» Kapitel 20 «

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Einen kurzen Augenblick lang herrschte absolute Stille.

Dann meldete ich mich mit leiser, kaum hörbarer Stimme zu Wort: »Ihr könnt mich nicht umbringen.«

»Kann ich nicht?«, fragte Fitzpatrick mit deutlicher Ironie in der Stimme und ließ die scharfe Klinge leicht über meinen Hals gleiten. Ich spürte ein Brennen, dann legte ich eine meiner Hände auf den Schnitt und ertastete klebriges, warmes Blut. Fassungslos starrte ich auf meine Finger. »Wieso tut Ihr das? Ich habe mir nichts zu Schulden kommen lassen.«

Fitzpatrick hielt mich noch immer fest umklammert, als er zu reden begann: »Als ich dich ins Verlies brachte, glaubte ich, man würde kurzen Prozess mit dir machen. Erst im Nachhinein habe ich feststellen müssen, dass sie dich wollten. Wofür auch immer, aber hingerichtet werden solltest du nicht. Das kann und werde ich nicht akzeptieren. Niemals.«

»Und deswegen tötest du einen deiner Kumpanen? Einen Mann der königlichen Garde?«, fragte ich, weil ich nicht weiter wusste. Vielleicht würde ich es schaffen, an sein Ehrgefühl, falls er eines haben sollte, zu appellieren.

»Ach, George«, murmelte Fitzpatrick geistesabwesend, »dem geht's gut. Der erholt sich wieder. Ruht sich nur aus.«

Erleichtert atmete ich auf. George lebte also noch. Immerhin.

»Ihr werdet bestraft, wenn Ihr mich auch nur anrührt«, presste ich hervor. »Der König braucht mich.« Meine Brust hob und senkte sich unnatürlich schnell, mein Herz hämmerte in meiner Brust. Der Schnitt an meinem Hals blutete unentwegt und tränkte den Kragen meiner Uniform. Ich hatte große Angst. »Ich bitte Euch, mich gehen zu lassen und niemand wird von alledem etwas erfahren. Ich gebe Euch mein Wort.«

Ich wurde brutal umgedreht und mit dem Rücken gegen die Wand gestoßen, sodass ich geradewegs in das Antlitz meines Feindes blickte. In Fitzpatricks Gesicht war ein solcher Ausdruck von Hass und purem Abscheu, dass ich mich innerlich bereits mit dem Gedanken abzufinden versuchte, dass es sich hierbei um das Ende meines Lebens handelte.

Doch dann, ehe ich aufgeben konnte, hörte ich Theodores geduldige, ruhige Stimme in meinem Kopf.

»Solltest du einmal in eine Situation geraten, in der dir eine Waffe nichts nützt, oder sich keine in Greifweite befindet, musst du alles daran setzen, deinen Gegner zu entwaffnen. Er soll dich unterschätzen, immer. Und dann, wenn er es am wenigsten erwartet, schlägst du mit voller Kraft zu und überwältigst ihn.«

Fitzpatrick war ein gut gebauter und vor allen Dingen muskulöser, starker Mann, jung und voller Elan, während ich eine Frau war, im Kampf vergleichsweise ungeübt und in einer misslichen Lage. Mein Gegner hatte bessere Karten, soviel war sicher, aber ich hatte etwas, das er nicht hatte: Ich hatte meine Magie. Und obgleich ich sie ihm gegenüber nur im Zweifelsfall anwenden würde, weil ich Connors Plänen keinen Schaden zufügen wollte, so hatte ich den dazugehörigen ausgereifteren Verstand. Vielleicht würde ich ihn damit überlisten können.

Ich gab meine Gegenwehr auf und erschlaffte. Unterschätze mich, beschwor ich ihn innerlich.

»Das war schon alles?«, höhnte er und sah mich triumphierend an, »Ich muss schon sagen, von einer Hexe hätte ich mehr erwartet.« Er streckte eine seiner Hände aus und wickelte sich eine Strähne meines dunklen Haars um seinen Zeigefinger: »Eigentlich bist du ja ein ziemlich hübsches Ding, das muss man dir lassen. Na, was meinst du? Wir könnten uns doch ein bisschen amüsieren, bevor ich dir die Kehle durchschneide. Oder nicht?« Grinsend strich er mir über die Wange. Ich erschauderte unter seiner Berührung, blieb aber ruhig und sah ihn angsterfüllt an. Er sollte glauben, dass er mich einschüchterte, dass ich ihm nun mit Haut und Haaren ausgeliefert war. »Willst du nichts sagen? Na ja, soll mir recht sein.«

BORN TO BURN (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt