzen, drücken und rutschen gehe ich in die Küche, welche durch eine große Durchreiche mit dem Wohnzimmer verbunden ist.

Der Nachrichtensprecher erzählt irgendwas von 75 Jahren Kriegsfreiheit, während ich meine Einkäufe ausräume. Das Thema interessiert mich recht wenig, weg schalten tue ich nur nicht, weil mir dafür der Aufwand die Fernbedienung zu holen, viel zu groß wäre.

Flüchtig werfe ich einen Blick in den Kühlschrank und ins Gefrierfach, um mich dann wie so oft, für ein Fertiggericht zu entscheiden. Lustlos kippe ich die Ravioli in den Topf und erhitze diesen, schwinge mich dann auf die Arbeitsplatte. Kurz noch ein paar Mails auf meinem Handy beantwortet, den Nachrichten meiner Freunde geantwortet und die üblichen Social Media Accounts durch gescrollt, ist mein Abendessen auch schon fertig.

Mit dem vollen Teller lasse ich mich auf die Couch fallen, lasse meinen Blick zwischen den Nudeln, meinem Handy und dem Fernseher desinteressiert hin und her gleiten. Ein Trott, den ich schon viel zu lange habe, aber für den mir auch die Kraft fehlt ihn zu unterbrechen. Ich hatte mich schon mal in einem Fitnessstudio angemeldet, als ich aber nach einer Woche noch keinen Effekt gespürt habe, außer dass ich auf einmal mehr Wäsche zu machen hatte, habe ich auch dieses Projekt direkt fallen lassen.

Aufgegessen, stelle ich das Geschirr auf den Beistelltisch und bücke mich dann nach den Teilen der Fernbedienung. Mit geübten Handgriffen kann ich diese wieder zusammenfügen, wickel das bereits kaum noch klebende Band, welches eigentlich alles zusammenhalten soll, wieder an Ort und Stelle. Auch wenn ich weiß, dass meine Suche vermutlich erfolglos sein wird, zappe ich einmal alle Kanäle durch, nur um am Ende wieder auf dem selben zu landen.

Beeindruckende Bilder vom Brandenburgertor, dem Platz vorm Eifelturm und dem Times Square werden gezeigt. Bunte Luftballons steigen in den Himmel, während Staatsoberhäupter stolz den Frieden verkünden, den sie so lange eingehalten haben. In Dauerschleife läuft unten ein rotes Textfeld durch. Morgen soll es stürmen. Seufzend blicke ich kurz zu meinem verhassten aber wunderschönen Mantel an der Garderobe, bevor ich weiter lese. Nichts wirklich neues oder beeindruckendes steht dort. Ein Terroranschlag in der Türkei, Britney Spears hat sich wieder eine Glatze geschoren, ein Amoklauf in LA, ein entlaufendes Känguru aus dem Zoo, eine Bombe am Flughafen in Berlin, Daniel Radcliffe der sich für eine Kostümparty als Ron Weasley verkleidet hat.

HirngespinsteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt