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F A Y E

Das dröhnende Geräusch des Motors war das einzige, was meilenweit zu hören war. Die Straßen, auf denen wir entlangrasten, waren wie ausgestorben und wieder einmal war es eine Gegend, die ich nicht kannte. Was allerdings gleich war, waren die grünen Wiesen und Felder, an denen wir vorbeifuhren. Ich hatte zwar keine Ahnung, wo wir hinfuhren, doch dieses mal vertraute ich Louis. Ich war mir mehr als nur sicher, dass er nicht schon wieder zu dieser alten, verlassen Villa fahren würde.

Ein eisiger Wind wehte mir ins Gesicht, woraufhin ich die Augen zusammen kniff und die frische Luft einatmete. Ich hatte keine Ahnung, wie lange wir schon fuhren, doch es fühlte sich an, wie eine halbe Stunde. Als ich die Augen wieder öffnete und an Louis' Rücken vorbei schaute, konnte ich nichts außer der nie enden wollenden Landstraße erkennen. Ich würde ihn liebend gerne fragen, wo er hinwollte, aber ich wusste dass er mir erstens nicht antworten würde und zweitens, er mich wahrscheinlich gar nicht hören könnte. Also beließ ich es dabei und genoss stattdessen die Aussicht auf meiner linken Seite. Eine bunte Wiese erstreckte sich bis zum Ende meines Sichtfeldes; Sie war über und über bedeckt mit abertausenden von Blumen. Es war ein wunderschöner Anblick, den ich am liebsten für immer in meinem Kopf eingespeichert haben wollte. Erst als meine Wangen schon wehtaten, bemerkte ich, dass meine Lippen sich zu einem unaufhörlichen Lächeln gehoben haben. Doch ich tat nichts dagegen, im Gegenteil; meine Mundwinkel hoben sich noch ein Stückchen höher. Ich wusste nicht, wann ich das letzte mal so gelächelt hatte, aber es musste eine Ewigkeit her gewesen sein. Und das ausgerechnet Louis es schaffte, dieses wieder auftauchen zu lassen, grenzte an einem Wunder. Kurz schielte ich zu ihm hinüber und konnte überraschenderweise ein leichtes Schmunzeln auf seinen Lippen erkennen. Dies hob meine Laune noch ein Stück mehr und ich fühlte mich so glücklich, wie schon lange nicht mehr. Das Lächeln wollte nicht mehr aus meinem Gesicht weichen und ich bezweifelte, dass es heute noch irgendjemand schaffen könnte. Wenn, dann bräuchte derjenige schon einen sehr triftigen Grund.

Nach einer Weile war das Blumenfeld schon längst außer Sicht und mittlerweile wahrscheinlich schon wieder eine Viertelstunde vergangen. Wie lange würden wir wohl noch brauchen? So entspannend eine Motorradfahrt auch sein konnte, so tat einem das Gesäß nach einer Weile doch schon weh. Ich war es nicht gewohnt, so lange auf einem Motorrad zu sitzen, wobei ich dachte, dass Louis es wahrscheinlich überhaupt nichts ausmachte. Als ich diesmal an Louis' Rücken vorbei schaute, konnte ich mit Freude feststellen, dass die Landstraße bald vorbei war. Diese endete in einem schmalen, holprigen Pfad, der in einen kleineren Waldstück führte. Ich war überrascht, dass wir schon wieder in einen Wald fuhren und dennoch glaubte ich nicht, dass sich in diesem Wald eine Horrorvilla befinden würde. Dafür sah es zu friedlich aus; zu schön. Das Motorrad gelangte mit einem Ruckeln auf den schmalen Pfad, das beim weiterfahren auch nicht wieder aufhören wollte. Der Boden unter uns war uneben, und es schien eigentlich kein Weg zu sein, der oft befahren wurde. Das Geräusch der zwitscherndern Vögel über uns in den Bäumen ließ mich entspannen, und ich schaute auf, in der Hoffnung, einige zu entdecken. Leider konnte man sie durch die ungewöhnlich dicke Blätterschicht nicht sehen. Doch trotz der Dichte dieser Blätterschicht, strahlten hier und da ein paar Sonnenstrahlen hindurch; verliehen der Aussicht wunderschöne, grünliche Tupfen auf den Boden.

Mit einem Mal hörte das Ruckeln auf und ich schaute verwundert nach vorne. Der unebene Pfad hatte geendet, stattdessen fuhren wir nun einen kleinen, mit Gras überwachsenen Abhang hinunter. Und in dem Moment, in dem ich sah, was sich unten befand, verschlug es mir den Atem.

Es war wunderschön.

Nie in meinem ganzen Leben, hatte ich je so etwas faszinierendes, so etwas unglaublich schönes gesehen. Mit großen Augen schaute ich mich um; ich konnte es nicht fassen. Es war eine kleine Lichtung, mit einer riesigen Trauerweide am Rande, die man vorher, beim hinfahren nicht sehen konnte. Und neben dieser Trauerweide, befand sich ein kleiner See, der im Licht der Sonne funkelte und glitzerte. Die hängenden Blätter der Trauerweide verdeckten die Sicht für Schaulustige; machten das Bild hier perfekt. Der Platz war so abgespalten und so versteckt, dass mir klar wurde, dass wenn überhaupt, dann nur eine handvoll von Menschen diesen Ort hier kannten. Ich schloss die Augen und hörte den Geräuschen zu. Der Wind fuhr durch die Blätter der Trauerweide; ließen sie rascheln, während der See leise vor sich hinplätscherte; wahrscheinlich waren es ein paar Fische, die dieses Geräusch verursachten. Auch in diesen Teil des Waldes waren die Vögel nicht verschwunden, die glücklich ihr Lied umherpfiffen. Nur das Dröhnen des Motors passte überhaupt nicht hierher. Ich öffnete die Augen wieder, als das Motorrad zum stehen kam. Fast sofort danach stieg Louis ab und der Motor verstummte augenblicklich. Er hielt das Motorrad aber noch fest, da es sonst wahrscheinlich umgefallen wäre. Mit einem riesigen Lächeln auf den Lippen, warf ich das eine Bein auf die andere Seite und stieg ab. Als ich den Grasüberwachsenen Boden unter meinen Füßen spürte, musste ich mich, wie beim ersten Mal, mit der Hand am Motorrad abstützen, da mir wieder schwindelig wurde. Doch das Gefühl verschwand nach ein paar Sekunden wieder und ich riss mir so schnell es ging den Helm vom Kopf. Die leichte Brise wehte durch meine Haare und ich hielt einen Moment inne, um das Gefühl zu genießen.

Danger ↣ l.tWo Geschichten leben. Entdecke jetzt