Der Fluch der Topsy-Turvy | W...

By jinnis

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Kalina ap Theron braucht dringend einen Job, um sich und die gemischte Crew ihres Raumfrachters durchzubringe... More

2 - Die Brutkammer
3 - Das Geheimnis von Tanencha sy Tyrin
4 - Der Fluch
5 - Unangenehme Begegnung
6 - Vom Regen...
7 - ... in die Traufe
8 - Kalis Geschichte
9 - Wo ist der Eindringling
10 - Verloren im All
11 - Ruhe vor dem Sturm
12 - Auf Eis gelegt
13 - Neuland
14 - Lebenszeichen
15 - Im Anflug
16 - Topsys Fluch
17 - Erkundungstour
18 - Explosive Entdeckung
19 - Missgeschick
20 - Schatten der Vergangenheit
21 - Verzweifelte Pläne
22 - Von Schleudern und Vertrauen
23 - Topsilina
24 - Das Herz von Ajs an'Hlj
25 - Höllenritt
26 - Ausstieg aus dem fahrenden Zug
27 - Wie Zuckerwatte
28 - Das Lied von Sqia'lon Sieben
29 - Teamwork
30 - Ein Epilog

1 - Der kurze Strohhalm

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By jinnis

Ein kurzer Moment der Unachtsamkeit und mein Fuß landete in einem der blauvioletten, glibberigen Klumpen. Zum Glück hatte ich daran gedacht, meine festen Stiefel anzuziehen. Trotzdem rutschte ich aus und kämpfte einen kritischen Moment lang um mein Gleichgewicht während ich leise fluchte. Bevor ich der Länge nach hinschlug, klammerte ich mich an Bens solide Schulter, dankbar für den Support. Er fasste mich stützend am Arm, drehte den Kopf und schenkte mir einen kurzen Blick aus diesen sanften braunen Augen, halb versteckt hinter seiner Atemschutzmaske.

„Cap, bitte lass uns zurück zum Schiff gehen. Das alles hier ist einfach widerlich."

Ich hielt inne. Meinen sonst immer so stoischen Ingenieur bitten zu hören, stimmte mich beinahe um. Ganz abgesehen davon, dass er recht hatte, konnte ich mir aber einen Rückzieher nicht leisten. Deshalb verzichtete ich auf eine Antwort, warf meine Schultern zurück, und setzte mein zuversichtlichstes Gesicht auf. Mit einem kurzen Blinken meines inneren Augenlids verschaffte ich mir klarere Sicht in den Schwaden feuchter Luft, die über der bunten Glibbermasse wabberten.

So was von eklig. Leider konnte ich mir auch nicht leisten, mir meine Gefühle ansehen zu lassen. Nicht solange die neugierigen Blicken aller tyrinischen Passanten auf die seltenen außerplanetarischen Besucher gerichtet waren. Deshalb löste ich mich von Ben und marschierte mit selbstbewussten und energischen Schritten weiter, zielstrebig die Straße hinunter. Dabei versuchte ich, den blauvioletten Schleimklumpen so gut als möglich auszuweichen. In den Nebelschwaden waren die ersten Gebäude zu erkennen. Vielleicht war es ja nicht mehr allzu weit bis zu unserem Ziel.

Das schmatzende Geräusch von Bens Schritten sagte mir, dass er mir folgte. Allerdings  verriet ein missmutiges Brummen, dass mein Begleiter dringend eine Aufmunterung nötig hatte. „Lass uns cool bleiben und diese Sache hinter uns bringen, Ben. Du weißt so gut wie ich, dass wir den Job hier unbedingt brauchen."

„Aye, Captain ap Theron." Die Tatsache, dass er meinen vollen Titel und Namen verwendete, beunruhigte mich mehr als das Zischen des Atmens zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen.

Selbstverständlich hatte mein menschlicher Begleiter recht. Und widerlich war ein vergleichsweise beschönigender Ausdruck für den knöcheltiefen Schlamm, durch den wir gerade wateten. Aber ein altes Raumer-Sprichwort sagt, wer in ein schwarzes Loch hineinfliegt, sollte sich besser mit dem zunehmenden Druck abfinden.

Während wir durch den Schlamm Richtung Ortszentrum weiterstapften, fragte ich mich, ob Ben ahnte, dass er seine Anwesenheit einem einfachen Taschenspielertrick verdankte. Sein Pech, dass er ausgerechnet ein obskures menschliches Ritual vorschlug, um meinen Begleiter auszulosen. Dazu werden kleine, hölzerne Zahnreinigungsstäbchen von unterschiedlicher Länge verwendet. Wer das kürzeste Hölzchen zieht, hat verloren. Warum die Hölzchen Strohhalme genannt werden, erschließt sich allerdings wohl nur menschlichen Gehirnen.

Auf jeden Fall bot mir das Theater Gelegenheit, sicherzustellen, dass Ben mich begleiten würde. Natürlich vermasselte ich die Aktion beinahe, aber es gelang mir gerade noch rechtzeitig, dem Ingenieur den kurzen Strohhalm zuzuspielen. Hrrovr, ein reinblütiger Rrss'h'ss und mein erster Offizier, war schon immer ein strikter Gegner von planetarischen Missionen. Seine Teilnahme stand also nicht zur Debatte, wollte ich mir nicht seinen anhaltenden Groll zuziehen. Und unseren Karjkaner Hijac mitzubringen wäre ein großer Fehler gewesen. Er war mehr Wissenschaftler als etwas anderes und seine diplomatischen Fähigkeiten ließen sich mit der Dichte von atembarer Atmosphäre im Hyperraum vergleichen.

Somit standen nur Ben und unsere Pilotin Aalyxh zur Wahl. Es erübrigt sich wohl, zu erklären, dass ich es vorzog, sie an Bord zu haben, die Maschinen startklar und bereit, uns von hier wegzubringen. Wie sich unser Glück in letzter Zeit entwickelt hatte, war eigentlich anzunehmen, dass auch diese Mission das nächstbeste Wurmloch runter ging und uns zwang, den Planeten überstürzt zu verlassen.

Außerdem wollte ich Ben dabei haben, weil ich mir erhoffte, der widerwärtige Gestank des berüchtigten tyrinschen Schleims würde ihn etwas weniger belasten als die übrigen Mitglieder der Crew. Ein kurzer Seitenblick zu meinem Begleiter zeigte mir allerdings, dass ich mich da wohl gründlich geirrt hatte. Seine normalerweise rosige Gesichtsfarbe wirkte blass und aschig grau. Ein deutliches Zeichen, dass er kurz davor war, sich zu übergeben.

„Entspann dich, Ben. Das Ganze ist rein natürlich. Die Zusammensetzung besteht bestimmt nur aus ein paar Mineralien. Na ja, gemischt mit einigen organischen Komponenten, sonst würde der Schleim wohl nicht aktiv vor sich hin blubbern." Mir war klar, dass ich gerade nicht viel sinnvollen Inhalt von mir gab. Aber ich musste ihn ablenken während ich gleichzeitig versuchte, in den Nebelschwaden unser Ziel zu lokalisieren. „Irgendetwas, das Gas produziert. Zerfallende Exkremente oder sowas Ähnliches. Nichts was wirklich schlimm giftig oder ätzend ist, hoffe ich."

Ein abgewürgter Laut aus Bens Kehle machte mir unmissverständlich klar, dass mein pseudo-wissenschaftlicher Ansatz sein Ziel verfehlt hatte. Um Lichtjahre. Die restliche Farbe seines Gesichts verflüchtigte sich rascher als Atemluft aus einem zerbrochenen Raumhelm. Er beugte sich vor und riss die Schutzmaske vom Gesicht, bevor er sein Frühstück der schwabbeligem Schicht auf der Straße hinzufügte.

Fasziniert beobachtete ich, wie der gelbliche Fleck von der blubbernden Masse assimiliert wurde. Ich hätte meine Kiemen zuklappen und den Mund halten sollen. Aber jetzt war es zu spät.

Mit halbgeschlossenen Außenlidern sah ich mich verstohlen nach Beobachtern um. Die meisten intelligenten Spezies haben eine Abneigung gegen Aliens, die unverschämt genug sind, ihren Dreck auf den Planeten zurückzulassen, die sie besuchen. Und in unserer prekären finanziellen Situation konnten wir uns unmöglich eine weitere saftige Buße leisten. Ganz abgesehen davon, dass ich Gerüchte über Planeten gehört hatte, die sich auf andere Arten der Bestrafung spezialisierten. Ich sehnte mich nicht danach, deren Wahrheitsgehalt zu überprüfen.

Ein elektrisches Kribbeln hinter meinen Nackenstacheln sagte mir, dass unser Glück gerade im Urlaub war. Zwei stämmige, schimmernde Gestalten hielten ihre Augenstiele auf uns gerichtet—die eine vier davon, die andere sechs. Ich klopfte Ben mit meiner behandschuhten Hand kräftig den Rücken. „Hm, Ben, ich hoffe du fühlst dich besser. Setz bitte deine Maske wieder auf, du willst nicht, dass deine Lungen zu viel von der Atmosphäre hier abbekommen. Und lass uns weitergehen, wir werden gerade zur lokalen Attraktion."

Ein Zittern lief durch seinen Körper, und er richtete sich auf, um mich mit feuchten Augen anzublicken. Mit dem Ärmel seines Overalls wischte er sich den Mund sauber, bevor er seine Maske richtete. Ich dankte dem vielarmigen Hüter des heiligen Sodabrunnens von Sakalataka, dass Aalyxh uns vorgeschlagen hatte, für diesen Ausflug Einweganzüge zu verwenden.

Eine Bewegung am Rand meines Gesichtsfeldes weckte meine Aufmerksamkeit und lenkte sie zurück auf die beiden Einheimischen, die uns immer noch beäugten, als wären wir vom Himmel gefallen. Was, rein technisch gesehen, den Tatsachen entsprach, bei der Geschwindigkeit, mit der Aalyxh das Schiff aufgesetzt hatte. Der tyrinische Schleim spritze dabei bis zum Cockpit hoch und gab uns einen ersten Eindruck, was draußen auf uns wartete.

Das kleinere der beiden Aliens, blaugrün, vieräugig und etwas schlanker als das andere, glitt näher. Fasziniert starrte ich auf die türkisfarbene Schleimspur, die es im allgegenwärtigen Straßenschlamm zurückließ. Ben und ich tauschten einen kurzen Blick, bevor ich mich ganz auf die kommende Konfrontation konzentrierte.

Wenige Schritte vor uns stoppte der Tyrinianer. Oder war es eine Tyrinianerin? Ich hatte zwar versucht, mich über die Einheimischen zu informieren, aber der Eintrag in meiner Enzyklopädie war bestenfalls lückenhaft und ich musste mir eingestehen, dass ich nicht einmal wusste, welche Sprache hier üblich war. Soviel zu meiner diplomatischen Qualifikation.

Wenige Schritte vor uns stoppte das Alien und richtete den Oberkörper auf. Eines der beiden Augenpaare auf mich gerichtet, das andere auf Ben, räusperte es sich und fuchtelte mit einigen seiner Tentakel in der Luft herum.

„Willkommen im schönen Tyrin, Reisende."

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