Seelengefährten - Ridley

By ReginaMars_upilami

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Ridley braucht keinen Seelengefährten. Und erst recht nicht den, den er bekommt. Was er braucht, sind Berge a... More

Ein angenehmer Morgen
Ein lästerlicher Ketzer
Ein schwieriger Anfang
Ein unerfreuliches Wiedersehen
Ein mittelmäßiger Tag
Ein sehr früher Morgen
Eine unschöne Begegnung
Ein unmöglicher Traum
Eine neue Herausforderung
Eine heiße Dusche
Ein lang erwarteter Besuch
Ein schweißtreibender Arbeitsbeginn
Eine lehrreiche Mittagspause
Eine unerwartete Entwicklung
Eine neue Leiche
Ein überraschender Abend
Ein wirklich sehr überraschender Abend
Ein kühles Bier
Eine brutale Nacht
Ein dunkler Raum
Eine neue Information
Eine verheerende Verabredung
Ein schmerzhafter Abschied
Ein neues Problem
Eine rätselhafte Wunde
Eine sündhafte Pause
Ein kryptisches Gespräch
Ein verlorener Nachmittag
Ein unbekanntes Gefühl
Ein neues Kapitel
Ein dramatischer Besuch
Ein fataler Brief
Eine unruhige Nacht
Eine überfällige Aussprache
Ein Moment des Glücks
Eine alte Wunde
Ein ernstes Gespräch
Ein unsanftes Erwachen
Ein spektakuläres Mittagessen
Ein überraschendes Geständnis
Ein ernüchternder Anblick
Eine plötzliche Erleuchtung
Eine wilde Jagd
Eine hinterhältige Entführung
Ein kluger Plan
Ein unerwarteter Zwischenfall
Ein gefährlicher Plan
Ein weiteres Problem
Ein dunkler Ort
Ein grauenvoller Anblick
Eine unerwartete Ankunft
Zwei heldenhafte Helden
Ein unruhiges Mahl
Ein müder Morgen
Eine glänzende Zukunft
Bonus: Ein geheimer Ort

Eine wichtige Probe

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By ReginaMars_upilami

»Konzentrier dich, du Flachpfeife«, zischte Andrew ihm zu. Onex zuckte zusammen und hätte beinahe die Karaffe fallen lassen.

Der Hauspriester der Dostals sah sie gnädig an. »Noch einmal von vorn«, sagte er mit sanfter Stimme. Er war einer der wenigen Eingeweihten, einer der paar Leute, die von ihrer Verlobung wussten. Seine Augenbrauen glichen weißen Blitzen und die Haut einer rissigen Wand.

Onex straffte sich. Er versuchte, den Raum zu vergessen, der trotz seiner Weite zu klein für all die samtbezogenen Möbel wirkte. Teppiche stapelten sich über Teppichen, so dass er nie das Gefühl hatte, über festen Boden zu gehen. Es roch nach frischen Blüten, doch die üppigen Blumenarrangements konnten die abgestandene Luft nicht auffrischen. In der Mitte des Zimmers war ein freier Platz. Dort übten sie.

»Mit diesem Wasser übergebe ich dir meine ewige Treue«, sagte Onex. Vorsichtig kippte er Wasser aus seiner Karaffe in die schwere Goldschale zwischen ihnen. »Mögen unsere Leben sich vermischen, so wie das Wasser in dieser Schale und zu einem ebenso lebensspendenden Elixier werden. Ich schwöre, dich zu lieben und dir zu ... zu ...« Mist.

»Zu dienen«, flüsterte der Priester, während Andrew ihn böse anstarrte.

»Dir zu dienen, bis an das Ende unserer Tage«, beendete Onex den Satz. Warum konnte er sich das nie merken?

»Könntest du ein wenig enthusiastischer klingen?«, knurrte sein Verlobter. Das blasse Gesicht war zu einer genervten Fratze verzogen. »Das klingt nicht, als wolltest du mir wirklich ewig dienen.«

Will ich auch nicht, dachte Onex und hoffte, dass man es ihm nicht ansah.

»Entschuldige, Andrew«, sagte er zum hundertsten Mal heute. Mindestens. »Ich habe schlecht geschlafen.« Er hatte überhaupt nicht geschlafen, in dem weichen Bett, das so riesig war, dass eine Großfamilie darin Platz gefunden hatte. Es war zu leise hier. Die massiven Wände und die dicken Teppiche dämpften jedes Geräusch.

»Mir ist egal, wie du schläfst.« Andrew richtete seinen Ärmel. »Konzentrier dich gefälligst, du Bauerntrottel. In zwei Wochen müssen wir die Zeremonie hinter uns bringen und bis dahin sollte der verdammte Text in deinen hohlen Kopf gehen.«

»Hinter uns bringen ist der richtige Ausdruck dafür«, murmelte Onex, obwohl der Priester sie hören konnte. Sofort tat es ihm leid. Er sah zu Andrew hinüber, aber der schüttelte nur den Kopf, als könnte er nicht glauben, wie blöd Onex war.

Die Wut in Onex' Magen wuchs. Mit jeder Minute, die er in dieser ... dieser blöden Villa verbrachte. Er fragte sich, wo diese Wut so plötzlich herkam. Bisher war er ein friedlicher Diener der Göttin gewesen und nicht ... jemand, der stetig kurz vorm Ausrasten war.

Es ist Slar, dachte er. Slar fehlt. Ich hatte es so gut mit ihm. Er hat auf mich aufgepasst und ... und ich musste mich nie selbst wehren. Ich konnte mich immer darauf verlassen, dass er es an meiner Stelle tut, und ...

Das war nicht sehr erwachsen gewesen, oder? Schließlich war er schon zwanzig Jahre alt und sollte wirklich gelernt haben, für sich selbst einzustehen. Nur hatte er das nie gemusst. Ob man es lernen konnte?

»Herr Andrew, nun seid Ihr dran.« Der Priester machte eine Handbewegung, als würde er ein Konzert dirigieren. »Bitte beginnt.«

»Onex Sindelar.« Andrews Stimme klang melodisch und geübt. »Lass uns unsere Herzen zu einem machen, zwei Teile, die doch eins sind. So wie dieses Wasser.« Elegant goss er es aus seiner Karaffe in die goldene Schale. Er sah aus wie eine Statue. Jeder Handgriff schien geübt. »Ich schwöre, dich zu lieben und dir zu dienen, auf dass unsere Verbindung uns Wohlstand und Freude bringe.« Er klang, als würde er das vollkommen ernst meinen.

»Vielen Dank, Herr Andrew.« Der Priester nickte gütig. »Lasst uns diese Verbindung mit einem Kuss besiegeln.«

Einem was? So weit waren sie in der Zeremonie bisher nie gekommen. Onex starrte Andrew wie versteinert an. Der verdrehte die Augen. Der Duft seines Haaröls wehte zu Onex herüber. Onex schluckte. Sein Blick blieb an Andrews leicht geschwungenen Lippen hängen.

»Bringen wir es hinter uns«, sagte sein Verlobter und machte einen Schritt auf ihn zu. Onex wich zurück und erntete ein vernichtendes Schnauben. »Ernsthaft? Musst du so kindisch sein?«

Ich bin nicht kindisch, dachte Onex und war froh, dass er es nicht laut gesagt hatte. Er klang wie ein Kind. Wütend auf sich selbst, aber noch wütender auf seinen Verlobten, machte er einen Schritt vorwärts. Seine Brust stieß beinahe gegen Andrews.

Warmer Atem schlug ihm ins Gesicht. Gut gepflegter, pfefferminziger Atem. Immerhin. Er sah in Andrews schmale Augen und entdeckte ein Flackern.

Hast du etwa Angst?, wollte er fragen, traute sich aber nicht. Die Antwort wollte er sich gar nicht vorstellen.

»Lasst uns diese Verbindung mit einem Kuss besiegeln«, wiederholte der Priester gleichmütig.

Ein Kuss. Gut, kein Problem. Onex lehnte sich vor und beugte den Kopf nach rechts. Andrew lehnte er den Kopf nach links und sie stießen mit den Nasen aufeinander statt mit den Lippen.

Schallendes Lachen erklang. Schockiert blickte Onex sich nach dem Priester um, aber der schaute gütig wie stets. Das Lachen kam von dem großen Mann, der im Türrahmen lehnte. Er sah aus wie Andrew, nur dass alles an ihm länger und breiter war. Selbst sein Dutt hatte den doppelten Umfang. Ein fein gestutzter Bart lag wie gezeichnet um einen höhnisch lächelnden Mund. Er war recht attraktiv, wenn man die kalten Augen ignorierte.

»Was war denn das für eine traurige Vorstellung?« Er hob eine Braue und schnalzte mit der Zunge. »Erbärmlich.« Selbst seine Verachtung war doppelt so eindrucksvoll wie Andrews.

Irgendetwas zupfte an Onex' Bewusstsein, doch er konnte es nicht erfassen. Er hatte den Mann noch nie gesehen. Aber das war kein Wunder. Seit seiner Ankunft hatte es niemand für nötig gehalten, ihm das Haus zu zeigen oder die Leute darin vorzustellen.

»Hallo«, sagte er, weil er nicht wusste, was er sonst sagen sollte. »Ich bin Onex.«

Der Mann warf ihm einen ungläubigen Blick zu, rieb sich über die Augen und schüttelte den Kopf. »Andy, Andy«, sagte er. Spott schwängerte seine Stimme. »Das ist also dein Verlobter. Du tust mir fast leid. Mit so einem Bauerntrottel solltest selbst du dich nicht rumschlagen müssen.«

Hitze kroch Onex' Wangen hoch. Er wollte etwas sagen, aber seine Zunge war wie versteinert.

»Dickerchen, ich hoffe, du nimmst vor der Hochzeit noch ein bisschen ab.« Der Mann blickte an Onex hoch und runter. »Sonst sieht Andy neben dir noch mehr aus wie ein gekochter Lauch.«

Sag etwas, dachte Onex. Slar ist nicht mehr da, um dich zu verteidigen. Du musst das jetzt selbst lernen.

Aber er schaffte es nicht. Stumm sah er zu Andrew, von dem er eigentlich erwartet hätte, dass er Widerworte gab. Nicht gegen die Beleidigungen, die der Mann über Onex ausschüttete. Sondern darüber, dass der ihn als Lauch bezeichnet hatte. Doch zu Onex' Verwunderung schaute sein Verlobter zu Boden. Sein Kopf ähnelte farblich einer Himbeere. Der Priester schwieg dezent und sah zur Decke.

»Und was war das für ein peinliches Schauspiel?« Mist, er war immer noch nicht fertig. »Sollte das ein Kuss sein? Hat Lucinda dir nicht mehr beigebracht, Andy?« Die Augenbraue wanderte, so unmöglich es schien, noch höher. »Ach, richtig, ich vergaß: Du hast ja gar nichts bei ihr gelernt.«

»Lass mich in Ruhe, Aidan«, murmelte Andrew. Seine Gesichtsfarbe wurde immer röter.

»Oh, jetzt fürchte ich mich entsetzlichst.« Aidan verdrehte die Augen. »Vielleicht sollten wir deinen Verlobten zu Lucinda schicken, damit wenigstens einer in der Hochzeitsnacht weiß, was er tut.«

»Wer ist Lucinda?«, frage Onex, obwohl er lieber etwas anderes gefragt hätte. Zum Beispiel wer das Arsch..., äh, dieser Aidan war, der hier einfach hereinmarschierte und sie beleidigte.

»Lucinda, mein bäuerlicher Freund«, der Mann kicherte, »ist die Dame, die uns vier Brüder in die Kunst der Liebe eingeführt hat. Zumindest wäre das ihre Aufgabe gewesen. Gegen Andrews Unfähigkeit hatten selbst ihre weichen Schenkel keine Aussicht auf Erfolg.«

Onex sah zu Andrew. Nun musste er sich doch langsam wehren, oder? Was war aus dem Mistkerl geworden, der ihn fast von der Leiter geschüttelt hatte?

»Ich habe ihren Bericht gelesen«, sagte Aidan. »Du hast nicht mal einen hochgekriegt, du Versager.«

»Ich habe dich gefragt, was du willst, Aidan«, murmelte Andrew. Er klang so angriffslustig wie ein tuberkulosekranker Welpe.

»Ach, das hätte ich fast vergessen.« Zwei weiße Zahnreihen blitzten. »Vater sagt, wir essen heute im grünen Salon. Ihr sollt euch umziehen und dann nach unten begeben.«

»Isst du mit uns?« Der Gedanke schien Andrew mit Furcht zu erfüllen.

»Natürlich, liebster Bruder. Wenn ich schon einmal hier bin, kann ich mir auch Vaters Reden über die Kanalreinigung anhören. Und Lisbeths Jammerei über die Taubenplage im Garten. Warum kriegt ihr das eigentlich nicht in den Griff? Wenn ich sie noch einmal meckern höre, weil die ihre Rosen vollscheißen, schieß ich die Dinger eigenhändig ab.« Mit einem selbstsicheren Lachen verschwand er. Andrew starrte immer noch zu Boden. Das einzige Helle in seinem Gesicht waren die Lippen.

»Das war also dein Bruder«, sagte Onex lahm. »Sind die alle so?«

»Was denkst du denn?« Andrew marschierte an ihm vorbei. Er schmetterte die Tür hinter sich zu, aber selbst dieser Laut verschwand in den Fasern der Teppiche und der dicken Vorhänge.

Auch der Priester packte seine Sachen zusammen.

»Wir üben morgen weiter«, sagte er zu Onex. »Sie machen Ihre Sache sehr gut, Herr Sindelar.«

»Danke«, sagte Onex. Was für eine nette Lüge.

Es war der dritte Anzug, den er heute trug. In diesem Haus zog man sich zum Frühstück, zum Mittag- und zum Abendessen um. Und jedes einzelne Kleidungsstück war ihm zu weit. Immer noch besser als zu eng, aber in der feinen Seidentunika sah Onex aus wie ein Kind. Er fühlte sich wie ein Kind. Eins, das nichts richtig machen konnte, das noch nichts gelernt hatte und über das die Erwachsenen traurig den Kopf schüttelten.

Es wurden bereits passende Anzüge für ihn geschneidert, aber das brauchte seine Zeit. Gestern hatte der Schneider seine Maße genommen. Onex sah sich in dem bodenlangen Spiegel an, der gegenüber von seinem Schlachtschiff von einem Bett lag und seufzte tief. Dieses Zimmer war fast so groß wie ihr ganzes Haus daheim und ... Er durfte nicht an daheim denken. Das machte ihn nur noch trauriger.

Ein Klopfen an der Tür. Onex streckte vorsichtig den Kopf hinaus. Eine verwirrte Dienerin sah ihn an. Richtig, er hätte »Herein« rufen müssen, statt selbst die Tür zu öffnen.

»Ja, bitte?«, sagte Onex.

»Ein Brief für Sie, Herr Sindelar.« Ein Brief auf einem glänzenden Tablett. Slar. Das war seine Handschrift!

»Danke!« Onex schnappte sich den Brief, bevor die Dienerin ihn ihm reichen konnte. Kaum war die Tür geschlossen, riss er ihn auf. Dicht beschriebenes Papier kam zum Vorschein. Onex' Herz tat einen Hüpfer. Slars Schrift hätte er unter tausenden erkannt.

Onex, schrieb der, ich bin erfreut, dass es dir gut geht.

Wie förmlich, dachte Onex. Slar schreibt nicht oft Briefe, schätze ich.

Im Tempel ist alles wie immer. Heute Morgen wurde ich eingeteilt, um das Waisenhaus zu bewachen. Die Zustände dort sind nicht das, was ich mir vorgestellt hatte. Ich habe meinem Priester davon berichtet, aber er kann nichts dagegen tun. Ich überlege, Zukal um Hilfe zu bitten. Vielleicht fällt ihm etwas ein. Ich berichte dir von meinen Fortschritten, falls es welche geben sollte.

Ich freue mich, dass du gut ernährt wirst. Hühnchen in Rotweinsauce klingt fraglos besser als das Schmalzbrot im Tempel. Ich hoffe, das Essen bleibt gut und das Wetter auch. Bitte melde dich, falls es dir nicht gut gehen sollte.

Dein Freund,

Slar

Ein Kloß formte sich in Onex' Hals. Er bildete sich ein, Slar durch die Zeilen sprechen zu hören. Wie gern hätte er ihm von seinem Tag berichtet. Er würde ihm schreiben, gleich nach dem Abendessen. Nur konnte er nicht zu ehrlich werden. Sonst würde sein Freund noch die Villa stürmen und Andrew und seinen Bruder versohlen. Und dann würde Slar garantiert im Gefängnis landen.

Ich muss wirklich lernen, mich selbst zu wehren, dachte Onex. Wenn es nur nicht so schwer wäre.

Gedämpfte Schritte erklangen aus dem Nebenzimmer. Das, dessen Tür an Onex' grenzte. Das Zimmer seines Zukünftigen. Onex straffte sich.

Ich werde lernen, mich zu wehren. Sofort.

So selbstbewusst wie möglich durchquerte er sein Zimmer. Er hob die Hand, um zu klopfen, und zögerte.

Nein, dachte er. Slar würde auch nicht klopfen. Vermutlich.

Also drückte er die Klinke mit schwitzigen Händen nieder und betrat das Zimmer seines Verlobten.

»Andrew«, sagte er. »Du solltest netter zu mir sein. Bitte.«

Andrew sah ihn verständnislos an. Dann zuckte er zusammen. Brotkrümel fielen aus seiner Hand und er klappte hektisch das offene Fenster zu. Empörtes Zirpen erklang von draußen.

»Was machst du hier?«, schnappte er.

Onex zögerte. Er betrachtete Andrew, der eine Hand hinter dem Rücken verbarg und so schuldbewusst schaute, als hätte Onex ihn bei einem gemeinen Diebstahl entdeckt.

»Hast du die Grünfinken gefüttert, Andrew?«, fragte er.

»Selbstverständlich nicht.« Andrew sah ihm nicht in die Augen. Zwitschern und Flügelflattern vor seinem Fenster. Grüne Federn wischten vorbei.

»Doch, hast du.« Onex trat neben ihn und sah auf die Vögel, die vor dem Fenster auf Brotkrümel einpickten. »Bist du der Grund für die Grünfinkenplage? Machst ... machst du das, um deinen Vater zu ärgern?«

»Nein.« Andrew sah ihn böse an. »Natürlich nicht.«

»Warum dann?«

»Das geht dich nichts an.«

»Aber ...«

»Was willst du in meinem Zimmer?«

»Hab ich doch gesagt.« Onex schluckte und ballte die Hände zu Fäusten. »Ich finde, du solltest netter zu mir sein. Ich bin dein Verlobter und ... ich meine, wenn du immer so bist, dann bist du eine sehr lange Zeit gemein zu mir und das ist nicht ... schön.«

Der altbekannte überhebliche Gesichtsausdruck erschien.

»Nicht schön«, wiederholte Andrew. »Ach du je, das tut mir entsetzlich leid, lieber Onex.« Er schnaubte. »Ich rede mit dir, wie ich will, du Bauerntrottel.«

»Ich ...« Onex fühlte sich nach Aufgeben, aber das konnte er nicht. »Ich bin überhaupt kein Bauer. Mein Vater ist ein Priester. Wir haben nur nebenher ein wenig Gemüse angebaut.«

»Bauer bleibt Bauer. Und ein Landei-Priester ist auch nichts Besseres.« Andrew verzog das Gesicht. Es erinnerte Onex an seinen großen Bruder. Ja, mit einem Mal wusste er, was ihn die ganze Zeit irritiert hatte.

»Du machst ihn nach«, sagte er, bevor er es sich besser überlegen konnte.

»Wen?«

»Deinen Bruder. Du bist wie eine schlechte, äh, also, ich meine, andere Kopie von ihm.«

Ein Unwetter zog über Andrew Dostals Miene. »Hör auf, Märchen zu erzählen, Landei. Ich mache ihn nicht nach. Ich bin wie er.«

Onex fragte sich ob Aidan Dostal auch heimlich Papageien fütterte. »Bist du da sicher?«

»Natürlich bin ich das, du Landei.«

Onex wollte ihm die Meinung geigen, aber er wusste nicht, wie. Vielleicht, wenn er sich vorstellte, dass er Slar war? Aber der hätte Dostal einfach die Faust auf die Nase geschmettert. Ein anderes Gesicht erschien vor seinem inneren Auge. Ridley Zukal. Was würde der sagen?

»Jetzt kannst du wieder große Töne spucken, du ... Rüpel«, brummelte er. »Aber als dein Bruder dich beleidigt hat, da ... da hast du kein Wort rausgekriegt.«

Der Schlag saß, obwohl er von einem Anfänger kam. Dostal zuckte zusammen und wandte den Blick ab. »Das kapierst du nicht.«

»Was? Dass du ...« Onex atmete tief ein. Hoffentlich würde Andrew sich nicht auf ihn stürzen. »Dass du vor deinem Bruder kuschst, aber ... aber Schwächere quälst? Das ist nicht sehr nett von dir.« Genau so hätte Zukal das ausgedrückt. Bestimmt.

»Das ist ganz normal, du Holzschaf«, knurrte Zukal. »Er ist mein großer Bruder, verdammt, gegen den bin ich nie angekommen. Nie! Er ist größer als ich und stärker und Vater ist stolzer auf ihn und ...« Er verharrte. Seine Züge glätteten sich. »Was ich sagen will, ist, dass das die natürliche Ordnung der Dinge ist. Mein Bruder steht über mir. All meine Brüder stehen über mir und mein Vater auch. Stell es dir vor wie das Tierreich. Mein Vater wäre ein Braunbär oder ein Löwe. Stärker als alle andern. Meine Brüder Wölfe. Nicht so stark wie ein Bär oder ein Löwe, aber sie können jedes andere Tier schlagen.«

»Und was bist du?«, fragte Onex.

»Ein ... Fuchs.« Andrew steckte die Hände in die Hosentaschen. »Ich bin nicht so stark wie die anderen. Aber die Grasfresser und Nager, Beutetiere und der restliche Pöbel stehen weit unter mir. Sehr weit.« Er hob eine Augenbraue, kam aber nicht ganz so hoch wie sein Bruder. »Habe ich mich so ausgedrückt, dass du es verstehen konntest, Onex?«

»Was für ein Tier bin ich denn?, fragte Onex.

»Ein Meerschweinchen.«

»Oh.«

»Ja, oh. Nutzloses Kleinvieh. Kannst du jetzt verstehen, warum ich unsere Verbindung so unerträglich finde? Ich habe einfach nichts zu gewinnen, wenn ich dich heirate.«

»Ich auch nicht«, behauptete Onex.

»Du hast alles zu gewinnen!« Andrew deutete auf die Tür zu seinem Zimmer, die immer noch offen stand. »Hast du schon einmal in so einem Bett geschlafen? In so einem Zimmer? Ich vermute nicht, oder?«

»Ich mochte mein altes Zimmer«, flüsterte Onex.

»Das, in dem du mit diesem Rindvieh Slar gehaust hast?« Andrew verdrehte schon wieder die Augen.

Wut schoss Onex' Kehle hoch. »Nenn ihn nicht so!«

Andrew schaute irritiert. »Ich nenne ihn, wie ich will. Rindvieh ist noch eine zu gnädige Bezeichnung für ihn. Hast du dir sein Gesicht mal angesehen? Bei der hässlichen Fresse sind euch daheim sicher die Kühe durchgegangen ...«

Onex schubste ihn. Mit beiden Händen. Was den Effekt hatte, dass Andrew drei Schritte rückwärts taumelte und sie sich entsetzt ansahen.

»Was war das denn?« Röte stieg in Andrews Gesicht auf. »Du hast mich angegriffen!«

»Hab ich ni... Entschuldi... Du hast Slar beleidigt!« Onex plusterte sich auf. »Red nie wieder so über ihn oder ich, äh ...« Er überlegte. »Greife dich nochmal an.« Er war nicht ganz sicher, dass er das fertigbringen würde, aber ...

Andrew schubste ihn. Onex wäre beinahe hingefallen. Er ruderte mit den Armen und warf eine hölzerne Staue von Andrews Nachttisch.

»Das war auch nicht sehr nett ...«, begann Onex, aber Andrew schubste ihn wieder.

»Landei«, knurrte er.

»F-fällt dir nichts Besseres ein?«, stotterte Onex, bevor Andrew ihn schon wieder schubste.

»Doch, dass dein Freund Slar eine widerwärtige Hackfresse ist ...«

Mit einem Schrei stürzte Onex sich auf ihn.

Selbst während sie über den Boden rollten und an den Kleidern des anderen zerrten, war Onex bewusst, was für ein armseliger Kampf das hier war. Keiner von ihnen hatte eine Ahnung, was er tat. Er versuchte, Andrew auf Boden zu pinnen, und rutschte aus. Andrew packte seine Handgelenke und warf ihn herum, mit so viel Schwung, dass er eine Drehung machte und unter Onex landete.

»Du kämpfst erbärmlich«, knurrte Andrew und versuchte, ihn abzuwerfen.

Onex schaffte es, ein Knie auf Andrews Oberschenkel zu pressen. »Du auch«, brachte er hervor. Sein Atem ging schwer. So viel körperliche Anstrengung war er nicht mehr gewohnt. Um ehrlich zu sein, war er das nie gewesen. Keuchend drückte er Andrew in den dicken Teppich. Der wand sich unter ihm, konnte sich aber nicht befreien.

»Lass mich los, du Bauer!«

»Nein!«

Onex ließ wirklich nicht los. Was dazu führte, dass er Andrew eine ganze Weile zu Boden drückte, ohne zu wissen, was nun zu tun war. Der spannte alle Muskeln an, konnte aber nichts machen. Minuten vergingen. Onex hatte längst keine Lust mehr zu kämpfen, aber er wusste auch nicht, wie man einen Kampf höflich beendete.

»Und jetzt?«, knurrte Andrew.

»Äh«, sagte Onex. »Gibst du auf?«

»Niemals«, zischte sein Verlobter.

Weitere Minuten vergingen.

»Ja, na gut«, Andrew sah zur Seite. »Aber nur, weil mir langweilig ist.«

»Mir ist auch langweilig«, behauptete Onex. Er lockerte seinen Griff. Endlich, er war schon ganz verkrampft. Schweigend setzten sie sich auf den Teppich. Andrew lehnte sich mit dem Rücken gegen das Bett.

»Warum bist du ausgerastet, als ich diesen ... deinen großen Freund beleidigt habe?« Er verzog den Mund. »Wenn ich dich beleidige, schaust du nur, als würdest du gleich losheulen.«

»Ich ...« Onex' Wangen brannten und er hoffte, dass Andrew das für eine Begleiterscheinung des Ringens halten würde. »Er ist mein Freund. Ich muss ihn doch, also ... verteidigen. Würdest du das nicht für Jake und Pierce tun?«

»Nein. Und sie auch nicht für mich.« Es klang einfach so dahingesagt. Onex musterte Andrew. Sein feines Profil, den Dutt, aus dem nun ein paar Haarsträhnen schauten. Die edle Kleidung war zerknittert.

»Du musst dich nochmal umziehen«, sagte er und deutete auf einen Riss in der Tunika. Andrew wirkte überrascht, als er das Loch entdeckte.

»Nicht schlecht, du Landei.« Er pfiff leise durch die Zähne. »Das hätte ich dir nicht zugetraut.«

»Es tut mir leid«, sagte Onex. »Ich sollte die Hand nicht gegen Schwächere erheben. Das besagt das vierte Gesetz der Göttin und ...«

»Ich bin nicht schwächer als du.« Andrew steckte eine Strähne zurück in seinen Dutt. »Ich habe mich zurückgehalten.«

Was für eine unverschämte Lüge! Onex kannte sich selbst nicht mehr, so wütend war er. Ridley Zukal erschien in seinem Kopf und flüsterte ihm Worte ins Ohr. »Oh, wie überaus nett von dir. Da-dann hast du dich bei Lucinda bestimmt auch zurückgehalten.«

Andrew sprang auf. Seine Augen blitzten. »Halt die Klappe! Davon verstehst du nichts! Du ... du kannst ja nicht mal küssen!«

»Du doch auch nicht.« Onex schob die Unterlippe vor. »Meine Nase tut immer noch weh.«

»Das war deine Schuld. Man muss den Kopf nach links beugen. Das weiß doch jeder.«

»Ach, echt?«

»Ja.«

Er war fast sicher, dass Andrew log. Misstrauisch erhob Onex sich. Er lehnte den Kopf nach links. »So?«

Andrew zögerte. »Ja.«

Onex beugte sich vor und küsste ihn. Diesmal trafen sich ihre Münder. Es war sehr angenehm. Überraschend angenehm. Man konnte nicht viel Nettes über Andrew Dostal sagen, aber immerhin schmeckte er gut. Als Onex sich zurücklehnte, klebte ein Hauch von Pfefferminz und Salz auf seinen Lippen.

»Gut, das funktioniert«, sagte Onex. »Machen wir das bei der Zeremonie so.«

Andrew starrte ihn an. »Hast du das auch gespürt?«

»Was?«

»Nichts.«

Onex sah ihn ratlos an.

Aber Andrews Gesicht war in Windeseile wieder glatt und arrogant. »Na, dann blamieren wir uns wenigstens bei dem Teil der Zeremonie nicht«, sagte er und begann, seine Tunika aufzuknöpfen. »Gesetzt den Fall, dass du dich in zwei Wochen daran erinnerst, wie es richtig geht, Landei.«

»Na klar«, brummte Onex. »Nach rechts lehnen und ...«

»Nein!« Dostal sah ihn an, als wäre er völlig verblödet. »Was habe ich gerade noch gesagt? Diese Zeremonie wird eine Katastrophe!«

Onex senkte den Kopf und knurrte unwillig. »Wird sie nicht. Wir haben doch noch zwei Wochen zum Üben.«

Schweigen. Als er aufsah, musterte Andrew ihn und zum ersten Mal wirkte er unentschlossen. »Meinst du das ernst?«

»Was? Ja.« Onex überlegte. Sie hatten doch noch zwei Wochen, oder? Oder hatte er sich vertan? Hatte er ...

Andrew legte die Hände auf seine Wangen und küsste ihn. Wärme und Pfefferminzgeschmack legten sich auf Onex' Mund. Er erstarrte.

Ach, das hat er gemeint, dachte er. Er hat gedacht, dass wir das hier üben ... Ups. Ich sollte das Missverständnis aufklären, so schnell wie ...

Andrew schloss die Augen und kam näher. Sein Mund öffnete sich und zog Onex' Lippen auseinander. Der beschloss, dass die Aufklärung des Missverständnisses noch eine Weile warten konnte. Vielleicht sollten sie wirklich üben. Nicht, dass sie sich bei der Zeremonie blamierten ...

Andrew war erstaunlich nett, wenn er die Klappe hielt. Sein Daumen strich sanft über Onex' Wange und seine Lippen knabberten so vorsichtig an seinen, als hätte er Angst, ihn zu verletzten. Ja, ein schweigender Andrew Dostal war einem sprechenden eindeutig vorzuziehen. Onex sorgte dafür, dass er ruhig blieb. Er legte die Hände um seine Taille und zog ihn noch näher an sich heran. Sein Mund verschloss Andrews so fest, dass kein Laut herausdringen konnte. Andrews Nase drückte in seine Wange. Irgendwie war ihm schwindlig.

Er spürte ein leichtes Zittern durch Andrews Körper rinnen. Der Griff um Onex' Kopf wurde stärker. Andrew stöhnte in seinen Mund. Leise, aber Onex spürte das leichte Beben. Er legte den Kopf zurück.

»Geht es dir gut?«, fragte er. »Ist dir schlecht?«

Sein Verlobter starrte ihn an. »Nein, was? Natürlich geht es mir gut, du ...« Er zögerte. Schien, als hätte er vergessen, wie er Onex diesmal beleidigen wollte. Sein Atem ging schnell und abgehackt. »Hast du das wirklich nicht gespürt?«

»Was denn?« Onex nahm die Hände von Andrews Taille. Der packte sie und legte sie zurück.

»Nichts. Egal, wir sollten weiter üben. Bis zum Abendessen ist noch Zeit.«

Eigentlich waren sie schon zu spät dran. Aber das hier war das Angenehmste, was Onex getan hatte, seit er in der Villa angekommen war. Also ließ er zu, dass Andrew ihn wieder küsste, hungriger diesmal, und sehr viel entschlossener. Diesmal spürte er etwas. Heißes Kribbeln entstand in seinem Magen. Nur ganz schwach, aber es reichte. Onex' Männlichkeit erhob sich unter der Seidentunika und drängte gegen Andrews Oberschenkel. Schnell verlagerte er das Gewicht, um seinen Zustand zu verbergen ... und stieß gegen etwas. Andrew ging es genau wie ihm. Eine harte Spitze drückte sich in Onex' Fleisch. Wieder vibrierten seine Lippen mit Andrews Stöhnen. Diesmal verstand er.

Ihre Münder trennten sich mit einem nassen Geräusch. Onex starrte seinen Verlobten an. Dessen Atem ging noch schwerer und seine Augen wirkten verschleiert, fast wie die der Männer, die Wein am Rand der Kanäle tranken.

»Ich dachte, du kannst nicht ...« Onex schluckte. »Das da. Ich dachte, das geht nicht.«

»Was?« Andrew blinzelte. »Was soll nicht gehen?«

»Dein ... deine ... Lucinda hat doch gesagt ...«

Andrews Gesicht wurde einen Hauch bleicher. »Das geht dich nichts an.«

»Nein, natürlich nicht. Ich dachte nur ...«

»Willst du jetzt weitermachen oder dich weiter in fremde Angelegenheiten einmischen?« Andrews Wangen waren rot. Ob vom Küssen oder vor Schmach konnte Onex nicht sagen.

»Weitermachen«, sagte er wahrheitsgemäß. Er atmete tief ein. »Aber erst will ich wissen, warum ... warum bei mir funktioniert, was bei Lucinda nicht ... Ich meine, ich habe keine Ahnung, was ich tue, falls du das nicht gemerkt hast. Warum jetzt?«

Andrew presste die Lippen aufeinander. Dann wandte er sich von Onex ab und ließ sich rückwärts auf das Bett fallen. Er sank ein gutes Stück ein.

»Ich hatte ...« Er stockte. »Ich war ... Ich wusste, dass sie einen Bericht schreiben würde, ja? Wie soll man da ... Ich meine, ich wusste, dass Vater das liest. Ich kapier nicht, wie meine Brüder einen hochgekriegt haben, wenn sie das wussten. Haben sie natürlich, aber ... wie, verdammt?«

Onex schwieg. Er legte sich neben Andrew und sah ihn an.

»Keine Ahnung«, sagte er. »Ich hätte auch Angst gehabt.«

»Ich hatte keine Angst! Das ist ganz normal!«

»Natürlich.« Onex konnte nicht umhin, die Erhebung unter Andrews Tunika zu bemerken. Er war fast ein bisschen stolz. »Ich ... In meinem Bericht an deinen Vater werde ich deinen Härtegrad lobend erwähnen.«

Andrew sah ihn fassungslos an. Er blinzelte, dann hob er eine Augenbraue. »War das ein Witz?«

»Äh, ja.«

Ein Lächeln kräuselte die Mundwinkel seines Verlobten. Ein sehr überraschtes Lächeln. »Zu gütig, du Landei.«

»K-klappe, du feiner Pinkel.« Onex richtete sich auf. Zu seinem eigenen Erstaunen packte er Andrews Schultern und setzte sich rittlings auf ihn. Er spürte den schmalen Brustkorb zwischen seinen Oberschenkeln. »Weiter?«

»Weiter«, bestätigte Andrew. Er klang heiser.

Es klopfte an der Tür. Sie fuhren so schnell auseinander, dass Onex vom Bett plumpste. Gut, so konnte er sich hinter dem monströsen Ding verbergen.

»Herein«, rief Andrew und obwohl sein Gesicht nichts verriet, wackelte seine Stimme.

Jemand öffnete die Tür. »Herr Andrew«, sagte die Dienerin. »Ihr Vater erkundigt sich, wo Sie bleiben.«

»Natürlich, ich bin gleich da.«

»Ich werde es ausrichten.« Die Dienerin räusperte sich. »Wissen Sie, wo Ihr Verlobter ist? Ich konnte ihn in seinem Zimmer nicht antreffen.«

»Nein.« Andrew zupfte an seiner Tunika. »Aber ich bin sicher, dass er zum Essen auftaucht. Sie haben ja selbst gesehen, wie verfressen er ist.«

Onex wusste auch nicht, warum ihn diese Worte trafen. Er hätte nichts anderes erwarten sollen, oder? Kaum hatte die Dienerin die Tür geschlossen, ging er zurück in sein Zimmer, ohne ich umzudrehen.

Als er endlich wieder in seinem Bett lag, seufzte er vor Erleichterung. Es war seltsam gewesen, wenn auch nicht so furchtbar wie erwartet. Aidan hatte weder Onex noch Andrew beleidigt, sondern sich auf winzige Seitenhiebe beschränkt. Es musste an der Anwesenheit von Andrews Vater gelegen haben. Unangenehm war es trotzdem. Onex wusste immer noch nicht, wie man korrekt mit der Hummerzange umging und Andrew hatte es ihm bestimmt schon hundertmal gezeigt. Heute Abend hatte er immerhin davon abgesehen, ihn zu korrigieren. Bis auf ein paar Seitenblicke hatte überhaupt kein Austausch zwischen ihnen stattgefunden. Schämte Andrew sich dafür, was er mit einem pummeligen Landei getan hatte?

Onex zog die Decke bis ans Kinn und starrte nach oben. Er erwartete, dort ein Bild der Göttin zu sehen, aber im Halbdunkel zeigte sich nur der Stoffhimmel seines zu großen Bettes. Die weiche Matratze quietschte unter ihm, als er sich bewegte.

Es sollte alles anders sein, dachte er. Ich wollte doch nicht Andrew Dostal heiraten. Niemals.

Er wollte Slar heiraten. Ihm war längst klar, wie der für ihn fühlte und mindestens ebenso lange schon fühlte Onex das Gleiche für ihn. Er hatte sich zurückgehalten, gewusst, dass es nur etwas mit ihnen werden konnte, wenn Slar sein Zeichen trug. Aber das war nicht erschienen. Also es war erschienen, aber auf dem falschen Mann.

War es ein Fehler gewesen, zu warten? Egal, was die ... Onex sah sich um, ob sie auch ganz sicher nicht im Zimmer stand ... Egal, was die Göttin befahl? Er hätte Slar sagen können, dass sein Herz schneller schlug, wenn er bei ihm war. Sie hätten zumindest ... das tun können, was er heute mit dem falschen Mann getan hatte. Er hätte Slar küssen sollen, noch im Tempel. Er hätte den viel zu kalten Raum durchqueren sollen und sich zu Slar auf die schmale Pritsche legen und ... und vermutlich hätte er sich auf Slar selbst legen müssen, aber das hätte ihm gar nichts ausgemacht. Er hätte endlich gewusst, wie die überbordenden Muskeln sich anfühlten und ... Hätte Slar es zugelassen?

Bestimmt, oder?, dachte Onex. Er ... liebt mich schließlich. Glaube ich. Nein, ich bin fast sicher.

Oder tat er es nicht mehr? Onex hatte Angst bekommen, als Ridley Zukal aufgetaucht war. Zunächst nicht, aber dann hatte der sich immer mehr für Slar interessiert und Slar ... hatte sich seltsam verhalten. Onex hatte versucht, herauszufinden, was Slar für Ridley empfand, aber dessen Antworten waren mehr als unbefriedigend gewesen.

Egal, dachte er. Alles egal. Das gehört der Vergangenheit an. Ich muss Andrew heiraten. Werde ich Slar dann noch sehen? Vielleicht sehe ich ihn nie wieder ...

Seine Kehle wurde eng. Nein, daran wollte er nicht denken. Dann doch lieber an Slars mächtigen Körper und daran, wie die Wassertropfen von seinen Schultern rannen, wenn sie sich morgens wuschen. Wie es sich anfühlte, wenn Slar den Arm um ihn legte, um ihn von einer rasenden Kutsche wegzuziehen, oder ihn davon abzuhalten, in ein Schlagloch zu treten. Unter der Decke, wo die Göttin es hoffentlich nicht sehen konnte, machten Onex' Finger sich an seinem Schlafhemd zu schaffen. Sie zogen die Seide hoch, bis sie sich um seine weiche Männlichkeit schlossen. Sie blieb nicht lange weich.

Slar, dachte er und stellte sich vor, wie der ihn packen würde. In ihrem Zimmer, nein, gleich auf den Stufen, und aus irgendeinem Grund wären die anderen Wächter verschwunden und das Wasser nicht eiskalt. Er spürte den harten Stein im Rücken und Slars gewaltigen Körper über sich. Die leuchtenden, liebevollen Augen in dem Gesicht, das so hart wirken konnte. Aber nicht, wenn es sich Onex zuwandte.

Slars Pranken, rau vom Training, würden über Onex' weiche Arme fahren, seine Wange streicheln und seinen Hals berühren und dann ... Er keuchte leise und hoffte, dass niemand ihn hören konnte. Aber das Haus schluckte alle Geräusche, oder? Er biss sich auf die Lippen und bockte aufwärts, stieß in seine verkrampfte, schwitzende Hand.

Ein Geräusch ertönte. Ein Knarren. Er fuhr zusammen und lag still. Stocksteif, seine Härte immer noch in den feuchten Handflächen.

Es war die Tür zu Andrews Zimmer gewesen. Er sah nur dessen Umriss im Türrahmen stehen. Das seidene Nachthemd hing um den schmalen Körper. Onex' Verlobter sprach nicht. Er stand nur da, als sei er unsicher, ob er den Raum betreten durfte.

Onex setzte sich auf. Die Decke raschelte und das Bett quietschte. War er doch zu laut gewesen? Aber je mehr sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnten, desto mehr sah er in Andrews Gesicht. Und auch wenn er es nicht genau erkennen konnte, glaubte er doch, zu wissen, warum der hier war.

Es sollte nicht er sein, dachte Onex. Es sollte ... Aber Andrew trug sein Zeichen. Sie würden heiraten. Und Andrew war hier und Onex war so erhitzt, dass er fast platzte.

Er schluckte. Dann schlug er die Decke zurück und nickte seinem Verlobten zu.

»Komm her«, sagte er.

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