Schottisches Feuer und englis...

By GiuliannaGBailie

56.3K 3.3K 388

England im Umbruch. Der junge König Henry VIII hat nicht das Geschick und das gute Herz seines Vaters geerbt... More

Herzlichen Dank an Euch Leser!
Urkunde 1. Platz
Wichtige Informationen
Schottisches Feuer und englische Anmut
Kapitel 1.1 - Miss Beyron & 1.2 Norman, der Wirt
Kapitel 1.3 - Die dunkle Bestie
Kapitel 1.4 - Der ungebetene Gast
Kapitel 1.5 - Eine vermaledeite Aufgabe
Kapitel 2 & 2.1 Molly Mallory
Kapitel 2.2 - Des Hausherrens Aufwartung
Kapitel 2.3 - Die strategisch günstige Heirat
Kapitel 2.4 - Rosen und Veilchen
Kapitel 2.4.1 - Rosen und Veilchen
Kapitel 2.5 - Elaines Bitte
Kapitel 2.5.1 - Elaines Bitte
Kapitel 2.6 - Ein elender Schürzenjäger
Kapitel 2.6.1 - Ein elender Schürzenjäger
Kapitel 2.7 - Schwiegermutters Darling
Kapitel 2.8 - Der geheime Garten
Kapitel 2.9 - Ohnmacht mit Folgen
Kapitel 2.10 - Cornwall
Kapitel 3
Kapitel 3.1 - Bezaubernde Augen
Erwachsenenhinweis
Kapitel 3.2 - Begierde und Lust
Kapitel 3.3 - George Talbot
Kapitel 3.4 - Ein verruchtes Angebot
Kapitel 3.5 - Ein Ritt zu Zweit
Kapitel 3.7 - Lackaffige Gentlemen
Kapitel 4
Kapitel 4.1 - Lord Surrey
Kapitel 5
Kapitel 5.1 - Lady Elaines Qualen
Kapitel 5.2 - Thomas Jackson
Kapitel 5.3 - Pläne und Skizzen
Kapitel 5.4 - Oh du süsses Carrick Castle
Kapitel 5.5 - O Fortuna, velut luna...
Kapitel 6
Kapitel 6.1 - König Henrys Plan
Kapitel 6.2 - Die falsche Frau
Kapitel 6.3 - Ich mag ihn, ich mag ihn nicht
Kapitel 7
Kapitel 7.1 - Raubvögel
Kapitel 7.2 - Lady Ophelias Koketterie
Kapitel 7.3 - Peng... Peng...
Kapitel 7.4 - Wilde Spekulationen
Kapitel 7.5 - Alices Gebot
Kapitel 7.6 - Ganz nach meinen Regeln
Kapitel 7.7 - Eine bewusste Entscheidung
Kapitel 7.7.1 - Eine bewusste Entscheidung
Kapitel 7.8 - Der Maskenball
Kapitel 7.9 - Eine Volta im Mondschein
Kapitel 7.10 - Wild und ungezügelt
Kapitel 7.11 - Eine zerstörte Hoffnung
Kapitel 7.12 - Heilung für eine Seele
Kapitel 8
Kapitel 8.1 - Cymru
Kapitel 8.2 - Die Hochzeit
Kapitel 8.3 - Eine Maitresse ist nicht genug
Kapitel 8.4 - Das vergessene Gemälde
Kapitel 8.5 - Geheimnisse
Kapitel 8.6 - Ein Abschied für immer
Kapitel 9
Kapitel 9.1 - Alecs Zwiespalt
Kapitel 9.2 - Mitgegangen, Mitgehangen
Kapitel 9.3 - Es ist kompliziert...
Kapitel 9.4 - Aufbruch nach Carlisle
Kapitel 9.5 - Carlisle Castle
Kapitel 9.6 - Tino Farnese
Kapitel 9.7 - Unausgesprochenes
Kapitel 9.8 - Alexanders Problemlösung
Kapitel 9.9 - Späte Einsicht
Kapitel 9.10 - Eine kleine Verschwörung
Kapitel 9.11 - Im Grenzland
Kapitel 9.12 - Was sich liebt, das neckt sich
Kapitel 10
Kapitel 10.1 - Das Zerwürfnis
Fragen an meine Leserschaft
Kapitel 10.1.1 - Das Zerwürfnis
Alle Fremdwörter
Zum Werk & Danksagung
Zeitstrahl
Band 2

Kapitel 3.6 - Der Blick der Erkenntnis

768 46 0
By GiuliannaGBailie

Als sie das Gasthaus betraten schlug ihnen ein warmer Geruch von Braten, Speck und Kartoffeln entgegen. Sofort meldete sich ihr Magen und verlangte nach einer warmen Mahlzeit. De Warenne stand an die Theke und wartete auf den Wirt. Dieser kam sogleich aus einem Hinterzimmer hervor
„Herzlich Willkommen mein Herr. Was kann ich für euch tun?" Der Wirt war so gross wie ein Fass, seine massigen Hände wischte er sich an seiner nicht mehr ganz so weissen Schürze ab.
„Ein Tisch für zwei. Wir nehmen die Suppe, dann vom Braten und den Kartoffeln. Und ein Zimmer für die Nacht für uns beide". Der Wirt schielte an de Warenne vorbei und nahm Isabella in Augenschein, er schien etwas verdutzt. Der sah wahrscheinlich nicht allzu oft Frauen in Hosen, dachte sich Isabella.
„Sind sie verheiratet mein Herr?" fragte der Wirt nun wieder de Warenne zugewandt. Dieser schien mit seiner Antwort zu zögern und Isabella spitzte ihre Ohren.
„Nein sind wir nicht... Ich wünsche allerdings, dass sie ein Zimmer in meiner Nähe hat". Der Wirt nickte mit dem Kopf nach oben
„Natürlich kein Problem... ich denke, ich habe das perfekte Zimmer für sie beide". Der Wirt stampfte ihnen voraus die Treppe hinauf und zeigte ihnen zwei nebeneinanderliegende Schlafstätten. Nach dem der Wirt gegangen war, um nach Wasser für ihre Zimmer zu schicken, sagte de Warenne
„Miss Grey, machen sie sich frisch. Wir können danach unten das Abendessen zu uns nehmen". Sie nickte und wartete bis der Helfer des Wirtes das Wasser für ihre Waschschüssel gebracht hatte. Der junge Knecht war schlaksig und sah bemitleidenswert aus. Seine Kleidung wirkte zu kurz und hätte schon länger einmal eine Wäsche vertragen können. Er goss das Wasser in ihre Schüssel und verschwand ohne ein Wort aus ihrer Kammer. Das kalte Wasser fühlte sich sehr angenehm an. Sie wusch sich mit der rauen Seife von Kopf bis Fuss. Sie massierte sich die Schenkel, die von der Reise geschwollen und verhärtet waren. Es war anstrengend auf einem Pferd zu reiten, zu zweit, und dann noch zu versuchen, diese Person so wenig wie möglich zu berühren. Sie liess die Seife in die Waschschüssel gleiten und schlüpfte in ihr Badetuch. Sie liess sich auf die Kante ihres Bettes nieder und sah sich in dem kleinen Raum um. Das Zimmer war kompakt. Die Wände waren aus hellem Birkenholz, jedoch hatte es vereinzelt Blumen in verschiedenen Farben aufgemalt. Es hatte ein einzelnes Himmelbett, ein Nachtschränklein worauf eine dicke Talgkerze stand, einen kleinen Schrank, ein Schreibtisch und eine Tür, diese führte allerdings nicht in den Gang. Sie fixierte die Tür... was konnte... was konnte sich dahinter befinden? Sie stutze, erhob sich von dem Himmelbett und ging langsam auf die Tür zu, kurz vor ihr hielt sie inne. In diesem Moment klopfte plötzlich jemand gegen diese Tür. Sie machte einen Satz rückwärts und erschrak beinahe zu Tode. Es war eine Verbindungstür!
„Miss Grey, kann ich eintreten?" Ausser Stande irgendeine Antwort zu geben, stand sie da. Die Tür öffnete sich und Alexander de Warenne erschien im Rahmen. In seiner Hand hielt er ihren Leinensack. „Verzeihung Miss Grey" sagte er überrascht, doch bevor er seinen Blick abwandte verweilten seine Augen auf ihren nackten Fesseln, die unter ihrem Tuch hervor lugten „Ich dachte den könnten sie brauchen... ziehen sie doch zum Abendessen ihr rosa Kleid an" er hielt inne und als sie nichts erwiderte, sagte er „Sie sind fertig?" Isabella nahm den Sack entgegen und nickte nur. Warum war er auf einmal so höflich und formell zu ihr? Er ging wieder durch die Verbindungstür zurück und liess sie vor Schreck erstarrt, allein im Zimmer. Eine verfluchte Verbindungstür! Der Wirt dachte also, dass sie seine Geliebte war, deshalb das perfekte Zimmer! Isabella sank auf ihre Schlafstatt nieder und starrte auf den Boden. Sie war sich immer noch nicht sicher, wie sie zu ihm stehen sollte. Sie hatte sich zwar angeboten, doch sie konnte nicht gegen ihre Erziehung verstossen... Ja sie hatte ein anderes Leben begonnen und konnte sich gewisse Frivolitäten erlauben, aber sie musste sich eingestehen, dass sie nicht nur auf der Suche nach Leidenschaft war, sondern auch nach Liebe und Geborgenheit. Falls dieser Lord of Cumberland oder wie auch immer er sich nannte, sie so weit bringen würde, dass sie eines dieser Dinge fühlte und sich zu ihm ins Bett legte, würde er doch einige Regeln der Diskretion einhalten müssen. Sie war ehrlich gesagt nicht erpicht darauf, dass Fremde sie als Maitresse betrachteten oder gar als ein leichtes Mädchen. Wenn es denn so kommen sollte, wollte sie es geheim halten. Zu ihren Bedingungen. Ein Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Nun, sie sollte sich natürlich schön anziehen, wenn es nach ihm ging, vielleicht damit der Wirt sah, dass sie eine Frau war und nicht ein Bursche. Jaaa, das hatte er sich schön ausgedacht! Aber nicht mit ihr. Sie würde in denselben Kleidern, wie sie gereist war, ihr Mahl einnehmen. Isabella zog sich triumphierend die Hose und das Hemd an, ihren Leinensack stellte sie in den Schrank. Sie öffnete die Tür und de Warenne wartete bereits im Gang. Er trug schwarze Hosen und ein weisses Leinenhemd, vorne war es etwas geöffnet und mündete in ein V. Leinenbänder zurrten lose den V-Ausschnitt zusammen. Seine schwarzen Haare hingen lässig in seinem Nacken. Sie berührten kaum seine Schultern. Eine Strähne wellte sich an der Seite seiner Stirn. Seine fast schwarzen Augen schienen einem zu hypnotisieren. Er blickte sie an, und plötzlich fühlte sie sich unbehaglich. Er hatte sich angemessen gekleidet. Anscheinend schien es ihm wichtig zu sein einen gepflegten Eindruck zu hinterlassen. Sie konnte hinter seiner Miene nicht erkennen, was er von ihrer Aufmachung hielt. Je länger er nichts sagte, umso schrecklicher fühlte sie sich. Schliesslich hob er seinen Arm und bot ihn ihr an und da es Isabella kindisch fand, sich nochmals ins Zimmer zu begeben um sich umzuziehen, hackte sie ein. Sie setzten sich unten an einen Tisch, und der Wirt kam sogleich und schenkte ihnen Wein ein. Falls er immer noch über Isabellas Kleider erstaunt war, so liess er sich dies nicht anmerken. Seine Frau, Isabella schlussfolgerte dies, packte den Messingtopf über dem heissen Feuer und schleppte ihn zum Tisch. Dort setzte sie ihn ab und schöpfte ihnen die Holzschalen bis zum Rand voll. Sie ächzte als sie den Topf wieder hochhievte und wandte sich mit ihm ab. Der Lord nickte ihr zu und Isabella griff nach dem schäbigen Holzlöffel und begann zu essen. Es war eine derbe Bauernsuppe mit Rüben, Kartoffeln und Feldhase. Sie war froh, dass es anscheinend nur ein Hase gewesen war, den der Koch in den Topf geworfen hatte, so konnte sie die wenigen Stücke zusammen mit Karotten hinunterschlucken. Sie hatte das süsslich riechende Fleisch von Hasen noch nie gemocht. Aber Isabella ass artig alles in ihrer Schüssel auf, weil sie schon länger nichts mehr gegessen hatte. Auf der Reise und in Cornwall war keine Zeit geblieben, um zu Essen und nach dem Vorfall mit Talbot war sie ohne Essen zu Bett gegangen. Nach der Suppe brachte die Frau ihnen eine Platte auf der eine gewaltige Keule eines Wildschweines lag. Sie schien über dem Feuer geröstet worden zu sein, denn die Haut glänzte golden und sah äusserst saftig aus. Dazu lagen knusprige Kartoffelhälften mit Salz und wilden Kräutern verfeinert. Isabella sah de Warenne an, doch dieser gab ihr den Vorzug und sie riss einige Sehnen des zarten Wildschweines ab und buxierte sie in ihre Schüssel, schöpfte einige der Kartoffelhälften hinzu und wartete dann bis er sich bedient hatte. Als er sich den ersten Bissen in den Mund schob, konnte Isabella sich nicht mehr zurückhalten. Dieser nussige vollmundige Geschmack übermannte ihren Gaumen und versetzte sie hunderte Meilen nördlich zurück nach Hause. Für einen Moment vergass sie de Warenne, dieses Wirtshaus und vor wem sie floh. Dem Lord schien das Essen ebenfalls zu zusagen, denn er bestellte nach. Er bot ihr ebenfalls noch etwas an, doch Isabella war vollkommen satt und sie fühlte sich allmählich schläfrig. Er war mittlerweile von Wein auf Whisky umgestiegen und hatte bestimmt schon das sechste Glas geleert. Isabella war erstaunt, soviel vertrug nicht einmal Talbot und er war ein Säufer. Doch de Warenne verhielt sich wie immer, er wurde nicht gesprächiger und auch nicht aufdringlich. Es gab jedoch einige Momente in denen sie sich ansahen und sie fühlte einen warmen Schauer über sich fliessen. Er vermittelte ihr Sicherheit, auch wenn er nichts sagte. Seine Anwesenheit, seine Augen verrieten es ihr. Es war ein Gefühl... eine Empfindung, wie als wäre sie sicher und geborgen im Schosse ihrer Familie. Eines jedoch tat der Alkohol mit de Warenne, seine Augen erschienen ihr weicher und der dunkle gefährliche Schatten in seinen Höhlen schien verdrängt. Sie konnte tief in ihn eindringen und er wich ihr nicht wieder aus. Auf einmal regte sich ein Impuls in ihr, sie wollte seine Haarsträhne nach hinten streichen und ihm einen Kuss auf seine halbgeöffneten Lippen hauchen. Der Gedanke ängstigte sie nicht einmal mehr, im Gegenteil es erschien ihr so natürlich... Seine Hand lag auf dem Tisch, in der Nähe seines Bechers, sie müsste nur ihre Hand ausstrecken und dann würde sie seine raue Haut fühlen und könnte ihm versichern, dass er sich vor nichts zu fürchten bräuchte, dass sie ihm und seiner Familie nichts tun würde.
„Sind die Herrschaften mit dem Essen zu Ende?" erklang eine Stimme direkt neben ihnen und Isabella schrak zusammen. De Warenne nickte zustimmend und erhob sich
„Wollen wir zu Bett gehen? Die Reise morgen wird anstrengender". Als sie oben angekommen waren und Isabella in ihr Zimmer gehen wollte, hielt er sie an ihrem linken Arm zurück. Sie drehte sich um und sah ihn an. Er kam auf sie zu und küsste ihre Stirn. Dann sah er sie eine schier unendlich lange Zeit an. In seinen Augen lag so viel Wärme. Die grosse Einsamkeit und Verletzlichkeit waren nun deutlicher als je zuvor erkennbar. Doch dann drehte er sich um, und sie beide verschwanden in ihren Zimmern. Isabella entkleidete sich und schlüpfte in ihr Nachtgewand. Einige Zeit lag sie noch da und dachte über diese gefühlvollen Augen und den zarten Kuss nach, bis sie der Schlaf mit einem Netz einzufangen schien und sie glitt in eine traumlose Vergessenheit.

Boom... ratz... Geschirr zerschellte. Isabella schrak aus dem Schlaf auf. Es war stockdunkel... was war das gewesen? Hatte sie etwa geträumt? „Ahhhh" ein Stöhnen erklang. Isabella sprang aus dem Bett. Diese Geräusche kamen aus dem Zimmer neben an. Sie tapste im Dunkeln zur Verbindungstür und sie legte ihr Ohr daran. „Nein, verschwindet" wütete es. Sie schnappte sich die Porzellan Schüssel von ihrem Nachttisch und hielt sie als Waffe vor sich hoch. Isabella riss die Tür auf. Sie konnte eine Person am Boden kauern sehen, denn das Mondlicht drang durch das Fenster hinein. Sie konnte die Person deutlich erkennen, es war de Warenne und er war allein im Zimmer. Sie liess die Schüssel sinken. Neben dem Nachtschränklein am Boden, lagen der Wasserkrug und eine zerbrochene Schüssel. Isabella kniete sich neben de Warenne, der sich aufsetzte und sich seine Hand hielt. Er wisperte leise vor sich hin. Sein Blick war trübe, als befände er sich an einem anderen Ort. Er hatte sie bis jetzt noch nicht bemerkt. Sie wollte etwas sagen und sah auf seine rechte Hand. Er blutete. Er hatte sich wohl an der zerbrochenen Schüssel geschnitten. Isabella ging hinüber in ihr Zimmer und riss ein Stück von ihrem Leinenhemd ab. Sie nahm ihren Wasserkrug und trug ihn ins Zimmer von de Warenne. Er sass immer noch zusammen gekauert neben dem Bett und schien nicht ganz bei sich zu sein. Als sie seine Hand nahm, blickte er sie an. Doch sie konnte nicht sagen, ob er sie erkannte. War dies nun die Nachwirkung des Alkohols? Sie verarztete ihn und sagte
„Kommt, geht nun wieder ins Bett Mylord. Wir haben noch eine harte Reise vor uns". Er stand auf, doch sein Blick wich nicht von ihr. Sie schlug die Laken auf, damit er sich hinlegen konnte. Als sie ihm helfen wollte, packte er sie und zog sie heftig an sich. Sie konnte sich nicht wirklich bewegen und tätschelte seinen Arm. Er legte seinen Kopf auf ihren und drückte sie an seine Brust. Er war heiss, als wäre er gerannt, sein männlicher Geruch stieg ihr in die Nase. Sie hörte ihn ganz leise flüstern
„Bitte bleib bei mir Rose... verlass mich nicht". Verwirrt durch seine Worte sagte sie zögernd
„Ich bleibe...". Sie legte ihn hin, doch er wollte ihre Hand nicht loslassen. Sie musste ihm versprechen, dass sie sich sofort zu ihm hinlegen würde. Isabella räumte rasch die Glasscherben am Boden zusammen und ging dann auf das Bett zu. Er lag mit dem Rücken nach Aussen auf der Seite. Sie kroch von der rechten Seite ins Bett. Sobald sie sich hingelegt hatte, nahm er wieder ihren Arm und zog sie ganz nah zu sich heran. Er bedeckte sie mit dem Laken und legte ihren Kopf in seine Halsbeuge. Ihr Herzschlag, der erst so heftig donnerte, dass sie ihn sogar am Hals spürte, beruhigte sich allmählich und triumphierte nun. Sie ignorierte ihre innere Stimme, die gewissenhaft applaudierte und versuchte wieder in den Schlaf zu fallen. Doch sie schlief äusserst schlecht. Immer wieder zuckte er zusammen und murmelte unzusammenhängende Sätze, dann strich sie sanft über sein Gesicht oder seine Arme, dies schien ihn zu beruhigen. Je heller es draussen wurde, desto friedlicher wurde er, bis auch Isabella in den Schlaf fiel.

Sie fühlte einige Stunden später eine raue Hand über ihr Gesicht fahren und sie öffnete ganz langsam ihre Lider. Sie musste einige Male blinzeln, bis ihre Augen sich an das Sonnenlicht gewöhnt hatten, dann blickte sie in die mysteriösen dunklen Augen und erkannte den feinen grauen Schimmer. Seine Hand hielt inne
„Was tut ihr in meinem Bett? Habe ich euch" sein Blick fiel auf seine verletzte Hand „verletzt oder beschämt?" Isabella wollte sich sofort erheben, da nun der Schlaf von ihr wich. Doch er drückte sie sanft wieder in die Kissen. Sie blickte mit ihren grünen Augen de Warenne an und sagte
„Nein Mylord, mich habt ihr nicht verletzt oder... beschämt... ihr habt euch verletzt, als ihr gestern Nacht die Schüssel zerbrochen habt. Es war auf einmal ein grosser Krach in eurem Zimmer, was mich aufgeschreckt hat. Ich hörte den Lärm und dann habe ich euch hier am Boden vorgefunden... da wart ihr nicht ganz..." sie brach ab. Wie konnte sie ihm dies nur sagen? Ihm sagen, dass er vielleicht verrückt war?! Das er ganz von Sinnen war? Nein das konnte sie nicht aussprechen.
„Was war ich, Miss Grey?" drängte Alexander de Warenne.
„Mylord ihr müsst Schlafgewandelt sein... ich habe davon schon gehört. Es ist eine Art... Erkrankung, die einem im Schlaf überkommen kann, wenn man... Ich kann mir vorstellen, dass dies bei euch zutrifft, schliesslich seid ihr oft unterwegs" sagte Isabella hastig. Ihr war ein Bericht eingefallen, den sie einmal in einem Rundschreiben gelesen hatte. Ein Arzt hatte diese Theorie aufgestellt, dass es belastete Menschen gäbe, bei denen dieses Phänomen auftrete, oftmals waren es Soldaten oder Söldner aus dem Krieg, weil sie dies nicht mehr losliess. Natürlich war dieser Artikel von hohen Schriftkundigen und alteingesessenen Ärzten abgelehnt worden und es wurde heftig darüber diskutiert, doch die Experimente und die Aufzeichnungen des Arztes schienen Isabella recht glaubwürdig. De Warenne sah sie aufmerksam an und drehte sich dann auf den Rücken. Er antwortete nicht. So lagen sie eine zeitlang schweigend nebeneinander, bis er sich wieder zu ihr hindrehte. Seine Augen blickten sie leidenschaftlich an und bevor sie etwas entgegnen konnte, war er über ihr und küsste sie stürmisch. Isabella zog es in den Sog hinein und sie liess sich fallen und überliess ihm die Führung. Doch so überraschend es auch gekommen war, löste sich de Warenne wieder von ihren Lippen
„Eure Gegenwart sorgt dafür, dass ich meine Selbstbeherrschung beinahe komplett verliere... wenn ihr mich weiterhin so sehr herausfordert und mir dann" er seufzte und strich ihr sanft über ihre Wange „ein solch verlockendes Angebot unterbreitet, kann ich für nichts mehr garantieren Miss Grey". Er sah sie an und sie erkannte wie ernst es ihm war „Ziehen sie sich an, wir treffen uns unten zum Frühstück, danach reiten wir weiter". Isabella stieg aus dem Bett und ging in ihr Zimmer, um sich anzuziehen. Er behandelte sie nun wie eine Dame. Zuvorkommend und höflich. Es war ihr klar, dass Carson und Molly mit Respekt angesprochen wurden, da sie auch schon ihr Leben lang für die Familie de Warenne in Diensten standen, aber sie? Das verwirrte sie zusehends. Es war ihr lieber gewesen, als er sie wie eine gewöhnliche Dienstbotin angesprochen hatte. Ihr Herz pochte. Denn eine Wahrheit lag nun klar und deutlich vor ihr. Wie würde sie ihm widerstehen können? Er hatte ihr gerade gestanden, dass er sich nicht beherrschen könne. Sie musste sich eingestehen, dass eine gefährliche Leidenschaft zwischen ihnen existierte und dass sie selbst mit dieser zu kämpfen hatte. Noch bedrohlicher schien jedoch eine andere Tatsache; sie wollte, dass das pochende Etwas zwischen ihren Beinen endlich befriedigt wurde. Egal, wie sehr sie diesen arroganten Engländer zuvor versucht hatte schlecht zu reden, nach dieser Nacht hatte sich alles verändert. Sie musste ihn zweifellos anders wahrnehmen, auch wenn sie es nicht wollte. Sicher war er immer noch arrogant, überheblich und furchteinflössend, aber er hatte eine schwere Last, die er mit sich trug und anscheinend verfolgte sie ihn meist in der Nacht. Er war zu einem sensiblen Wesen für sie geworden. Dies half ihr nicht... sie hatte versucht ihn sich auszureden und ihre verräterische Reaktion auf ihn herunter zu spielen, aber nun da sie wusste, dass er tief in sich ein verletzlicher, sensibler Mann war, da begann auch ihr Verstand sich nicht mehr zu wehren gegen die Gefühle, die er mit ihrem Körper anstellte. Es gab jetzt eine Art Verständnis... eine Art Vertrauen... Hatte sie dies nur wegen dieser einen Nacht? Doch sie hatte auch das Gefühl, dass er sie ebenfalls anders ansah. Wie wusste sie allerdings nicht, er hatte immerzu denselben starren Blick... doch nun lag etwas Sanftes darin. Selbst ihren Vorsatz sich nicht auf der Reise mit ihm wohl zu fühlen, war gescheitert. Nach weiteren Stunden auf dem Rücken des Arabers, gab sie es auf und lehnte sich an seine harte starke Brust. Er hatte kein Wort erwidert, aber sie hatte gespürt, wie seine Atmung sich geändert und seine Muskeln sich angespannt hatten. Nach weiteren Stunden war sie sogar an seiner Schulter eingeschlafen und er hatte sie nicht geweckt. Immer wieder schlief sie ein und erwachte einige Zeit später. Als sie das nächste Mal aufgewacht war, war der Horizont schon zart Rosa gefärbt und Isabella rieb sich erstaunt die Augen
„Wie lange war ich dem Schlaf verfallen?" fragte sie überrascht. Er sah kurz zu ihr hinab
„Die gesamte Nacht". Isabella richtete sich auf. „Sorgt euch nicht. Wir sind nur noch ein, zwei Stunden von Surrey entfernt. Wenn sie mögen können wir noch eine kurze Rast einlegen?" Isabella schüttelte den Kopf. Sie hatte wirre Dinge geträumt... mit ihm... und jetzt so nah bei ihm, fühlte sie sich nun peinlich berührt. Sie fürchtete gar, dass sie möglicherweise seinen Namen ein paarmal genannt hatte! Da sie seinen Blick auf ihrem Profil spürte, sagte sie
„Ihr habt keine Rast gemacht um euch schlafen zu legen Mylord?". Er straffte Aracs Zügel und führte sie auf einen schmaleren Pfad einen Hügel hinauf.
„Arac und ich sind uns lange Ritte ohne Schlaf gewöhnt". Mehr sagte er nicht dazu. Sie nickte und richtete ihren Blick nach vorn. Natürlich waren sie das.
Zwei Stunden später ritten sie über den letzten Hügel, der sie vom Herrenhaus der de Warennes trennte. Walther der Stalljunge war nicht da und so kümmerte sich de Warenne selbst um sein Pferd. Isabella ging voraus ins Haus. In der Eingangshalle war es so wie immer.
„Carson" Isabella ging auf ihn zu „Wie geht es ihnen? Dürfen sie überhaupt schon gehen?" Carson lächelte ihr zu
„Natürlich Miss Grey. Mir geht es hervorragend, nur das Treppensteigen bereit mir noch etwas Mühe". Isabella lächelte ihm zu. Er nahm die letzten Stufen der Treppe etwas geknickt in Angriff, aber im Allgemeinen sah er wieder besser aus. Seine wenigen Haare, die seinen Kopf noch schmückten, hatte er, um seine Verletzung zu tarnen, um sie herum drapiert. Sonst wirkte er wie immer, ausser dass er noch dünner geworden war. Als er endlich die letzte Stufe erreicht hatte, fragte er „Ist der Herr auch mitgekommen?" Sie liefen gemeinsam Richtung Küche, als Isabella antwortete
„Ja, wir sind zusammen hergekommen. Er war zornig als er erfuhr, dass ich und die Ladyschaft zusammen nach Cornwall gereist waren. Das habe ich zufällig mitbekommen". Carson nickte wissend
„Ja, wenn sich die Lady etwas in den Kopf gesetzt hat, dann will sie dies um jeden Preis, lasst euch das gesagt sein". In der Küche goss er sich und Isabella einen Cidre ein. Als sie beide fertig waren, sagte Carson „Und am besten gehen sie sich nun umziehen, meine Liebe. Diese Kleider". Er sah auf ihren zerfetzten Hemdärmel „können wir gleich liquidieren". Übermüdet schleppte sich Isabella in ihr Zimmer vollkommen in ihre Gedanken versunken. Zum einen war sie froh wieder in Surrey zu sein bei Carson und Molly und Emil, aber zum anderen fühlte es sich anders als zuvor an. Fast als würde sie mit dem Hausherrn ein Geheimnis teilen, dass niemand sonst erfahren dürfte.

Continue Reading

You'll Also Like

7K 143 12
Loreen arbeitet als neue Medical beim FC Barcelona. Dort findet sie recht schnell ein neues Zuhause und viele Freunde, doch immer wieder hängt da noc...
39.6K 1.9K 39
Aliah scheint, als befände sie sich in einem furchtbaren Traum, aus dem sie nie wieder erwachen wird, weshalb sie beschließt diesen eigenhändig zu be...
13.7K 344 24
,,Wo warst du? Wolltest du nicht aufs Klo?" fragte er mich und seine Stimme hinterließ mir eine Gänsehaut. Sie war sehr tief und hatte einen ausländi...
2.1K 146 26
Neustart. Darla Jenkins ist mit ihrer Mutter und ihrer kleinen Schwester in eine neue Stadt für eine bessere Zukunft umgezogen. Ohne Freunde oder F...