BORN TO BURN (Band 1)

By YouAreMyDarling

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Olivia Capshaw ist eine Hexe. Keine dieser klischeehaften Kreaturen, die Zaubertränke in Kesseln zusammenbra... More

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Kapitel 84
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Kapitel 86
Kapitel 87
Epilog
Abstimmung bezüglich der beiden Bonusszenen (und ein bisschen mehr)
Bonuskapitel 1/2
Bonuskapitel 2/2
(Vertonung) BORN TO BURN || Part 1

Kapitel 76

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By YouAreMyDarling

Dinara und ich redeten bis tief in die Nacht.

Während die anderen Sonnenanbeterinnen – sowohl die aus Ashbrook, als auch die westenraaschen – sich nach und nach verabschiedeten und ins Lager begaben, blieben Dinara und ich nebeneinander sitzen und unterhielten uns über die Magie-Trainingseinheit, die wir vor einer knappen halben Stunde allesamt absolviert hatten. Sie hatte unsere Hoffnungen auf einen Sieg geschürt, sogar die meine, und uns zusammengeschweißt, unseren Geist und unsere Magie.

»Ich habe sofort erkannt, wer du bist, als ich dir in die Augen gesehen habe«, erklärte Dinara nun mit ihrer weichen Stimme. Sie saß im Schneidersitz auf dem Boden und hielt die dunkel geschminkten Augen geschlossen, als würde sie meditieren. Ihr schwarzes Haar fiel ihr in üppigen Wellen auf die grazilen Schultern und den goldfarbenen Seidenkimono, den sie über ihrem nachtblauen Gewand trug. Sie hatte mir gestanden, dass sie nicht nur als Parfumeuse, sondern auch als Kurtisane arbeitete, was mich nicht im Geringsten überraschte. Es passte zu ihr und ihrem extravaganten Lebensstil.

»Ich wiederum habe erst begriffen, wer du bist, als du mich förmlich mit der Nase darauf gestoßen hast«, räumte ich beschämt ein. »Ich weiß nicht, woran es liegt, dass ich die Magie anderer manchmal sofort spüre und manchmal überhaupt nicht.«

Dinara schlug ihre Augen auf und blickte mich an: »Herzchen, du bist gerade erst deiner Magie mächtig geworden, besitzt sie seit nur wenigen Wochen...da ist es nicht allzu verwunderlich, dass du in manchen Dingen noch nicht so geübt bist, wie ältere Sonnenanbeterinnen, Phönix hin oder her. Glaub mir, irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem du jedes Fitzelchen Magie spürst, das in irgendeiner Form durch die Welt geistert. Und dann wirst du dir wünschen, dem wäre nicht so.«

»Warum das?«

»Weil es störend ist, nervenaufreibend. Zu alledem auch noch ablenkend. Und manchmal ist Magie eben alles andere als rein und gut. Aber ich schätze, das ist eine Erfahrung, die du selbst wirst machen müssen. Da werden dir meine Erzählungen auch nicht weiterhelfen.«

Wir schwiegen eine Weile, ehe ich das Wort ergriff.

»Dinara?«

»Ja?«

Ein Windhauch fuhr durch das Laub eines nahe stehenden Baumes und brachte es zum Rascheln.

»Danke.«

Sie seufzte schwer. »Du brauchst dich für nichts zu bedanken. Wir sind Familie.«

Ihre Worte taten gut. Unglaublich gut sogar. Und sie brachten mich zum Lächeln.

Ich wollte mich gerade nach der Situation der Sonnenanbeterinnen in Westenraa erkundigen, als jemand laut meinen Namen rief. Ich identifizierte die Stimme noch bevor ich Jeremias vertraute Gestalt im milchigen Licht des Mondes erblickte. Er kam zügig auf mich zu, die dunklen Augen voller Sorge, ließ sich neben mir ins Gras sinken und zog mich in seine Arme, ohne von Dinara Notiz zu nehmen, die diskret ihren Blick abwandte.

»Was ist denn los?«, fragte ich alarmiert und löste mich aus seiner Umarmung, um ihm ins Gesicht sehen zu können. »Ist etwas passiert?«

Er schüttelte bloß müde den Kopf.
»Entschuldige.«

»Entschuldige?« Ich verstand nicht, was in ihm vorging, wollte es aber, weshalb ich ihn um eine Erklärung bat. Er gewährte mir diese nur widerwillig.

»Auf dich ist ein gewaltiges Kopfgeld ausgesetzt, Alexandra«, sagte er heiser.
»Der König hat verlautbart, dass er dich haben will, tot oder lebendig, und um jeden Preis.«

»Was?« Kaum mehr als ein Hauchen. Der König hatte mich lebend gewollt, immer, und jetzt... Er musste über alle Maßen verzweifelt sein. War das nun gut oder schlecht? Mir schwirrte der Kopf.

»Ich habe solche Angst um dich gehabt«, flüsterte er gehetzt. »Die Sonnenanbeterinnen sind eine nach der anderen ins Lager zurückgekehrt, doch von dir fehlte jede Spur...« Er schloss seine Augen für einen kurzen Augenblick, um sich zu beruhigen, schätzte ich, und sah mich dann noch durchdringender an. »Es ist in Ordnung, wenn du weggehst, aber bitte«, flehte er, »bitte, gib mir einfach Bescheid, wohin.«

Ich stöhnte leise auf. »Verzeih, ich-«, ich schaute ihn geknickt an, »Ich habe einfach nicht daran gedacht, dass du dir um mich Sorgen machen könntest. Ich bin so egoistisch.« Wie früher, dachte ich. Als ich mich dem strikten Ausgehverbot widersetzt hatte und trotzdem am Ufer des Ashbrook Rivers umherspaziert war, ungeachtet der Risiken. Damals hatte ich allerdings keine Menschen in meinem Leben gehabt, denen wahrhaftig etwas an mir lag. Ich war eine rücksichtslose Närrin.

»Schon in Ordnung«, flüsterte er leise und lächelte mich an, worauf er mich fest an sich zog.

Ich bekam nur noch mit, dass Dinara sich klammheimlich davonmachte, ehe Jeremias Lippen weich und verlangend auf meinen lagen und jegliche Schuldgefühle, die sich meiner bemächtigt hatten, in Sekundenschnelle verblassten und einer anderen Empfindung Platz machten. Meine Hände fanden den Weg in sein dunkles, zerzaustes Haar und richteten ein noch größeres Durcheinander an. Er stöhnte leise in meinen Mund, als ich meine Hände an seinen Seiten hinabgleiten ließ und zärtlich in seine Unterlippe biss.

Er löste sich von mir und sah mir mit einer solchen Glut in die Augen, dass mir schwindelig wurde. Dann küsste er meine Mundwinkel, anschließend meinen Kiefer und dann meinen Hals, langsam und voller Inbrunst, als würde ich nicht zitternd unter ihm liegen und vor Verlangen förmlich vergehen. »Jeremia«, klagte ich atemlos und zog ungeduldig an seinem Hemd.

Jeremia hingegen grinste nur und schüttelte den Kopf. »Nein.«

»Wie bitte?«

Er stand schwerfällig auf und reichte mir die Hand, um mir aufzuhelfen. Ich schlug sie beleidigt aus und erhob mich, ohne seine Hilfe in Anspruch zu nehmen. »Das kannst du gut, nicht? Frauen um den Verstand bringen und sie dann auf dem Boden liegen lassen.«

Das war tatsächlich schon so passiert.

Er musste grinsen. »Ich wollte dir doch aufhelfen.«

»Mistkerl«, stieß ich hervor.

Er lachte. Und dieses wundervolle, herzerwärmende Geräusch erinnerte mich wieder daran, dass es weit Wichtigeres gab, als meine Wut auf Jeremias grundlose Eifersucht -  nämlich sein Glück und unsere Liebe, so zerbrechlich diese auch sein mochte. 

Sie würde wachsen. Genau wie wir. 

Er nahm meine Hand in die seine und verschränkte unsere Finger miteinander. Ich genoss das Gefühl von Wärme und Geborgenheit, das diese simple Geste begleitete und lächelte leise in mich hinein.
»Jeremia?«

»Ja?«

»Dir ist bewusst, dass das unsere letzte Chance war, oder?«, fragte ich. 

»Nein«, erwiderte er ernst. »War es nicht. Nach dem Krieg werden wir noch genug Zeit dafür haben, uns aneinander zu erfreuen. Ein ganzes Leben.« Er sah mich von der Seite an, wahrscheinlich um meine Reaktion abzuschätzen. Dann sprach er weiter, allerdings leiser. »Ich weiß, dass es zu früh ist und deswegen erwarte ich auch noch keine Antwort von dir. Aber ich möchte, dass du weißt, dass ich vorhabe, dich zu meiner Frau zu machen. Margaret hätte gewollt, dass ich mich neu verliebe und eine Familie gründe. Und genau das habe ich vor. Mit dir. Natürlich nur, wenn du das auch willst.«

Ich starrte ihn an, vollkommen verblüfft und betrachtete fasziniert, wie seine Wangen dunkler wurden. Jeremia Mahoney hatte in meiner Gegenwart niemals zuvor so verletzlich und nervös ausgesehen wie in jenem Moment. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und küsste ihn einmal sanft auf den weichen Mund, den ich so liebte.
»Darüber brauche ich nicht nachzudenken. Meine Antwort lautet Ja.«

Und wenn mich jemals in meinem Leben etwas wirklich zufriedengestellt hatte, so war es das Leuchten, das in seine Augen trat, als er meine Worte vernahm, mich in seine Arme nahm und fest an sich drückte. Nach einer Weile ging mir beinahe die Luft aus, doch wir verharrten weiter in dieser Position. Es fühle sich gut an, ihn einfach nur zu umarmen und seinem rasenden Herzschlag zu lauschen, seine Atemzüge an meiner Wange zu spüren. 

»Ich liebe dich«, sagte er. »Und ich werde alles daran setzen, dich zur glücklichsten Frau auf dieser Erde zu machen. Sobald dieser Spuk hier ein Ende nimmt.«

Und gerade als ich seine Worte mit Nachdruck erwidern wollte, zerstörte die raue Stimme des Eiskönigs, in der großes Amüsement mitschwang, den magischen Moment. 

»Was sagt man denn dazu?«, fragte er ironisch und tauchte urplötzlich wie aus dem Nichts auf. »Unsere beiden Täubchen schleichen sich des Nachts davon, um ihre Schäferstündchen unter freiem Sternenhimmel abzuhalten. Hergott, wie romantisch und so verflucht klischeehaft.« Er sah Jeremia herausfordernd an. »Bringt man den Männern in Ashbrook denn nicht bei, wie man einer Frau richtig den Hof macht?« Seine Zähne blitzten auf, als er seine Lippen zu einem breiten Grinsen verzog. Das faszinierende Blau seiner Augen leuchtete strahlend im Schein des Mondes, ebenso sein weißes Haar. Die Sprenkel in seinen Iriden dagegen erinnerten mich vage an goldene Sterne. Er trug einen blauen Umhang, der ihn noch mysteriöser und fremder erscheinen ließ, als er ohnehin schon war. Zwischen seinen Händen balancierte er beiläufig eine kleine blaue Flamme. 

Jeremia spannte sich unter meinen Händen an und presste vor Wut seine Lippen zusammen. Er war drauf und dran, Kaelan ein wüstes Schimpfwort an den Kopf zu werfen, als dieser laut lachte: »Ach, ganz ruhig, mein Freund, ich komme in absolut friedlichen Absichten.« Er hob seine Hände und betrachtete mich eingehend. Die Flamme war verschwunden. Die Belustigung auch. »Ich meine es ernst«, meinte er. »Ich muss mit Alexandra sprechen. Allein.«

Jeremia blickte unschlüssig zwischen uns hin und her, auf meinen Befehl wartend. Er würde nicht eher gehen, als ich ihn darum bat. Ich küsste ihn auf die Wange und lächelte ihn an: »Ich werde deine Frau, Jeremia«, flüsterte ich leise, obwohl ich es eigentlich in die ganze Welt hinausschreien wollte. »Ich werde schon mit ihm fertig. Leg dich hin, ich komme sofort nach.«

Er nickte, warf Kaelan noch einen letzten, wütenden Blick zu und verschwand dann im Zelt. 

Ich blickte ihm so lange nach, bis der Eiskönig an meine Seite trat und mir seinen Arm anbot. Ich hakte mich widerwillig ein und seufzte laut, als er mich aus dem Lager hinaus dirigierte. Die Wachen ließen uns sofort passieren, als sie uns erkannten. Es war erstaunlich, wie schnell sich die Nachricht vom Phönix und dem Eiskönig verbreitet hatte und dass wir nun als Erlöser angesehen wurden, obwohl wir jener Bezeichnung kein bisschen gerecht wurden. 

»Warum tut Ihr das?«

»Warum tue ich was?«

Ich verdrehte die Augen. »Jeremia eifersüchtig machen. Ihr reizt ihn bis aufs Blut.«

Er winkte ab: »Nun sei doch nicht so theatralisch, Alexandra, gönn mir das Vergnügen.«

»Es bereitet Euch Vergnügen, eine Beziehung zu zerstören?«, erkundigte ich mich aufgebracht und starrte ihn wütend an. 

»Zerstören?«, fragte er und lachte. »So wie ich das mitbekommen habe, hat der Gute dir einen Antrag gemacht, den du ohne nachzudenken angenommen hast, Lady Mahoney.«

Er hatte es also mitbekommen. 

»Behaltet das bitte für Euch.«

»Du kennst mich doch. Ich bin die Diskretion in Person. Aber ich wollte eigentlich über etwas anderes mit dir sprechen, weshalb wir ein ruhiges Plätzchen finden müssen. Somit wäre ich dir überaus dankbar, wenn wir deinen Verlobten für einen Moment außen vor lassen und über deine Vergangenheit sprechen.«

»Meine Vergangenheit?« Mir schlug das Herz bis zum Hals, als mir aufging, was er meinte, worauf er da so nonchalant anspielte. »Wisst Ihr etwas darüber?«

Er antwortete nicht. Entzog mir stattdessen seinen Arm, den ich nun wirklich gebraucht hätte und setzte sich auf den Boden wie Dinara und ich vorhin, worauf er mir bedeutete, mich ebenfalls niederzulassen, was ich zögernd tat. »Ich möchte dir eine Geschichte erzählen, Alexandra«, erklärte er leise. 

Ich nickte, ohne wirklich zu wissen, was ich tat. Wollte nur, dass er endlich redete. Das tat er dann auch. Und mir brach der kalte Schweiß aus. 

»Es war einmal ein kleines Mädchen mit rabenschwarzem Haar und hellbraunen Augen, das im Land des Eises inmitten einer liebenden und beschützenden Familie aufgewachsen ist. Ihre Eltern arbeiteten hart, um ihr eine glückliche Kindheit zu ermöglichen, eine Kindheit, die ihr in einem anderen, nur wenige Tagesmärsche entfernten Land nicht gewährt worden wäre. Denn sie trug Magie in sich, starke Magie, Sonnenanbeterinnen-Magie. Und um sie vor den Fängen eines tyrannischen Herrschers und gieriger Ältester zu bewahren, ließen sie ihr altes Leben hinter sich und begannen für das kleine Mädchen ein neues in einem unbekannten Reich, das sie zwar nicht mit offenen Armen empfing aber wegen des magiebegabten Mädchens eine Ausnahme machte.«

Mit angehaltenem Atem hörte ich zu. 

»Sie hatten es nicht leicht. Keiner von ihnen. Trotz der Tatsache, dass sie im Land des Eises leben durften, wurde ihnen ihr Leben schwer gemacht. Sie waren Fremde und ungewollt, viele forderten ihre Rückkehr in das für das kleine Mädchen so gefährliche Land, doch der Eiskönig änderte seine Meinung nicht und ließ sie bleiben. Hass und Vorurteile beeinträchtigen die Familie, doch sie nahmen jedwede Erniedrigung in Kauf. Für ihre kleine Tochter. Sie wuchs also auf, behütet zwar, doch von Spott und Abscheu unverschont, sodass sie sich zu einer willensstarken jungen Frau entwickelte, die für ihr Leben und für das ihrer Liebsten kämpfte.«

Er hielt kurz inne, nur ein paar wenige Sekunden lang, dann erzählte er weiter. 

»Eines Tages, nur wenige Tage vor ihrem achtzehnten Geburtstag, erwachte die Magie, die ihr von Geburt an gehört hatte, in ihr und mithilfe einiger Magier im Land des Eises schaffte sie es recht schnell, sich mit ihr zu arrangieren und sie lieben zu lernen. Sie war ein Teil von ihr, ein Teil, der es ihr ermöglichte, mit der Natur, die sie von Kindesbeinen an fasziniert hatte, in Verbindung zu treten und all ihre Gefühle zu kompensieren. Sie arbeitete am Hof des Eiskönigs als Küchenhilfe und war ein unbeschreiblich schönes Wesen, das alle Menschen in ihrem Umfeld mit ihrer energischen und fröhlichen Natur hypnotisierte und schnell ihre Herzen gewann. Trotz des konservativen Fremdenhasses. Und dann lernte sie einen jungen Mann kennen und verliebte sich unsterblich in ihn.«

Meinen Vater, dachte ich mit trockenem Mund. Sie hatte meinen Vater kennengelernt.

»Und er sich in sie«, meinte er kurz angebunden und atmete tief durch. »Doch das ist nicht das Ende der Geschichte. Denn dieser junge Mann, in den sie sich verliebte, war kein Mann aus dem Land des Eises. Er stammte aus demselben Land wie ihre Eltern.«

»Und wieso wurde ihm Einlass gewährt?« Zum ersten Mal unterbrach ich ihn. 

Er lächelte schief. »Weil der Eiskönig sich ein Bündnis mit Ashbrook erhoffte. Der junge Mann war freundlich und offen, er interessierte sich für Magie, war kein bisschen voreingenommen. Hätte der Eiskönig gewusst, was er mit der Erlaubnis dieses Besuchs anrichten würde...«, Kaelan seufzte, »hätte er sich niemals darauf eingelassen.«

Ich schluckte scharf. 

»Die junge Sonnenanbeterin jedenfalls, die zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste, dass sie den Phönix, die potenzielle Erlöserin eines ganzen Reiches, gebären würde, heiratete den jungen Mann, der nicht wie geplant in sein Land zurückkehrte, sondern im Land des Eises blieb. Für sie. Die beiden führten eine überaus glückliche Ehe, die schließlich mit der Geburt eines Kindes gekrönt werden sollte. Die Sonnenanbeterin wurde schwanger und die Freude war groß - doch nur wenige Wochen vor dem Geburtstag des Kindes, stattete eine Runelta der jungen Frau einen verhängnisvollen Besuch ab und erklärte ihr, ihr Leben würde für das Leben des Kindes gefordert werden.«

Eine Träne lief meine Wange hinab. Ich machte mir nicht die Mühe, sie wegzuwischen. 

»Und so kam es auch. Die Frau starb nach der Geburt des Kindes - einer kleinen Tochter mit kurzem, rabenschwarzem Haar und hellbraunen Augen - an einer Infektion und das flüchtige Glück, das in der Familie Einzug gehalten hatte, war unwiederbringlich fort.«

Ein weiterer Preis, der gezahlt worden war. Ich schluchzte auf. 

»Der Vater des kleinen Mädchens hasste es für den Verlust seiner geliebten Frau von Anfang an, wollte nichts davon wissen, es aufzuziehen und ließ es von einem seiner loyalen Diener umbringen, doch dieser tat es nicht, trotz hoher Bezahlung. Stattdessen brachte er das winzige Kind in das Haus der Eltern der verstorbenen Sonnenanbeterin und erklärte ihnen die Situation. Sie nahmen sich sofort ihrer an und nannten sie Alexandra. Weißt du, was Alexandra bedeutet? Die Beschützerin. Sie nannten sie so, weil sie wussten, zu wem sie einmal werden würde. Zur Beschützerin der Sonnenanbeterinnen und der Magie im Allgemeinen in Ashbrook.«

Er sah mich an. Lange. 

»Dein Vater verließ Rushworth im Glauben, du wärst tot und kehrte nach Ashbrook zurück«, erläuterte er. Nun war nicht länger die Rede von irgendwelchen anonymen Personen. Nein, er nannte die Dinge beim Namen. »Fünf Jahre lang lebtest du in meinem Land. Dann allerdings erfuhr dein Vater, dass du noch am Leben sein sollst. Er hielt es wohl für ein Gerücht, glaubte nicht wirklich daran, doch er schickte dennoch Männer, die herausfinden sollten, ob an jenem Gerücht etwas dran war. Aber deine Großeltern haben vernünftig gehandelt, auch wenn es sich nicht so anhören mag. Sie brachten dich fort, nach Ashbrook, ins Herz des Geschehens. Ein Buch gaben sie dir mit, in der Hoffnung, du würdest sie nicht vergessen. Und ihr Plan ist aufgegangen. Du bist bei der kleinen Schwester deiner Großmutter gelandet und dein Vater hat dich nie gefunden. Ich weiß nicht, wer er ist, ich habe nur die Geschichten gehört. Dass er sich der Dunklen Magie gewidmet haben soll. Vielleicht lebt er mittlerweile nicht einmal mehr. Das jedenfalls«, schloss er, »ist alles, was ich über dich zu wissen glaube. Und über deine Familie.«

Doch die letzten Worte bekam ich kaum mehr mit, denn es fiel mir wie Schuppen von den Augen. Die Wahrheit hatte die ganze Zeit vor meinen Augen gelegen, doch ich war zu verblendet gewesen, sie zu erkennen. Es war eine Möglichkeit, die ich nie erwogen hatte. 

Ich blickte auf und sah in Kaelans blaue Augen. Schluckte.

Denn ich wusste nun, wer mein Vater war. 

Das, meine Lieben, sind fast 3 Tausend Wörter. Somit ist dieses Kapitel das Längste, das ich bis jetzt für diesem Buch verfasst habe. Und es hat mich mit Abstand die meiste Zeit gekostet. Doch nun bin ich zufrieden. Und ich schätze mal, ihr wisst jetzt auch, wer ihr Vater tatsächlich ist. Wobei ich es wirklich spannend finde, dass kein einziger Leser das jemals in Erwägung gezogen hat. Was sagt ihr zu Alexandras background story? Viele von euch waren ziemlich nah dran, Respekt erst einmal dafür. ^^

Hach, ernsthaft, die Geschichte ist mir so dermaßen ans Herz gewachsen, dass ich nichts anderes tue, als darüber nachzudenken, was noch alles geschehen könnte. Und es macht solchen Spaß. 

Danke, dass ihr da seid und mich tatkräftig unterstützt! *.*

Melissa xxx

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