„Guten Morgen", El lächelte breit und stieg fröstelnd in mein Auto. „Dein Timing ist perfekt."
„Morgen", seufzte ich nur. „Und ja; Ich wäre der perfekte geheime Freund."
Sie lachte auf und schmiss ihre Schultasche auf den Rücksitz. „Erzähl doch mal. Wie geht es ihm? Ist er schon wach?"
Kopfschüttelnd antwortete ich: „Nein, aber ich brauche nur fünf Minuten die Straße runterfahren und dann sind wir auch schon da."
El verdrehte die Augen. „Okay, Sir."
Wirklich — nichtmal drei Minuten später parkte ich bereits vor unserem Haus. Sie sprang natürlich direkt voller Aufregung aus dem Wagen und hüpfte praktisch zur Haustür. Ich war ihr wohl zu langsam, weil sie mich vernichtend beobachtete, bis ich endlich neben ihr stand.
„Quälst du mich absichtlich, Carter?"
Seufzend ließ ich sie ins Haus. „Du bist leicht aus der Fassung zu bringen. Wirklich viel muss man dafür nicht tun."
„So gut siehst du jetzt auch nicht aus", erwiderte sie nur.
Ich zog eine Augenbraue hoch. „Das war nichtmal ansatzweise gemeint."
Jetzt stieg ihr eine niedliche Röte in die Wangen. Sie verriet sich immer selbst.
„Sei einfach leise", grummelte El nur und befreite sich aus ihren Stiefeln und den fünfzig Jacken die sie trug, bis eine zierliche, kleine Göre übrig blieb. Hastig eilte sie die Treppen hoch, um sich vor meinem amüsierten Blick zu retten.
Ich folgte ihr schweigend und schloss die Zimmertür hinter mir. Amor war nicht da, aber es kamen Geräusche aus meinem Bad, die darauf deuteten, dass er sich gerade frisch machte. El hatte es sich natürlich auf meinem Bett gemütlich gemacht und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. Ich setzte mich dazu und seufzte.
Sie ignorierte mich erst und sah mich dann nach ein paar Sekunden, in denen ich sie angestarrt hatte, an. Schweigend streckte sie ihre angewinkelten Beine über meinen Schoß aus und sagte anschließend etwas Unerwartetes: „Warum tun wir so, als wäre da nicht diese merkwürdige Anspannung zwischen uns seit dem Vorfall auf der Party?" Frech streckte sie dann die Zunge heraus und deutete auf ihren eigenen Schoß – als hätte ich Hilfe nötig, mich daran zu erinnern.
„Ähm... Weiß nicht. Wie kommst du drauf?"
„Du bist irgendwie so... anders. Zu mir. Tut es dir weh, dass du mir gegenüber einmal aufrichtiges Interesse gezeigt hast? Und das auch noch ohne mich dabei auf der anderen Seite zu beleidigen, damit dem Ganzen die Ernsthaftigkeit genommen wird! Oder verletzen dich die ehrlichen Komplimente mit denen du mich praktisch überhäuft hast, aber an die du dich nicht mehr erinnern kannst, mehr?"
Etwas verwirrt runzelte ich die Stirn. „Elaine... Ich weiß nichts mehr von all dem. Kann doch sein, dass ich dich angegeiert habe und das finde ich auch nicht schlimm, oder sonst was. Aber wenn man mit jemandem ein intimes Erlebnis teilt, an das man sich überhaupt nicht erinnern kann, dann fühlt man sich halt etwas merkwürdig. Ist doch nur normal, dass sich das auch auf mein Verhalten auswirkt." Ich pausierte kurz und riss mich dann zusammen: „Ganz ehrlich? Ich wünschte echt, ich hätte die dummen Drogen nicht genommen, denn erinnern würde ich mich wirklich gern."
Meine Ehrlichkeit schien sie zu überraschen. Ich hatte selbst nicht unbedingt damit gerechnet, heute über dieses Thema zu sprechen, aber ich konnte verstehen, warum es sie noch bedrückte. Meine Taktik war es eher die ganze Sache zu verdrängen, wenn ich mich schon nicht erinnern konnte, aber jeder ging anders mit sowas um. Ob jedoch viele sich wegen exakt solchen Dingen wie wir den Kopf zerbrechen mussten... Das bezweifelte ich sehr.
„Macht Sinn", murmelte sie und nickte schwach.
Ich zwang mir ein Lächeln auf und sah runter zu ihren Beinen. Na, wenigstens fühlte sie sich wohl.
„Hey, Freunde", ertönte es plötzlich hinter uns. „Sorry fürs Lauschen. Wollte nicht stören."
El richtete sich hastig auf und starrte Amor fragend an. „Du blöder Idiot, warum bist du gestern einfach verschwunden?!"
Seufzend gesellte er sich zu uns aufs Bett und so wurde die ganze Unterhaltung zu einer einzigen Kuschelrunde. „Ich musste Gras besorgen. Sorry, aber ich habe Louis versprochen, nicht mehr mit dir zu rauchen, Ellie."
Sie verdrehte die Augen. „Du kümmerst dich so sehr drum, was Louis will und mag, aber hast dich nicht einmal wegen Aryn an ihn gewendet. Was ist das bitte für eine Freundschaft?" Während sie sprach, griff sie nach meiner Hand und legte sie auf ihre Waden: „Massieren, bitte", flüsterte sie, für jeden hörbar. Also begann ich, sie zu massieren.
Amor sah das und ich glaube, sein eigener Liebeskummer zwang ihn, wegzuschauen. „Ich habe keine Lust nach Hause zu gehen und mit meinem Dad zu reden, wenn er heute von der Arbeit kommt."
„Verstehe ich", seufzte El. „Aber Manon und ich sind uns sicher, dass er nichts Dramatisches tun wird."
Ich stimmte zu: „Und du musst auch mal daran denken, wie du reagieren würdest, wenn du als Elternteil sowas zu hören bekommst. Da gehen die Gedanken in ganz andere Richtungen. Wenn du ihm erklärst, wie es zu Allem kam, dann wird er bestimmt Verständnis aufbringen."
„Genau", El nickte bestätigend. „Und die Tatsache, dass ihr bisher keinen Sex hattet, spricht auch dafür, dass sie dich nicht belästigt oder genötigt hat."
„Ich weiß, ich weiß", seufzte Amor und legte sich rücklings neben Elaine. „Habt ihr Idioten nicht eigentlich Schule?"
„Dasselbe könnten wir dich auch fragen."
Natürlich kam darauf keine Antwort. Stattdessen wechselte er das Thema: „Ich habe so einen Mordshunger."
El verdrehte die Augen. „Verhungere."
Schmollend drückte er sie etwas weg von sich und somit fast über die Bettkante. Ich hielt sie reflexartig fest und warnte Amor: „Du hast vielleicht Nudelarme, aber sie wiegt so viel wie dein rechter Fuß, Kumpel."
Daraufhin lachte Elaine laut auf: „Ich wünschte! Aber danke für die Rettung."
Natürlich musste Amor wild zwinkern und zog sie wieder ganz dicht an sie. „Gefällt dir das besser, Kitty?"
„Ach, halt's Maul."
Jetzt lachten mich beide aus und bevor ich reagieren konnte, zogen sie mich gleichzeitig dazu, sodass ich halb auf ihnen lag. Murrend versuchte ich mich wegzudrücken, aber egal wo ich versuchte mich abzustützen; Es waren immer Körperteile die ich nicht zerquetschen konnte.
Elaine kicherte ganz nah an meinem Ohr und dann verschwand sie plötzlich unter mir. Wie auch immer sie das schaffte. Im nächsten Moment spürte ich ihr Gewicht auf meinem Rücken und sah Amor auf ganz romantische Art von wenigen Zentimetern Entfernung aus in die Augen. Er wackelte seine Brauen provozierend und gab mir einen Kuss auf die Nasenspitze.
„Aw!", machte Elaine. „Ich will auch."
„Komm her", Amor zog sie zu sich und gab ihr mehrere Küsse aufs ganze Gesicht. Sie kräuselte die Nase leicht und lachte auf: „Du bist einfach nur komisch, man."
Der Kommentar schien ihn gar nicht zu stören. Ganz im Gegenteil: Glücklich und provozierend drückte er ihr einen Schmatzer auf die Lippen.
Plötzlich kehrte Stille ein. Bis Amor natürlich dramatisch nach Luft schnappen musste: „Bahnt sich etwa ein Dreier an?"
„Uh", machte Elaine und wich meinem Blick aus. „Das war jetzt unser vierter Kuss, Amor. Wie wär's mit einem Ehering?"
Der Vierte?
„Nur, wenn Carter mit uns gemeinsam heiratet. Also, uns, du weißt schon."
Elaine schien ganz entzückt von der Idee: „Dann müsst ihr euch aber auch küssen. Ich hatte jetzt die unglaubliche Ehre, mit euch beiden zu knutschen, auch wenn der werte Mr Queen sich nicht mehr dran erinnert."
Amor sah mich augenbrauenwackelnd an. „Nein", unterband ich direkt seine Fantasien."
Er begann zu schmollen. „Zu nüchtern?"
Jetzt schnappte El aufgeregt nach Luft. „Dieses Wochenende spielen wir Trinkspiele und–"
„Vergiss es", unterbrach ich sie gnadenlos. „Oder nein; Euch viel Spaß, aber ich mache ganz bestimmt nicht bei Trinkspielen mit zwei Jungfrauen mit, die kichernd Sexwitze reißen."
Beide starrten mich beleidigt an. Mein Nacken tat so langsam weh, sodass ich mich achtlos umdrehte und El dabei fast runterwarf. So nett wie ich war, hielt ich sie dann doch fest und bemerkte dann erst, dass es wahrscheinlich angenehmer gewesen wäre, sie einfach fallen zu lassen.
Nun saß das Äffchen aber direkt auf meinem Schoß mit den Händen abstützend auf meinem Bauch. Sie verharrte kurz in dieser Position, bis Amor selbstverständlich die sexuelle Anspannung kommentierte. Dann schmiss sie sich praktisch von mir runter.
Das hier wurde irgendwie immer unangenehmer.