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F A Y E

Ein lautes Quietschen am anderen Ende der Leitung verriet, dass er gerade eine Vollbremsung hingelegt hatte. Ich hoffte inständig, dass niemand hinter ihm fuhr.

"Was hast du gerade gesagt?", energisch atmete er ein und aus, während ich versuchte, den Schatten vor meinem Fenster zu ignorieren.

"Ich... Ich glaube, da ist jemand vor meinem Fenster.", wiederholte ich, versuchend, das Zittern in meiner Stimme zu verbergen. Doch mir war klar, das Louis das trotzdem vernehmen konnte; vor ihm konnte ich nichts verstecken.

"Soll ich nachsehen?", fragte ich leise, nachdem ein paar Augenblicke nichts außer sein stetiger Atem zu hören war. Ich wusste, dass seine Gedanken innerlich rasten. Zumindest hätten das meine getan, wenn ich in seiner Haut stecken würde. Bei mir schwebte im Moment nur ein Gedanke im Kopf; Wer stand vor meinem Fenster?

Ich war mir ziemlich sicher, dass da jemand stand. Ich habe die Bewegung im Augenwinkel gesehen und außerdem konnte man eine menschliche Silhouette ausmachen, auch wenn es dunkel war.

"Nein," kam es bestimmt zurück, "Du wirst dich nicht bewegen, hast du verstanden?"

Ich schluckte. "Aber da steht jemand! Wie soll ich da still bleiben?" flüsterte ich, denn ich hatte irgendwie das Gefühl, als wenn diese Person mich verstehen konnte. "Ich habe Angst, Louis," fügte ich hinzu.

"Scheiße," hörte ich ihn murmeln, "Bleib ruhig. Bleib einfach ruhig."

"Nein," erwiderte ich und ich hatte keine Ahnung, wieso ich das gesagt hatte. Und doch sprach ich meine Gedanken weiter aus, so als wenn ich die Kontrolle über meinen Mund verloren hatte, "Ich werde nachsehen. Das Fenster ist zu, er wird schon nicht reinkommen. Ich will nur sehen, ob da wirklich jemand steht und wer das ist."

Ich hörte ihn laut ausatmen. Ich wusste, dass er wütend wurde, aber ich war hier mit der Vermutung, dass jemand vor meinem Fenster stand und nicht er. Und ohne Gewissheit nur da zusitzen und abzuwarten, konnte ich nicht. Das machte mich nur noch nervöser und jagte mir um einiges mehr Angst ein.

"Faye...", in seinem Ton lag etwas warnendes, etwas bedrohliches, was mich innehalten ließ. "Hör auf mit dem Scheiß und bleib liegen," befahl er.

Ich antwortete nicht und setzte mich stattdessen auf. Ein schmerzhaften Stechen in meiner Brust ließ mich zusammenzucken und aufstöhnen. Jetzt hatte ich mich sowieso verraten.

"Bleib liegen.", zischte er und ich könnte wetten, dass er die Zähne zusammengebissen hatte. Er war wütend, ohne Zweifel.

"Nein, Louis. Ich will wissen, we-" ich unterbrach mich selbst mit einem schmerzerfüllten Stöhnen, als ich vorsichtig aufstehen wollte.

"Faye, ich sage es zum letzten Mal. Bleib verdammt nochmal liegen!"

Mit seiner Stimme im Ohr, ließ ich das Handy auf der weißen Bettdecke liegen und setzte meine nackten Füße auf den kalten Boden auf. Kurz zuckte ich wegen der Kälte zusammen, bevor ich mich zusammenriss, mein Gewicht auf meine Beine verlagerte und langsam aufstand. Doch ein leichtes Ziepen in meinem Arm erinnerte mich daran, dass ich immer noch mit der Maschine verkabelt war. Vorsichtig und etwas zögerlich zog ich die mit Schläuchen verbundenen Nadeln aus meinem Arm. Es war ein komisches Gefühl.

"Ich schwöre bei Gott, wenn du jetzt verdammt noch mal nicht wieder ins Bett zurückgehst...", er ließ die Drohnung offen, was sie noch viel schlimmer darstellte. Aber irgendwie erreichten seine Worte mein Gehirn nicht mehr, denn alles worauf ich mich konzentrierte, war das Fenster vor mir. Die Person musste bemerkt haben, dass ich auf sie aufmerksam geworden bin, denn sie fing an, sich kaum merkbar zu bewegen.

Danger ↣ l.tWo Geschichten leben. Entdecke jetzt