» Kapitel 26 «

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»Was habt Ihr mit mir vor?«, fragte ich, um den Schein zu wahren und griff nach einer der Birnen. Er sollte glauben, dass ich ihm allmählich tatsächlich gefügig wurde. Dass er mich in all den Wochen endlich auf seine Seite gezogen hatte. »Ich werde helfen, wo ich kann. Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie dankbar ich dafür bin, dass Ihr mich am Leben gelassen habt.«

»Ah, das Mädchen zeigt endlich den nötigen Respekt«, kommentierte er mit leuchtenden Augen und musterte mich wie ein besonders interessantes Studienobjekt. »Woher dieser Sinneswandel? Du hast doch nichts ausgeheckt, oder?« Seine Augenbrauen hoben sich, während ich den Drang unterdrückte, die Hände zu Fäusten zu ballen. Ahnte er etwa, was heute Abend geschehen würde? Oder spielte er nur mit mir und testete meine Loyalität?

»Es gab keinen Sinneswandel, Eure Majestät«, sagte ich mit ruhiger Stimme und sah ihn an. »Ich habe nur begriffen, dass jeder andere Herrscher mich längst hätte hinrichten lassen. Ich verdanke Euch mein Leben.« Innerlich ekelte ich mich vor mir selbst. Aber meine Schauspielkünste waren offensichtlich gut genug, ihn hinters Licht zu führen.

»Da hast du vollkommen recht«, entgegnete er selbstgefällig und räusperte sich demonstrativ: »Gerade deshalb ist es so wichtig, dass du mich unterstützt. Als Geschenk für meine Großzügigkeit sozusagen.« Er steckte sich eines der Häppchen in den Mund und kaute ausgiebig, bevor er sich dazu herabließ, weiterzusprechen:
»Sobald du deiner Magie Herrin geworden bist, werden wir uns um meine Feinde kümmern. Einer nach der anderen werden sie fallen und ich werde über den gesamten Kontinent regieren. Meine besten Leute arbeiten schon seit Monaten an einer geeigneten Strategie - doch die Möglichkeit, die Magie einer Sonnenanbeterin nutzen zu können, erhöht die Chance auf einen Sieg.«

»Was wisst Ihr über das Volk der Sonnenanbeterinnen?«, fragte ich.

Der König schwieg eine Weile, ratlos, unwissend. »Was ich weiß? Nichts. Ich habe Angestellte, die sich um solche Dinge kümmern, mich interessiert nur der Profit, den ich herausschlagen kann. Klingt vielleicht hart - doch so ist es nun mal. Wie ich schon einmal sagte: Ich bin kein großherziger Mensch. Ich erwarte von meinen Untergebenen, dass sie tun, was ich von ihnen verlange.«

Kein bisschen tyrannisch, dachte ich aufgebracht. Ob kaltblütiger Mörder oder Mörder aus Berufung, Connor war um einiges besser dafür geeignet, Ashbrook zu regieren, als dieser aufgeblasene Prolet, der es nicht einmal für nötig erachtete, sich über seine Wunderwaffe zu informieren. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich ihn hier und jetzt umbringen könnte, noch bevor die Tyrannin es überhaupt wahrnahm, aber ich riss mich zusammen und knabberte unwillig an der Birne. Sollte er sich doch weiter aufspielen; morgen um diese Zeit würde er sich an dieses Gespräch zurückerinnern und vor Wut und Verzweiflung toben.

»Der Ball, den ich heute für dich organisiert habe, ist der Anfang vom Ende. Es werden unzählige Gäste anreisen, Adlige aus Westenraa, aus Dashwood und Rushworth, selbst die königlichen Familien.« Er strahlte über das ganze Gesicht.

»Ist es nicht riskant, sie mit ihrer Todesursache zu konfrontieren?«

Der König stutzte. »Sie werden dich ja nicht für ihre Todesursache halten, Olivia, das ist es, worüber ich eigentlich mit dir reden wollte. Noch eine Birne?«

»Nein, danke«, sagte ich mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend und hörte das Blut in meinen Ohren rauschen.

»Na gut«, erwiderte er arglos und atmete tief durch. »Nun, was denkst du, wie die Menschen reagieren würden, wenn sie erführen, dass du eine Sonnenanbeterin bist?«

»Ist das eine rhetorische Frage?«

»Keineswegs.«

»Sie würden das bestimmt nicht gutheißen«, drückte ich es vorsichtig aus.

BORN TO BURN (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt