Die Gouvernante

By MissOpenBook

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Ein junger Baron. Ein uneheliches Mädchen. Die Chance auf eine neue Zukunft. Esther Griffel ist aus Calia ver... More

Vorwort
Prolog - Martha
Kapitel 1 - Orland
Kapitel 2 - Esther
Kapitel 3 - Orland
Kapitel 4 - Esther
Kapitel 5 - Orland
Kapitel 6 - Esther
Kapitel 7 - Orland
Kapitel 8 - Orland
Kapitel 9 - Esther
Kapitel 10 - Esther
Kapitel 11 - Esther
Kapitel 12 - Orland
Kapitel 13 - Esther
Kapitel 14 - Esther
Kapitel 15 - Orland
Kapitel 16 - Esther
Kapitel 17 - Esther
Kapitel 18 - Orland
Kapitel 19 - Esther
Kapitel 20 - Orland
Kapitel 21 - Esther
Kapitel 22 - Esther
Kapitel 23 - Orland
Kapitel 24 - Esther
Kapitel 25 - Esther
Kapitel 26 - Esther
Kapitel 27 - Esther
Kapitel 28 - Orland
Kapitel 29 - Esther
Kapitel 30 - Orland
Kapitel 31 - Orland
Kapitel 32 - Esther
Kapitel 33 - Esther
Kapitel 34 - Orland
Kapitel 35 - Orland
Kapitel 36 - Esther
Kapitel 37 - Orland
Kapitel 38 - Esther
Kapitel 39 - Orland
Kapitel 40 - Orland
Kapitel 41 - Esther
Kapitel 42 - Orland
Kapitel 44 - Orland
Kapitel 45 - Esther
Epilog - Martha
Nachwort

Kapitel 43 - Esther

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By MissOpenBook

Henna und Martha warten schon in der Eingangshalle, als ich, den Lakaien mit meinem Gepäck folgend, dort eintreffe. Draußen ziehen die ersten hellen Streifen über den dunkelgrauen Himmel. Es ist noch ziemlich früh.

Ich habe die Zeit für meine Abreise extra so gewählt. Ich wollte Orland nicht noch einmal begegnen. Das Ganze ist ohnehin schon schwer genug für uns beide. Und ich glaube, er hätte es nicht akzeptiert, dass ich mich einfach so aus dem Staub mache. Ich bin feige, das ist mir klar. Aber ich habe auch nicht die Kraft, weiter mit ihm über etwas zu diskutieren, wofür mir die Argumente ausgehen.

Henna sieht noch etwas verschlafen aus, doch ihre Umarmung ist überraschend fest. „Es wäre so schön gewesen, wenn du noch eine Weile geblieben wärst, Esther. Fast habe ich die letzten Tage gedacht, es kann so werden wie früher. Ich verstehe, dass du die Chance für diese neue Anstellung ergreifst, aber schade ist es trotzdem." Ich sehe, wie ihre Augen feucht werden. Dieser Abschied ist ganz anders als meine Verbannung damals. Und doch fühlt es sich so ähnlich an.

Martha schließt mich ebenfalls in ihre Arme. Im Gegensatz zu Henna weiß sie, dass es bei Weitem nicht nur um eine neue Anstellung als Gouvernante geht. Sie weiß, dass ich eigentlich mit meinem Abschied von Orland und Annalies kämpfe. Und es ist ihre einmalige Art, die mir zu verstehen gibt, dass es in Ordnung ist, so wie es ist.

„Ich bin stolz auf dich, Esther", sagt sie. „Vielleicht ist es nicht die Entscheidung, die ich mir für dich gewünscht habe, aber es ist deine Entscheidung und du hast sie dir gut überlegt. Ich hoffe nur, dass du glücklich wirst. Und dass du in Zukunft immer erkennst, wo dein Platz ist."

Ich reiche Martha den Brief, den ich heute Nacht noch geschrieben habe. „Der ist für Annalies. Es tut mir so leid, dass ich mich nicht persönlich von ihr verabschiedet habe, aber gestern wäre es mir einfach zu schwergefallen. Ich hätte keine Antworten auf ihre Fragen gehabt. Ich weiß, dass sie bei euch gut aufgehoben ist und dafür bin ich dankbar. Sie braucht mich jetzt nicht mehr. Sie hat eine fantastische Zukunft vor sich."

Meine kleine Schwester nickt. „Wir sind für sie da. Und den Brief wird sie persönlich von mir erhalten. Ich hoffe, du lässt nicht allzu viel Zeit verstreichen, ehe du uns wieder hier besuchst. Ich darf dir auch liebe Grüße von Titus ausrichten. Er wünscht dir Glück und lässt dich wissen, dass du in seinen Augen die Vergangenheit aufgewogen hast. Er hat sich viel mit deinem ehemaligen Arbeitgeber unterhalten."

Wir drei wechseln einen Blick und ich spüre, dass jetzt der Moment gekommen ist, zu gehen. Die mir zur Verfügung gestellte Kutsche ist mit meinem Gepäck beladen, zumindest mit dem, was ich nach Calia mitgenommen habe. Ich werde an Ernst schreiben müssen und ihn bitten, dass er mir den Rest nachsendet.

Ich lasse mir von einem Lakaien in das Gefährt helfen und fühle mich innerlich leer. Bevor ich die Stellung bei Orland antrat, hatte ich das Bedürfnis, etwas mit meinem Leben anzufangen. Ich hatte Leidenschaft und Ambitionen und genau genommen auch keine andere Wahl. Jetzt gehe ich in diese Stellung, weil sie kein Risiko birgt. Ich sehne mich danach, meinen Platz zu kennen, nach Vorgaben zu handeln, die andere festlegen und die Sicherheit zu haben, dass meine Zukunft nicht wieder in schiefen Bahnen verläuft. Es ist keine glamouröse Perspektive, aber zu mehr habe ich nicht den Mut.

Die Kutsche setzt sich holpernd in Bewegung und ich schließe erschöpft die Augen. Es wird alles gut werden. Als Annalies' Gouvernante habe ich alles richtig gemacht. Diese Arbeit zeigt, was ich kann. Das ist, wer ich bin.

***

Das Anwesen, vor dem die Kutsche nach zwei Stunden Fahrt zum Halten kommt, ist weit größer als Orlands. Es ist schmucklos und kantig, aus grauem Stein und wirft einen einschüchternden Schatten auf die Auffahrt. Der Kutscher hilft mir freundlicherweise aus der Kutsche und versichert, er werde sich um mein Gepäck kümmern.

Ich fördere aus meiner Rocktasche das Schreiben zutage, das Martha von meinem neuen Arbeitgeber Graf von Guondal erhalten hat. Nachdem ich seine Anweisungen überflogen habe, umrunde ich das Haus, um nach dem Hintereingang zu suchen. Es hat einen schalen Beigeschmack, das Haus nicht über den Vordereingang betreten zu dürfen, aber mir ist auch bewusst, dass diese Vorgabe nicht unüblich ist.

Die Hintertür ist schmal und aus Holz. Drei ausgetretene Steinstufen führen hinab. Ich lasse das Küchenmädchen mit dem Komposteimer heraus, bevor ich die schmale Stiege hinuntersteige und mich in einem schmalen Korridor wiederfinde, der sich rechterhand zu einer großen, dampfgeschwängerten Küche öffnet. Der Unterschied zu Orlands Haushalt ist frappierend. In Reginas Reich herrschte ein eigener Zustand von Gemütlichkeit. Es wurde gearbeitet, aber auch ausgeruht und sich unterhalten. Hier herrscht hektische Betriebsamkeit. Fünf Küchenjungen und -mädchen hetzen zwischen den Töpfen umher, rühren, schneiden, schälen, putzen, während die füllige Köchin umhergeht, kritisiert und die Gerichte abschmeckt.

Minutenlang stehe ich einfach nur da und weiß nichts mit mir anzufangen, ehe mich eines der Küchenmädchen bemerkt und fragt: „Wer sind Sie denn eigentlich?" „Esther Griffel", antworte ich ohne zu zögern, um die geringe Aufmerksamkeitsspanne der Arbeitenden nicht verstreichen zu lassen. „Ich bin die neue Gouvernante."

„Dann haben Sie in der Küche nichts verloren", schnarrt die Köchin. „Tessa, nimm sie mit und such nach Carmen", weist sie das Küchenmädchen an, das auf mich aufmerksam geworden ist. „Aber lass dir nicht zu viel Zeit. Der Graf erwartet Gäste und das Mittagessen muss perfekt sein."

Tessa fordert mich mit einer Geste auf, ihr zu folgen. Wir eilen weiter durch den Korridor, sie wirft immer wieder einen schnellen Blick in die angrenzenden Zimmer, ehe sie im vierten fündig wird. Eine erschöpft aussehende Frau in den Dreißigern hat ein rüschiges Kleid in Kindergröße auf den Knien und bessert es mit konzentriert gefurchter Stirn aus.

„Carmen", macht Tessa auf uns aufmerksam und die Frau blickt auf. „Das ist Fräulein Griffel, die Gouvernante." Mit einem entschuldigenden Lächeln verabschiedet sich das Küchenmädchen, um wieder an ihre Arbeit zu gehen. Das Hausmädchen setzt ein paar letzte akkurate Stiche, ehe sie das Kleidungsstück beiseitelegt und sich mir zuwendet.

„Dann folgen Sie mir mal", fordert sie mich geschäftig, aber nicht unfreundlich auf. Über die Dienstbotentreppen steigen wir einige Stockwerke hinauf. Dabei erläutert sie: „Der Graf sieht es nicht gerne, wenn die Bediensteten sich im Haus bewegen. Wenn Sie alleine unterwegs sind, würde ich ihnen raten, auch die Dienstbotentreppen zu verwenden. Als Ausnahme gilt natürlich, wenn Sie mit den Mädchen unterwegs sind. Sabina ist sieben und Lassa ist sechs. Die beiden sind ziemlich verwöhnt, aber im Großen und Ganzen gar nicht so schrecklich. Den Lehrplan finden Sie in Ihrem Zimmer, ebenso Ihre Kleidung, die Sie zu Arbeitszeiten immer zu tragen haben. Einige Änderungen müssen Sie eventuell selbst noch vornehmen, die letzte Gouvernante war ein wenig fülliger als Sie."

„Warum ist sie denn gegangen?", frage ich nach. Carmen zuckt mit den Schultern. „Es gab keinen bestimmten Grund. Der Graf wollte die Stelle für Sie freimachen und da musste Fräulein Haak gehen." Ich schlucke. „Das tut mir leid, das wollte ich nicht." Carmen schenkt mir ein kurzes Lächeln. „Machen Sie sich keine Gedanken. Der Graf tauscht regelmäßig seine Bediensteten, immer dann, wenn er meint, etwas Besseres gefunden zu haben. Fräulein Haak ist wunderbar mit den Mädchen zurechtgekommen, aber sie hatte nicht die Qualifikationen, die Sie aufweisen können. Und dass Sie Ihr letztes Mündel als Hofdame an den calischen Hof bekommen haben, ist die wohl größte Referenz, die eine Gouvernante mitbringen kann. Waren Sie nicht auch mal Hofdame?" Ich nicke. „Ja, allerdings ist das schon eine Weile her." „Sehen Sie, noch eine Tatsache, die dem Grafen gefallen haben dürfte. Kurz bevor er die Gräfin geheiratet hat, war er mit einer Hofdame verlobt, die ihn kurz nach der offiziellen, prunkvollen Verlobungsfeier für einen besseren abserviert hat. Heute ist sie die Fürstin von Kroesus. Zumindest hat er seit damals eine Wut auf die Hofdamen und genießt es vermutlich, dass nun eine unter ihm arbeitet."

Ich muss schlucken. Das hört sich ja vielversprechend an. Ich erinnere mich daran, dass Theodora vor ihrer Liierung mit Fürst von Kroesus anderweitig verlobt gewesen ist, allerdings hätte ich nicht mehr zuordnen können, dass ihr damaliger Verlobter Graf von Guondal ist.

Nachdem wir zahlreiche Stockwerke hinaufgestiegen sind, finden wir uns unter dem Dach wieder. Carmen weist mir meine Kammer zu, die ein schmales Bett, eine Kommode und einen ausgetretenen Teppich enthält. Außerdem bilde ich mir ein, dass es leicht zieht.

Auf dem Bett liegt ein schwarzes Kleid mit weißem Kragen, das an einen Nonnenhabit erinnert, dazu ein weißes Spitzenhäubchen.

„Also, ich hoffe, Sie finden sich zurecht", meint Carmen. „Sie haben den Tag heute, um sich umzusehen, aber bitte denken Sie daran, sich nicht allzu auffällig durch das Haus zu bewegen. Der Graf bekommt heute Besuch und sieht es ungern, wenn dieser mit seinen Angestellten konfrontiert wird. Ich werde mich mal wieder an die Arbeit machen."

Sie verlässt das Zimmer und schließt die Tür hinter sich. Ich lasse mich auf das harte Bett fallen. Eine Erkenntnis macht sich in mir breit und wühlt mein Inneres aus. Mir wird klar, dass ich erneut einen Fehler gemacht habe. Und dass ich verdammt lange gebraucht habe, um es zu bemerken.


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